Flüchtling lebte monatelang am Flughafen: Malaysia verhaftet gestrandeten Syrer
Im März landete Hassan al-Kontar in Kuala Lumpur und kam nicht mehr weg. Nach mehreren Monaten wurde er nun festgenommen.
„Ich hasse dieses Geräusch“, sagt Hassan al-Kontar und meint den Ankündigungsgong der Lautsprecherdurchsagen auf dem Flughafen von Kuala Lumpur in Malaysia. Dort im Terminal 2 war der Syrer seit dem 7. März dieses Jahres gestrandet. Mit Videos bei YouTube und Tweets aus dem Terminal machte der Geflüchtete seither über Monate auf sich aufmerksam – und drückte dabei auch seine Abscheu über den Tag und Nacht ertönenden Gong aus, als dieser wieder in eine seiner Aufnahmen platzte.
Sein Kampf um Aufmerksamkeit, um den Druck für eine humanitäre Lösung seines Falls zu machen, war bisher vergeblich. Genauer gesagt: Zuletzt mobilisierte er damit vor allem Malaysias Grenzpolizei. Die nahm den 37-Jährigen nun fest, um ihn nach Syrien abzuschieben. „Der Abflugbereich des Flughafens ist für Passagiere bestimmt, die demnächst losfliegen, aber er macht das nicht,“ sagte ein Sprecher zur Begründung. Al-Kontar sei daher illegal dort gewesen.
Der Syrer war nach Kuala Lumpur aus den Vereinigten Arabischen Emiraten kommend eingereist. Dort in den Emiraten hatte er seit 2006 als Versicherungsmakler gearbeitet. Sein Arbeitsvisum galt bis 2011, als in Syrien der Bürgerkrieg ausbrach. Weil er nicht vom Assad-Regime zum Kriegsdienst eingezogen werden wollte, ihm die syrische Botschaft in den Emiraten aber einen neuen Pass verweigerte, tauchte er dort unter.
Im Jahr 2017 bekam er dann einen Kurzzeitpass und ein Touristenvisum für Malaysia. Al-Kontar wollte von dort nach Ecuador weiterreisen, doch durfte er aus noch ungeklärten Gründen den von ihm bereits bezahlten Flug nicht antreten. Später wurde ihm auch in Kambodscha die Einreise verwehrt. Für beide Staaten benötigen Syrer kein Visum. Dennoch wurde er nach Malaysia zurückgeschickt – wo aber inzwischen sein für dort gültiges Visum abgelaufen war. Deshalb durfte er den Transitbereich des Flughafens nicht verlassen.
Sogar zum Mars durfte er nicht ausreisen
Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR und mehrere Menschenrechtsorganisationen setzten sich für ihn ein, konnten aber keine Lösung erreichen. Malaysia hat die UN-Flüchtlingskonvention nicht unterzeichnet. Reisende und Mitarbeiter einer Airline versorgten al-Kontar mit dem Nötigsten. Eine Kanadierin startete sogar eine Kampagne und sammelte Geld, um ihn nach Kanada zu holen, wo Verwandte von al-Kontar leben. Doch auch dorthin konnte er nicht ausreisen. Vergeblich bewarb er sich an seinem einhundertsten Tag auf dem Flughafen auch um einen Platz in der geplanten Mars-Mission der US-Weltraumagentur Nasa.
Die Syrer seien vor allem selbst schuld, dass es ihnen so schlecht gehe, äußerte der 37-Jährige öfter mal. Zurzeit bemüht sich der UNHCR, seinen aktuellen Aufenthaltsort zu ermitteln. Gäbe es nicht schon den Steven-Spielberg Film „The Terminal“ mit Tom Hanks, der einen Iraner spielt, der 18 Jähre auf einem Flughafen in Paris lebte, wäre al-Kontars Geschichte sicher auch gut für Hollywood. Ein Happy End ist aber nicht in Sicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Die Wahrheit
Glückliches Jahr