Flüchtlinge in Frankfurt: Ohne Freiwillige geht gar nichts
Die Organisation „Welcome Frankfurt“ kümmert sich um Flüchtlinge. Ihre Mitglieder sehen sich als Helfer – und als politische Aktivisten.
Im August, als Ludwig hört, dass in Frankfurt Flüchtlinge in einer Sporthalle untergebracht werden, ist sie empört: „In so einer reichen Stadt mit so viel Leerstand.“ Politisch nicht hinnehmbar sei das für sie und Welcome Frankfurt.
Noch bevor Welcome Frankfurt offiziell gegründet wird, ruft sie mit anderen zum „Umsonstflohmarkt“ und zur Begegnung mit Geflüchteten auf. Mit Erfolg. Etwa 150 Menschen kommen zu der Aktion an der Sporthalle.
Hallen als Unterkünfte sind heute Alltag in Frankfurt. Insgesamt sechs Standorte gibt es. Dort schlafen 850 Menschen, Pritsche an Pritsche, in Massenunterkünften. Wann diese aufgelöst werden, ist nicht absehbar. Obwohl Initiativen wie Welcome Frankfurt fordern, Büroräume umzufunktionieren. Die Stadt sagt, das gehe oft nicht. Meist seien die Kosten für den Umbau zu hoch.
„Es ist gut hier“
Im Norden der Stadt, im Dornbusch, befindet sich eine der Hallen. Draußen sitzt eine Gruppe minderjähriger Flüchtlinge. Ein Junge im Trainingsanzug grinst. Englisch spricht er nicht. „Libya“ kann er sagen. Alaa, ein 16-jähiger Syrer, sagt: „Es ist gut hier.“ Aber ihm sei langweilig. Er kann gut Englisch und übersetzt für die anderen geflüchteten Jungen und Männer, die Arabisch sprechen. Professionelle Dolmetscher sind an dem Tag nicht da.
Annette Ludwig
Auch die Angestellten eines Wachdienstes, von denen einige einen Migrationshintergrund und die oft übersetzt haben, sagen sie dürften das nicht mehr. Das habe Ärger gegeben, weil Klagen der Flüchtlinge über die Feldbetten und das Essen an die Öffentlichkeit gedrungen seien.
Eigentlich hatte das Deutsche Rote Kreuz (DRK), das auch Träger dieser Einrichtung ist, gefordert, dass jedem Menschen mindestens neun Quadratmeter zustehen. In der Halle im Dornbusch gibt es einen Schlafraum für 140 Menschen. „Viel mehr ist zurzeit nicht möglich, leider“, sagt Thomas Wolff, Sprecher des DRK Hessens. Er ist nicht sehr optimistisch, dass sich bald etwas ändere. Vergangene Woche habe man Feldbetten aus Kanada geliefert bekommen. Die seien in Deutschland ausgegangen.
Im Rosa-Luxemburg-Raum des DGB hat gerade die Sitzung von Welcome Frankfurt begonnen. „Wir müssen einen Flyer machen mit Informationen, wie das Asylverfahren abläuft und was die Menschen zu beachten haben“, sagt die Vertreterin der AG Recht. Wie viele andere Mitstreiter bei Welcome ist auch sie noch in einer anderen Initiative aktiv, bei Pro Asyl.
Schuhe vom Betreuer abgenommen
Die AktivistInnen tauschen sich über ihre Erlebnisse aus. „Ich werde immer wieder gefragt, wie lange die Menschen hier sein werden, wie der aktuelle Stand sei und wie lange die Registrierung dauere“, sagt einer. „Mir hat ein Flüchtling erzählt, dass ihm die neuen Schuhe von einem Betreuer abgenommen worden seien, weil sonst Neid entstehe. Wie kann das sein?“, fragt eine Aktivistin aus der AG Dolmetscher. Und überhaupt: Überall fehlten Dolmetscher.
Es gibt so viele Fragen der Engagierten, die sich nach ihrer Tätigkeit als Sozialpädagoge, kaufmännische Angestellte oder Student zusammensetzen. Die versuchen aufzufangen, was woanders nicht geleistet wird.
Ehrenamtliches Engagement ist in Hessen wichtig. Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) lobte in seiner Regierungserklärung, wie fast alle seine Amtskollegen, die ehrenamtlichen Helfer. „Ohne sie würden wir das gar nicht packen“, sagt auch Thomas Wolff vom DRK Hessen. Wer ehrenamtlich Deutschunterricht geben will, den verweist die Stadt an Teachers on the Road, eine freiwillige Organisation. „Die haben das beste Know-how“, sagt Manuela Skotnik vom Sozialdezernat in Frankfurt.
Aber zumindest Ludwig von Welcome Frankfurt will nicht „Ehrenamtlerin“ sein. Primär sei sie eine politische Aktivistin. „Wir können den Staat nicht aus der öffentlichen Daseinsvorsorge entlassen. Es geht nicht, dass hoheitliche Aufgaben auf EhrenamtlerInnen übertragen werden”, sagt sie.
Jeans und Wasser
Während der Sitzung von Welcome Frankfurt müssen einige früher los, andere kommen später. Das ist für diese Art Arbeit nichts Ungewöhnliches. Manche melden sich erst für Aufgaben und tauchen doch nie mehr auf. Andere kommen aus dem Nichts und springen ein.
Auch nicht alle Hauptamtlichen sind immer glücklich mit der Arbeit der Freiwilligen. Gerade wenn diese spontan mit zwei paar Jeans oder Wasser vorbeikommen. „Das gibt schlimmstenfalls Streit, wer die Sachen haben kann“, sagt Pilar Madariaga, die für die AWO Flüchtlingsunterkünfte managt. Es sei besser, vorher zu fragen, was wo gebraucht würde.
Am Ende der Sitzung sieht Annette Ludwig müde aus. Fast drei Stunden lang hat man beraten und ausgetauscht. „Können wir morgen telefonieren?“, fragt sie. Schon am nächsten Tag sieht man sie wieder bei einer Demo.
Seit Freitag vergangener Woche haben die Hauptamtlichen des Frankfurter Vereins für soziale Heimstätten den Empfang der neu ankommenden Flüchtlinge am Bahnhof übernommen.
Am selben Tag kündigt Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) die Einrichtung einer eigene Stabsstelle mit bis zu 25 Mitarbeitern an. Ab dem 1. November organisieren sie Ankunft, Unterbringung und Integration der ankommenden Menschen. Die Stadt beginnt zu handeln.
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