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Flüchtlinge in BerlinProteste entzweien Flüchtlingshelfer

Im Dialog mit Bewohnern wollen Senat und Bezirk künftig die Situation im Rathaus Wilmersdorf verbessern. Vor der Notunterkunft protestieren Geflüchtete seit Tagen gegen ihre Lage.

Geflüchteter in der Notunterkunft im alten Rathaus Wilmersdorf Foto: dpa

Angesichts der andauernden Proteste Geflüchteter gegen schlechte Wohnbedingungen und gewalttätige Übergriffe durch Security-Mitarbeiter in der Flüchtlingsunterkunft im ehemaligen Rathaus Wilmersdorf hat der Senat nun einen Dialogprozess angeschoben. Jeden Mittwoch soll es künftig Gesprächsrunden geben, bei denen die Bewohner mit Verantwortlichen Probleme ansprechen und Lösungen suchen können. Das haben das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF), das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf, der Arbeiter-Samariter-Bund, der das Haus betreibt, Bewohnervertreter und die „Freiwilligeninitiative Rathaus Wilmersdorf“, die die Bewohner seit Eröffnung der Unterkunft unterstützt, vergangene Woche vereinbart.

Bettwanzen, Übergriffe

Bereits seit Tagen campieren Bewohner vor der Notunterkunft. Ihre Zahl ist unterdessen von 40 auf unter zehn gesunken. Sie protestieren gegen Bettwanzen, gewaltsame Übergriffe von Securitymitarbeitern, schlechtes Essen, nicht verschließbare Zimmer und zu wenig Duschen in dem früheren Bürohaus. Ein kleines Zeltdorf auf einer benachbarten Grünfläche wurde inzwischen abgebaut, die leere Grünfläche vom Bezirksamt eingezäunt – aus Angst, dass darauf ein neuer Oranienplatz entstehen könnte. Eine Antifagruppe hatte vergangenen Woche im Internet zu Zeltspenden und einem Solidaritätskonzert aufgerufen, den Aufruf inzwischen aber zurückgezogen.

Das LAF will die Probleme nun angehen: So sollen laut taz-Informationen bald Türschlösser eingebaut werden. Bisher wollte das Amt die Kosten dafür sparen, da die Unterkunft zum Jahresende ohnehin schließen soll. Schädlingsbekämpfung soll künftig auch präventiv betrieben werden. Bisher wurde das Ungeziefer nur in den Zimmern bekämpft, in denen Bewohner Befall meldeten.

Polizei ermittelt

Zu den Übergriffen von Securitymitarbeitern laufen polizeiliche Ermittlungen. Als nicht realistisch bezeichnete das LAF laut dem der taz vorliegenden Protokoll des Gesprächs vergangene Woche jedoch einen schnellen Umzug der 950 Bewohner in besser ausgestattete Heime: Dazu gebe es nicht genügend freie Plätze. Auch der Einbau von Küchen zur Selbstversorgung sei in Wilmersdorf nicht möglich.

Die Initiative Moabit hilft, die die protestierenden Bewohner unterstützt, kritisiert, an dem Dialogprozess nicht beteiligt worden zu sein. Unter den dazu eingeladenen Bewohnern sei zudem keiner der Protestierenden gewesen. Die Initiative beklagt auch, dass die Protestler von einem Securitymann und der Freiwilligeninitiative Rathaus Wilmersdorf unter Druck gesetzt würden und ihnen mit Kindesentzug und Abschiebung gedroht werde.

Helfer uneins

Die Wilmersdorfer Freiwilligeninitiative, die mit gut 100 Ehrenamtlichen seit 21 Monaten in der Unterkunft tätig ist, Patenschaften für Bewohner übernimmt und Deutschunterricht anbietet, weist das scharf zurück. „Wir haben die Protestler lediglich auf möglichen Folgen hingewiesen. Das verstehe ich unter verantwortlicher Sozialarbeit“, so Sprecher Holger Michel. Der Bezirk werde ein Camp nicht akzeptieren. Eine Zwangsräumung wäre für die Betroffenen traumatisierend. „Wenn Kinder im Freien schlafen, riskierten Eltern ein Eingreifen des Jugendamtes“, so Michel. „Im schlimmsten Fall werden die Kinder in Obhut genommen. Außerdem kann dies Auswirkungen auf den Asylantrag haben.“

Ein Konflikt zwischen einer Hilfsorganisation, die Probleme im Dialog mit Behörden lösen möchte, und einer, die die Problemlösung im Herstellen von Öffentlichkeit sieht? Die Grünen-Abgeordnete Canan Bayram fordert das LAF auf, mit beiden Gruppen zu reden und sie nicht gegeneinander auszuspielen.

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1 Kommentar

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  • Die Freiwilligen im Rathaus agieren mit den Heimbetreiber ASB Hand in Hand. Sie verwalten und decken die Mängel. Sie haben prekäre Ausstattungen an Hygienebedarf, Kleidung und Waschmaschinen aus Spendenmitteln gekauft, statt öffentlich einzufordern, dass der Staat diese Unterkunft angemessen ausstattet und dass die Menschen die ihnen zustehenden Sozialleistungen erhalten. Seitdem Geflüchtete die Zustände an die Öffentlichkeit tragen, reagieren die "Freiwilligen" im Rathaus beleidigt und distanzieren sich von den Geflüchteten, statt die selbstorganisierte Protestaktion zu unterstützen.

     

    Auslöser der Proteste war anders als vielfach behauptet auch nicht "Moabit Hilft", sondern ein gewaltätiger Übergriff der Security auf einen Flüchtling, der krankenhausreif zusammengeschlagen wurde, weil er eine Schreibe Brot für sein krankes Kind mit aufs Zimmer nehmen wollte.

     

    Eine Unterkunft für 1000 Menschen, in der es nach 2 Jahren immer noch keine abschließbaren Zimmer gibt, ist ein Skandal. Jeder hat das Recht auf Privatsphäre und Schutz seiner persönlichen Unterlagen und seines Eigentums. Nicht die "Freiwilligen" der "Musterunterkunft", sondern die Geflüchteten machen diese grundlegenden Mängel jetzt öffentlich. Die Schließanlage soll daraufhin jetzt zwar beschafft werden, aber erstmal europaweit ausgeschrieben werden und für die Nachnutzung durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung geeignet sein, offenbar ein Transpondersystem. Dessen Installation wird sicher dauern, bis die Notunterkunft längst geräumt ist.

     

    Bettwanzen, zuwenig Duschen, zuwenig Waschmaschinen, keine Küchen zur Selbstversorgung, restriktive Ausgabe der Kleiderspenden, und extrem hierarisch organisierte Ehrenamtliche, die sich als "Sozialarbeiter" des Betreibers verstehen und im Haus für Ordnung sorgen, aber ihre eigene Rolle dabei nicht kritisch reflektieren, das sind nur einige Probleme in dieser angeblich mustergültigen "Notunterkunft".