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Flüchtlinge in PakistanZögerliche Rückkehr ins Swat-Tal

Die Regierung möchte zwei Million Flüchtlinge in die umkämpfte Region zurückführen. Sie hofft, dass die Vertriebenen gegen die Taliban kämpfen werden.

Vorbereitungen zur Rückkehr ins heimische Swat-Tal: Familie in einem Flüchtlingscamp in Swabi. Bild: ap

Tausende Vertriebe haben sich am Mittwoch aus Flüchtlingslagern im Nordwesten Pakistans auf den Rückweg in das Swat-Tal nordwestlich von Islamabad gemacht, das sie im April und Mai nach Kämpfen verlassen haben. Aufnahmen pakistanischer Fernsehsender zeigten, wie Familien, die in den großen Lagern in Swabi, Charsadda, Mardan und Nowshera untergekommen waren, ihre Habseligkeiten auf Lastwagen und Jeeps luden oder sich in bereitgestellten Bussen auf den Rückweg in ihre Städte und Dörfer machten. Andere kehrten bereits seit Montag in ihren Städte und Dörfer im Malakand-Regierungsbezirk zurück. Dort hatte die Armee im Mai eine Großoffensive gegen lokale Islamistenmilizen eingeleitet.

Vor einer Woche hatte Premierminister Yusuf Raza Gillani erklärt, die Flüchtlinge sollten in drei Phasen in ihre Heimatorte zurückgeführt werden. Das Ziel der Offensive, die Talibanmilizen zu zerschlagen, sei erfolgreich gewesen. Innerhalb der kommenden fünf Wochen sollten alle der mehr als zwei Millionen Vertriebenen zurückgekehrt sein. Doch bislang sind nur einige tausend Menschen in das Swat-Tal zurückgekehrt. Viele Flüchtlinge glauben offenbar nicht daran, dass die Taliban endgültig besiegt sind. Die Erfahrung gibt ihnen recht: Die gegenwärtige Militäroperation ist die dritte seit 2007. Danach sind die Militanten immer gestärkt zurückgekehrt.

"Eine der Ängste ist natürlich, dass der Konflikt noch nicht vorbei ist", sagte Helen Caux vom Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) einem Radiosender. "Die Menschen sind in Sorge darüber, dass sie bald wieder ihre Häuser verlassen müssen." Daher warteten sie ab, ob der Konflikt tatsächlich vorbei ist.

Meldungen vom Mittwoch dürften diese Zweifel bestärken. Der Nachrichtensender Dawn News berichtete, die Armee habe in Buner südlich des Swat-Tals eine weitere Offensive gegen Militante eingeleitet. Hubschrauber hätten Stellungen von Islamisten in den Bergen beschossen. Die Armee hatte bereits vor Wochen erklärt, sie habe die Kämpfer der "Taliban-Bewegung in Pakistan" (TTP) in Buner endgültig geschlagen, alle Flüchtlinge könnten zurückkehren. Auch im Swat-Tal selbst wurde am Mittwoch noch gekämpft.

"Es ist ein Guerillakrieg, und einige Angriffe sind zu erwarten", sagte Afrasiab Khattak, der für die Regionalpartei Awami National Party im Oberhaus in Islamabad sitzt. "Aber eine Normalisierung ist essentiell, um die verbleibenden Militanten unter Druck zu setzen, damit sie ihre Karten offenlegen."

Offenbar spekulieren Regierung und Armee darauf, dass die Rückkehrer ihnen dabei helfen werden, verbliebene Taliban-Kämpfer aufzuspüren und zu stellen. Mit ihren zahlreichen Gräueltaten an Gegnern und Vertretern des Staates sowie Morden an hunderten kritischer Stammesanführer haben die Taliban die Menschen gegen sich aufgebracht. Fast jede Woche entstehen neue Lashkar-Stammesmilizen, die Seite an Seite mit Regierungstruppen gegen die Militanten kämpfen. Doch Beobachter gehen davon aus, dass es noch Jahre dauern könnte, bis die letzten Taliban-Kämpfer besiegt sind oder ihre Waffen niederlegen.

"Die Menschen sind in Sorge darüber, dass sie bald wieder ihre Häuser verlassenmüssen"

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2 Kommentare

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  • M
    max

    Dass hier eine Regierung Millionen ihrer eigenen Bürger absichtlich ins Elend vertrieben hat-und das im Auftrag der USA-verschweigt die taz geflissentlich. Wundere sich niemand im Westen, wenn die Menschen in Pakistan irgendwann sich eine andere Regierung geben.

  • R
    Rumpelstilzchen

    Radikalislamistische "Widerstandskämpfer" werden ihren Kampf nicht von alleine aufgeben.

     

    Auch fortgesetzte und verstärkte Militäroperationen werden sie nicht daran hindern.

     

    Daher wird sich auch das Flüchtlingsproblem nicht von alleine lösen.

     

    Aber nur weiter so.

     

    In ein paar Jahren, wenn niemand mehr abstreiten kann, dass man früher (heute? gestern?) etwas gegen globale Probleme hätte tun müssen, werden die Herren und Damen Politiker (und die Herren und Damen WählerInnen!) vielleicht erkennen, dass die Welt etwas mehr Zusammenhalt gebraucht hätte.

     

    Aber bis dahin werden wohl weltweite Hunger- und Naturkatastrophen, extremer Klimawandel und Totale Überwachung der westlichen Staaten höchst selbst die Wirklichkeit diktieren.

     

    Und dann werden wir tatsächlich eine Situation haben, in der vielleicht nicht nur die "unterdrückten" Völker der dritten Welt um ihr Überleben kämpfen müssen. Dann werden auch westliche Truppen gezwungen sein, um Wasser, Land und Sicherheit zu kämpfen.

     

    Aber bis dahin können wir ja getrost noch ein paar Dollar rausquetschen, aus der Globalen Weltwirtschaft, aus den Sweatshops und aus den Pipelines. Wenn wirs nicht machen, machts jemand anderes. Juchee.