piwik no script img

Flüchtlinge im Mittelmeer„Mare Nostrum“ ist Geschichte

Sie retteten Flüchtlinge aus Seenot: Die italienische Regierung stellt die Marineoperation „Mare Nostrum“ ein. Daran gibt es Kritik von Hilfsorganisationen.

Angehörige der Opfer der Lampedusa-Katastrophe trauern ein Jahr danach, am 3. Oktober 2014. Bild: dpa

ROM/BRÜSSEL/VATIKANSTADT dpa/kna | Hilfsorganisationen kritisieren die Pläne Italiens, den „Mare Nostrum“-Einsatz von Marine und Küstenwache zur Rettung von Bootsflüchtlingen einzustellen. Die tragischen Schiffbrüche mit mehr als 3.000 Toten seit Jahresbeginn zeigten, wie nötig eine Fortsetzung sei, heißt es in einer am Freitag veröffentlichten Anzeige der italienischen Vertretungen unter anderem von Amnesty International und Ärzte ohne Grenzen in der Tagezeitung La Repubblica.

Innenminister Angelino Alfano wollte am Nachmittag gemeinsam mit Verteidigungsministerin Roberta Pinotti Einzelheiten zum weiteren Vorgehen erläutern. Nach dem Ende von „Mare Nostrum“ will die EU ab diesem Samstag mit dem Programm „Triton“ die Lücke füllen. Unter dem Dach der EU-Grenzschutzagentur Frontex soll „Triton“ Italien bei der Sicherung der Seegrenzen und der Rettung von Bootsflüchtlingen unterstützen.

Allerdings kritisieren Flüchtlingsorganisationen, das Frontex-Mandat liege nur auf der Grenzschutzsicherung und nicht darauf, Menschen vor dem Ertrinken zu retten. Das Einsatzgebiet auf dem Meer für die Rettung sei zudem viel zu klein, auch reichten die finanziellen Mittel hinten und vorne nicht.

Auch der päpstliche Migrantenrat blickt mit Sorge auf das geplante Ende der Operation „Mare Nostrum“. „Triton“ sei dafür kein Ersatz, sagte der Präsident des Rates, Kardinal Antonio Maria Veglio, am Freitag Radio Vatikan.

Erinnerung an Lampedusa

Veglio erinnerte an die Flüchtlingskatastrophe, bei der vor einem Jahr rund 390 Menschen ertranken, als ihr Boot vor der Mittelmeerinsel Lampedusa kenterte. Danach hatte die italienische Marine „Mare Nostrum“ ins Leben gerufen, bei der seither 150.000 Menschen gerettet wurden.

Die häufige Kritik, dadurch werde der Flüchtlingsstrom nur noch mehr angeheizt, nannte Veglio „bösartig“ und „gefühllos“. Die meisten der Menschen wollten großen Gefahren in ihren Heimatstaaten entkommen, „und die Liste dieser Länder hat ja kein Ende“. Der Kardinal kritisierte auch den Umgang Libyens mit den Flüchtlingen, die dort in Lagern mit katastrophalen hygienischen Verhältnissen eingepfercht würden. Die Europäer könnten nicht einfach sagen: „Was geht mich das an?“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • Ich habe zwei Kritikpunkte an dem Artikel in Hinblick der "Zahl der Geretteten".

     

    Denn erstens hat das Projekt ja dazu motiviert, dass sich mehr Menschen in überfüllten Booten überhaupt auf dem Weg machten. Dieser Effekt hat damit die Zahl von Todesopfern wahrscheinlich erhöht.

     

    Zweitens wird die "Rettung" ja oft proziert, z.B. indem das eigene Boot versenkt wird um gerettet und nicht zurückgeschickt zu werden. In dem Fall kann man nicht behaupten, dass diese Menschen nur durch "Mare Nostrum" überlebt haben.

     

    Somit halte ich die "Zahl der Geretteten" für nicht aussagekräftig. Möglicherweise hat "Mare Nostrum" sogar unterm Strich für mehr Tote gesorgt, als ohne.

