piwik no script img

Flüchtlinge in BerlinUmzug ins Ungewisse

Die ersten Bewohner haben die Unterkunft in Hellersdorf bezogen. Nach anfänglicher Ruhe ertönen auch fremdenfeindliche Parolen.

Einladend sieht anders aus: Das neue Flüchtlingsheim in Hellersdorf. Bild: ap

BERLIN taz | Der Mann steigt am U-Bahnhof Cottbuser Straße aus und schaut fragend auf einen Zettel. Vor der U-Bahnstation ist ein Zelt aufgestellt, es erklingt Musik. Knapp 50 Politiker von Piraten, Linken und Vertretern der Antifa haben sich zu einer Kundgebung getroffen.

Sie wollen die ersten Flüchtlinge willkommen heißen, die am gestrigen Montag in dem umstrittenen Heim in Hellersdorf eintreffen. Es ist 14 Uhr und der Mann ist der vorläufig dritte Flüchtling, der nach Hellersdorf kommt. Allein, ohne Begleitung. Das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) hat ihn hierher geschickt.

Zwei Männer des provisorischen Empfangskomitees begleiten ihn zu dem rund 150 Meter von der Station entfernten Heim. Er spricht kein Wort Deutsch, die anderen kein Arabisch. Schweigend laufen sie nebeneinander her. Später trifft ein Bus mit Asylbewerbern ein, die bisher in der Spandauer Motardstraße gewohnt haben.

Die Polizei schirmt die Flüchtlinge ab. Im Juli hatten hier Anwohner gegen das Heim gewettert. Beim Lageso wurde dessen Eröffnung dringend erwartet. Alle Flüchtlingsheime in der Stadt sind überfüllt. Das Hellersdorfer Heim sollte schon Ende Juli eröffnet werden, wegen Verzögerungen hatte das Land angeordnet, in anderen Heimen Kinderspielzimmer und Gemeinschaftsräume in Schlafsäle zu verwandeln.

„Höchst vertrauliche Quelle“

Die aus der Anonymität heraus agierende „Bürgerinitiative Marzahn-Hellersdorf“ schießt seit Wochen im Internet gegen die Eröffnung des Flüchtlingsheimes. Am Sonntag verkündete sie auf ihrer Facebook-Seite, dass man „aus höchst vertraulicher Quelle“ zugetragen bekommen habe, dass die Belegung des Heimes am gestrigen Montag starten soll.

Klaus-Jürgen Dahler von den Hellersdorfer Linken kennt die „höchst vertrauliche Quelle“: Polizisten, die Platzverweise ausgesprochen hatten gegen Anwohner, und aus Brandenburg angereiste Rechte, die an den letzten Abenden einen Schweigemarsch vor dem Heim durchführten. „Dabei hat ein Polizist sich wohl verquatscht“, sagt Dahler. Der Flüchtlingsrat fordert, die Belegung der Unterkunft auszusetzen, bis ein „umfassendes Sicherheitskonzept“ vorliege.

Am Montag ist von Rechten zunächst nichts zu sehen. Ein paar Anwohner schauen aus dem Fenster, einige stehen an einer Ecke und sagen, mit keiner anderen Zeitung als der B.Z. zu sprechen. Zwei Frauen reden dann doch mit den zahlreich anwesenden Journalisten. Ja, sie sind gegen das Heim, sagen sie. „Aber nicht, weil wir was gegen Asylanten haben. Die sind doch genauso Opfer wie wir.“

Vielmehr fühlten sie sich verschaukelt von den Polikikern. „Uns hat niemand informiert, wann die Leute kommen, wie lange sie bleiben, was die Nachbarschaft für uns bedeutet und ob man Leute in einem Haus zusammenpfercht, die sich nicht miteinander verstehen“, sagt eine Frau, die ihre Brötchen an der Kasse eines Supermarktes verdient. „Ich hoffe, es gibt keine Kriminalität.“

Am frühen Abend tönen aus einer Gruppe von Anwohnern fremdenfeindliche Parolen, ein Mann ruft, dass Hellersdorf schon immer rechts gewesen sei und es auch bleiben werde. Ein anderer zeigt den Hitlergruß und wird des Platzes verwiesen.

Piraten-Fraktionschef Oliver Höfinghoff fordert eine Bannmeile vor Flüchtlingsheimen wie vor NS-Gedenkstätten: „Es kann nicht sein, dass schutzsuchende Leute vor ihrem Zuhause Proteste von Nazis ertragen müssen.“ Der Hellersdorfer Pfarrer Hartmut Wittig warnt davor, besorgte Bürger in die rechte Ecke zu stellen. „Damit schneiden wir den Gesprächsfaden ab.“ Die Bürgerinitiative sei nicht rechts organisiert, sondern „wahrscheinlich ein Mix aus verschiedenen Gruppen, NPDler inklusive“. Schlimm sei, dass in Hellersdorf niemand mit niemandem rede.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

16 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Im Namen des Volkes, gemäß unserer Verfassung, muss die Partei NPD durch Bundesverfassungsgericht endlich verboten werden.

