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Flüchtende in GriechenlandPolizei räumt Camp Idomeni

Mit rücksichtsloser Gewalt ging die Polizei an der mazedonisch-griechischen Grenze vor. In Bussen werden Flüchtlinge nach Athen gebracht.

Flüchtlinge im Grenzort Idomeni, im Hintergrund Toiletten- und Waschhäuser Foto: ap

Am Mittwochmorgen hat die Polizei mit der Räumung des Flüchtlingslagers in Idomeni begonnen. In dem Camp an der mazedonisch-griechischen Grenze hatten sich seit Wochen Tausende Menschen angesammelt, die über die „Balkanroute“ nach Westeuropa gelangen wollten. Sie steckten dort fest, weil Mazedonien Mitte November die Grenze für all jene geschlossen hat, die nicht aus Syrien, Afghanistan oder dem Irak kommen. Jetzt sollen die Menschen mit Bussen nach Athen gebracht werden.

„Die Polizei verhält sich extrem aggressiv“, sagt Eva am Telefon. „Heute Morgen habe ich ein Foto von der Räumung geschossen – daraufhin hat die griechische Polizei mich sofort festgenommen.“ Eva ist eine von wenigen Helfern, die sich noch in dem Flüchtlingscamp befinden. Die Polizei hat das Gelände für die Räumung abgeriegelt.

Als Eva um sieben Uhr morgens aufwachte, war das Camp bereits umstellt. „Die Polizei hat gerufen, die Leute sollten aus den Zelten kommen“, erzählt sie. „Und wenn keine Antwort kam, haben sie gegen die Zelte getreten oder sie mit Messern aufgeschlitzt.“ Journalisten und Hilfsorganisationen werden nicht durchgelassen. Auch Eva musste die Fotos von der Räumung wieder von ihrem Handy löschen – die Polizei hätte sie sonst nicht gehen lassen. „Inzwischen traut sich hier im Camp keiner mehr, Fotos zu schießen.“

Wieder und wieder hatten Flüchtende in den vergangenen Wochen versucht, die Polizeiabsperrungen an der Grenze zu Mazedonien zu durchbrechen, Tumulte gab es regelmäßig. Die Lage in dem Camp war prekär. Es gab keine Duschen und keine sauberen Toiletten. Trotz der Kälte mussten die Menschen in kleinen Zelten auf dem Boden übernachten. Dennoch weigerten sich Tausende Menschen aus Angst vor der Abschiebung, das Camp zu verlassen.

Jetzt werden sie dazu gezwungen. „Wenn Leute hier nicht schnell genug in die Busse steigen, dann fängt die Polizei an, sie zu schubsen“, berichtet Eva empört.

Die Polizei hat gerufen, die Leute sollten aus den Zelten kommen. Und wenn keine Antwort kam, haben sie gegen die Zelte getreten oder sie mit Messern aufgeschlitzt

Eva, Helferin vor Ort

Was mit den Flüchtenden passieren soll, wenn sie in Athen ankommen, ist bislang unklar. Die Nachrichtenagentur Reuters zitiert einen Polizeisprecher mit den Worten, die Menschen sollten von dort aus ihre Heimreise antreten – also abgeschoben werden. Gleichzeitig hatte die Polizei den Menschen im Camp noch am Morgen per Durchsage angekündigt, es werde ihnen die Möglichkeit gegeben, in Griechenland einen Asylantrag zu stellen.

„Die Lage hier ist aktuell ziemlich chaotisch“, sagt Bernd Eichner von der Hilfsorganisation Medico International, der zusammen mit Journalisten und Helfern an der Absperrung drei Kilometer entfernt vom Camp steht. „Ständig kommen hier neue Leute an, die auf dem Weg in das Camp waren – die stehen jetzt mit uns an der Absperrung und wissen nicht, wohin.“

Für Eichert ist klar: „Egal, was die Polizei jetzt mit den Leuten vorhat – ab heute werden wieder die Schlepper in Athen stehen, um sie auf anderen Wegen über die Grenze zu bringen.“

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3 Kommentare

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  • Tja, wo ist A. Merkel und ihr ach so großes Herz?

    • @Turok:

      Ich vermute einfach mal, dass es einen ganz banalen Grund dafür gibt, dass Frau Merkel zu den Vorgängen in Griechenland und in der Türkei beharrlich schweigt:

       

      Die griechischen und türkischen Behörden erledigen genau den Job, den Merkel von ihnen erwartet.

  • Furchtbar. Schweinerei was die Polizei macht.

    Es gibt v.a. deshalb keine UNHCR- und Rotes Kreuz-Strukturen, weil die Regierungen, Verwaltungen der Staaten auf der Balkanroute ihnen das nicht erlauben.

    Die großen NGOs und UN-Org müssen mit den Staaten zusammenarbeiten.