     

    Wenn überhaupt könnte man vergleichen, ob es vor- oder nachher mehr Todesopfer gab, wobei auch das schwierig wäre, weil ja politische Situationen sich ändern.

    • @DerKommentator:

      Hallo,

      ich denke ncht dass diese Projekt mehr menschen motiviert hat. Die waren schon die ganze Zeit auf den Weg hierher. Ich denke auch nicht dass es das Verhalten von die Schlepper geändert hat. Denen ist es doch völlig egal ob ein Boot ankommt oder nicht. Nur wo soviele in kurze Zeit starb, ist etwas unternommen worden. Daher sehe ich die Zusammenhang wie Sie es schildern nicht.

      Dazu, schauen Sie mal nach Lesvos. Dort kommen noch mehr Menschen an (und sterben auf den Weg dorthin) wie Lampedusa/Sizilien.

      Aber was mich wirklich an Ihr Beitrag stört, ist dass Sie keine Alternativen darlegen, und ich empfinde es so als ob Sie wirklich nur an "Zahlen" denken. Das wäre m.E. sehr schlimm.

      Kläre mich bitte auf.......

      • @anton philips:

        Völlig egal ist es Ihnen sicher nicht, da sie ja dann ein neues Boot kaufen müssen.

  • 7G
    774 (Profil gelöscht)

    Das ist eben wie üblich: Man hat ein bißchen Gutes getan. Nun muß es wieder genug sein. Außerdem ist die öffentliche Aufmerksamkeit sowieso bei anderen Themen im Moment.

    • @774 (Profil gelöscht):

      Gutes tun kostet eben Geld. Und gerade in Italien sind die Kassen leer.

      Da muss man sich entscheiden: Tut man Gutes für Fremde die übers Meer kommen oder für die eigenen Bürger.

      • @MussManNichtWissen:

        Wenn wir die Italiener alleine lassen wie es bisher war, kann die Italiener es evtl. so sehen. Aber, ich meine Sie übersehen etwas Wichtiges. Die Italiener sind sehr reich, und haben fast so gute Ersparnisse wie Deutschland (pro Kopf). Die Regierungen sind das Problem.

        Auf alle Fälle können wir es nicht auf "uns oder die" ankommen lassen. Alleine, egoistisch deswegen weil die Geschichte zeigt immer wieder das wir dann als nächstes dran sind.

        Ich bin die Überzeugung das wir jetzt erst recht RICHTIG unterstützen müssen.

        • @anton philips:

          Solche Statistiker sollten sie mit Vorsicht verwenden, denn laut Statistik haben ein Milliardär und 1000 Harz 4 Empfänger jeweils eine Million.

           

          Und wenn sie das Ersparte der Arbeiter verwenden wollen, dann fangen wir mit Ihrem Erspartem an.

  • Tote, Verletzte, auseinandergerissene Familien, schlimmste Lebensumstände - und keiner regt sich auf. Das alles ist einkalkuliert, die Menschen in Europa und in den USA sind abgestumpft wie Zombies. Wir leben in Wahrheit in einer der schrecklichsten und barbarischsten Welten in denen nur noch in den inneren Zirkeln der reichen Länder so etwas wie soziale und gesellschaftliche Stabilitäten herrschen. An deren Peripherie herrschen dagegen Mord und Totschlag. Wenn man ehrlich ist, verhalten sich Europäer und US-Amerikaner nicht anders wie die Mehrzahl der Deutschen im Nazi-Regime: Weggucken, Ignorieren, Schweigen, Nichtstun.

    • @Mineralwasser:

      Dann fangen wir jetzt bei Ihnen an.

       

      Wir werden bei Ihnen schon eine ganze Menge finden, was wir für die Flüchtlinge verwenden können.

    • @Mineralwasser:

      @Mineralwassre.....

       

      besser kann man es nicht ausdrücken!!

      • @robby:

        Ja - da bin ich 100% bei Ihnen und Mineralwassser!. Nur, wir müssen alle selber was tun.

        Empfehlung: Suche nach "welcome 2 lesvos" in google. Das ist gut für Infos und für Interaktion mit unkomplizierte Menschen die dort helfen.