     

    Die NPD verstößt ständig gegen die Grundrechte unserer Verfassung. Darüber gibt es vielfach Beiträge in der Presse. Somit muss die Partei NPD in Anlehnung an Artikel 18 und Artikel 21 Absatz 2 im Grundgesetz verboten werden.

     

    Ich finde, wir, alle Bürger in Deutschland, müssen uns an unsere Geschichte erinnern, was in den 30 er und 40 er Jahren war und es noch kein Grundgesetz gab! So etwas darf nie wieder geschehen!

  • Zu der angeblichen "Bürgerinitiative", die verstoßend gegen unsere Verfassung, menschenfeindliche und rassistische Stimmung in Berlin-Hellersdorf verbreitet. Die Menschen in Hellersdorf werden von Rechtsextremisten/Nazis instrumentalisiert.

     

    Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet, wird mit Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 5 Jahren bestraft.

     

    Gemäß § 130 (Volksverhetzung) des Strafgesetzbuches

  • Im Namen des Volkes, gemäß unserer Verfassung, muss die Partei NPD durch Bundesverfassungsgericht verboten werden.

     

    Die NPD verstößt ständig gegen die Grundrechte unserer Verfassung. Darüber gibt es vielfach Beiträge in der Presse. Somit muss die Partei NPD in Anlehnung an Artikel 18 und Artikel 21 Absatz 2 im Grundgesetz verboten werden.

  • Zu der angeblichen "Bürgerinitiative", die verstoßend gegen unsere Verfassung, menschenfeindliche und rassistische Stimmung in Berlin-Hellersdorf verbreitet. Die Menschen in Hellersdorf werden von Rechtsextremisten/Nazis instrumentalisiert.

     

    Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet, wird mit Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 5 Jahren bestraft.

     

    Gemäß § 130 (Volksverhetzung) des Strafgesetzbuches

  • 2
    2

    Wenn man Flüchtlinge aus Armutsländern hier einreisen läßt, dann muss der Staat auch in der Lage sein ihnen Unterkunft und Essen zu geben, auch Arbeit.

     

    Aber der Staat muss auch von Anfang an den Leuten klar machen, wie die Regeln in Deutschland sind. Dazu gehört wie man sich hier integrieren kann und auch muss, Ordnung im und um die Häuser wo sie untergebracht werden. Auch erklären wer gegen Gesetze verstößt wird abgeschoben und deutsch lernen ist von Anfang an Pflicht für Erwachsene und Kinder.

     

    Wenn festzustellen ist, die Leute halten sich an die deutschen Regeln, dann sollen sie auch Arbeit haben um sich selbst zu versorgen.

    • H
      Hans
      @2:

      Ja, wäre schön, wenn Asylsuchende in Deutschland endlich auch Arbeit annehmen dürften, dann würden die meisten von ihnen nicht so ein trostloses und unwürdiges Dasein hier haben.

      • J
        Jupp
        @Hans:

        Welche Arbeit bitte?

        • H
          Hans
          @Jupp:

          Mal ganz ehrlich, ob der osteuropäische Suppi auf der Baustelle nicht Deutsch spricht oder der asylsuchende Syrer...

           

          Irgendwie kriegt man das schon hin mit ein bisschen politischem Willen und Integration.

           

          Erst sorge ich dafür, dass die Leute die Sprache hier sprechen, oder zumindest eine vielverstandene Konsenssprache z.B. via Sprachkurse, dann gehts los.

          Und die Asylsuchenden sind ja nicht zwingend ungebildet. Es besteht halt einfach eine sprachliche und teils gesellschaftliche Barriere, die mit Integration überwunden werden kann.

           

          Der Staat will das halt nicht, weil das Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist.

          • CL
            cpetion Life
            @Hans:

            Es gibt keine Stellen.

  • K
    Kimme

    "Piraten-Fraktionschef Oliver Höfinghoff fordert eine Bannmeile vor Flüchtlingsheimen wie vor NS-Gedenkstätten." Wird es denn in Zukunft auch Bannmeilen vor und um aufgewerteten Wohnhäusern geben? Diese sowie ihre Einwohner sind nämlich ähnlich in ihrer körperiche Gesundheit bedroht, nur nicht von rechter sondern von linker Seite. Stichwort: Doppelstandards.

     

    Zum Thema:

    Diese Menschen brauchen eine Unterkunft mit sanitären Einrichtungen, schließlich können sie den kommenden Winter nicht in Zelten verbringen und brauchen fließend Warmwasser und Strom. Es ist unsere Pflicht als Gesellschaft Menschen aufzunehmen, die in ihrer Heimat um ihr Leben fürchten müssen und zwar solange bis dies nicht mehr der Fall ist.

    Leider hat hier die Politik mal wieder über die Köpfe der Bürger hinweg entschieden, was natürlich Empörung mit sich bringt. Warum wurde nicht ein Heim in Friedrichshain eröffnet? Meiner Meinung herrscht dort ein wesentlich gastlicheres Klima für Asylsuchende, da hier so oder so eine recht breite Mischung aus Nationalitäten vorhanden ist, es ein größeres Freizeitangebot für Kinder gibt(das mit Subeventionen für die Flüchtlinge kostenlos ein könnte) und diverse Hilfsprojekte für sozial Schwache präsent sind. Oder hat Ströbele Angst, dass der Friedrichshainer Hippster doch nicht so tolerant ist und ihm sein Stimmvieh von der Fahne gehen könnte? Mit Marzahn-Hellersdorf hat man einfach die schlechteste Wahl für eine Unterkunft von Asylsuchenden getroffen.

    • @Kimme:

      Es wird versucht die z.Z. hohe Zahl an Flüchtlingen einigermaßen gleichmäßig auf die Bezirke zu verteilen. Marzahn-Hellersdorf hat bisher sehr wenige dieser Menschen aufgenommen, daher wurde nun auch dort eine Massenunterkunft eröffnet.

       

      Das Problem sind diese Massenunterkünfte. Die Lösung ist die dezentrale Unterbringung. Aber dafür fehlt der Wohnraum. Deshalb: Wohnraum schaffen!

  • PH
    Peter Haller

    Was hätten bloss die Marzahn/Hellersdorfer gemacht, wenn sie damals nach dem Fall der Mauer von den West-Berlinern genauso empfangen worden wären ?? Mir waren die auch unheimlich, aber willkommen waren sie trotzdem, die armen Ost-Asylanten.

    • H
      Hans
      @Peter Haller:

      Ihre Argumentation ist wenig befriedend und unpassend, weil sie ja in vielen Fällen nicht mal migriert sind, sondern nur staatsbürgerlich geschluckt wurden.

       

      Der Vergleich mit den deutschen (meist jüdischen) Flüchtlingen in Amerika nach der Machtergreifung der Nazis wäre z.B. passender als billige Polemik gegen "Ossis".

       

      Aber die Wiedervereinigung spielt eine große Rolle im Verhalten der Anwohner dort heute.

  • G
    Gast

    "Die Bürgerinitiative sei nicht rechts organisiert"

     

    Schade dass er sich nicht mit den Fakten beschäftigt hat. Die Ini wurde 1 Tag nach der Info in der BVV gegründet, wo sich einer der beiden NPD-Abgeordneten dazu geäußert hat. Der Aufruf stammt vom ehemaligen Direktkandidat der NPD im Bezirk Crull, ebenso diverse "online-Petitionen". Bei der Infoveranstaltung ergriff die NPD-Landesführung in Form des Vorsitzenden Schmidtke und seiner aktuellen Partnerin das Wort, es wurde in gedrucktes Transparent (auf Folie) gezeigt. Heute vor Ort anwesend waren diverse filmenden Nazis aus der Anti-Antifa-Szene und NPD-Kandidaten aus beispielsweise Treptow-Köpenick für die dortige BVV. Daneben haben die selben Typen heute die Hetze organisiert, wie bei der peinlichen "Einwohner"versammlung.

     

    Nicht rechts orientiert? Alles klar.

  • X
    XDanowarX

    Warum berichtet man nicht aktuell vom rassistischen Mob, der von Neonazis unterstützt wird und den ganzen Abend an der Unterkunft Angst und Terror verbreitet.

    Flüchtlinge sind vor Angst aus ihrer Unterkunft geflohen!!

    Deutschland 1989/1990 reloaded.

    • P
      Penny
      @XDanowarX:

      Ja, sie sind in ihre alte Unterkunft geflohen. Frage: Warum konnten sie denn nicht so oder so gleich dableiben? Sie hatten doch eine Unterkunft.Ich glaube, die Politik hat alle mal wieder verschaukelt.

      Ein Flüchtlingsheim in einem ohnhin schon sozialen Brennpunkt einzurichten, so ein Quatsch. Und von den Bewohnern des Viertel ein fröhliches Willkommen den Flüchtlingen gegenüber zu erwarten. Das zeugt nicht von großer Menschenkenntnis.

      Sollen die lieben Politiker doch in ihrem Garten oder Park eine Unterkunft einrichten, wenn ihnen die Flüchtlinge so willkommen sind. Wasser predigen und selbst Wein saufen, das haben wir gerne!