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Florian Schmidt zum Holzmarkt„Leute aufzustacheln befremdet mich“

Friedrichshain-Kreuzbergs Baustadtrat erklärt den langjährigen Konflikt um den Holzmarkt für beendet. Aus der Hochhausplanung ist der Holzmarkt raus.

Holzmarkt: Proteste gegen den Bezirk im Juli 2019 Foto: dpa
Interview von Susanne Messmer

taz: Herr Schmidt, die Macher des Hippies-Dorfes Holzmarkt werfen Ihnen immer wieder vor, dass Sie sich jeder Kommunikation verweigern – zuletzt auch der ehemalige taz-Redakteur und Vorstandmitglied beim Holzmarkt Michael Sontheimer in der taz. Was ist da dran?

Florian Schmidt: Seit vielen Monaten haben die Vorstände der Holzmarktgenossenschaft meine Mobilnummer. Warum dieser „kurze Draht“ bei den jüngsten Beschwernissen nicht genutzt wurde, entzieht sich meiner Kenntnis. Mittlerweile haben erneut persönliche Gespräche stattgefunden, und ein Mitarbeiter aus meinem Büro wurde als ständiger Ansprechpartner benannt. Das läuft gut, auch laut Rückmeldungen vom Holzmarkt.

Warum stellen die Holzmarkt-Leute Sie dann immer wieder als Verhinderer dar?

Auch zuvor habe ich sehr viel mit der Leitung von Holzmarkt und Eckwerk gesprochen – und ebenfalls mit dem sogenannten 90-Tage-Rat, der vom Holzmarkt Ende 2018 eingesetzt wurde. Allerdings habe ich immer klar gemacht, dass ich öffentliche Drohgebärden ablehne und auch eine einseitig benannte Mediation nicht sinnvoll finde, die per öffentlichem Druck mangelhafte Planungen gegen das geltende Baurecht durchsetzen will. Nun versucht man, Politik und Verwaltung die Schuld in die Schuhe zu schieben. Leute geradezu aufzustacheln, befremdet mich. Mir wurde in sozialen Medien sogar indirekt Gewalt angedroht. Jetzt wird weiter demonstriert, Leute machen Lobbyarbeit. Immer wieder wird die Verwaltung so hingestellt, als wolle sie Freiräume dicht machen, quasi aus Spießigkeit. Das ist natürlich Quatsch. An anderen Stellen, wie an der Lohmühleninsel oder beim Yaam führen wir intensive Gespräche und Abstimmungen durch, der Umgang ist vertrauensvoll und ergebnisorientiert. Ein Gebaren wie am Holzmarkt kennen wir von anderen Clubbetreiber*innen nicht.

Als die Schweizer Stiftung Abendrot 2012 das Grundstück an der Jannowitzbrücke kaufte und an die Leute vom Holzmarkt verpachtete, da hatten diese große Pläne …

Hochhaus ohne Holzmarkt

Eckwerk Für das auf dem Holzmarktgelände geplante Hochhausprojekt namens Eckwerk ist eine „gemeinwohlorientierte“ Mischnutzung aus vor allem studentischem Wohnen und einem Gründerzentrum vorgesehen. Das geht aus einer bisher unveröffentlichten Pressemitteilung des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg hervor, die der taz exklusiv vorliegt. Die Mietpreise sollen demnach „durchmischt“ sein. Die Abendrot-Stiftung als Eigentümerin werde das Grundstück an eine Projektgemeinschaft vergeben, zu der auch eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft gehören soll.

Konflikt beendet Weiter heißt es: „Der Holzmarkt ist nicht mehr direkt an der neuen Projektentwicklung beteiligt. Jedoch sollen die Belange des Holzmarktes bei der zukünftigen Entwicklung Berücksichtigung finden.“ Damit ist aus Sicht des Bezirks ein langjähriger Konflikt mit den Holzmarkt-Betreibern beendet. (taz)

Ich fand das Konzept ziemlich gut, wenn dort preiswerter Wohnraum für Student*innen und Kreative entstanden wäre, in Kombination mit Plätzen zum Arbeiten und zum Netzwerken. Auch die Architektur hatte ihren Charme. Als Aktivist hatte ich das Projekt vehement öffentlich unterstützt. Statt den Fokus auf IT-Leute und Start-ups zu legen, fände ich allerdings ein genossenschaftliches Gründer*innenzentrum für NGOs oder à la Weiberwirtschaft für Frauen interessanter, in Kombination mit kommunalem studentischem Wohnen. Das passt zum Bezirk und auch zur Holzmarkt-Genossenschaft.

Inzwischen hat die Stiftung diesen Teil des Grundstücks wieder einkassiert, weil es nicht voran ging mit der Bebauung. Die Leute vom Holzmarkt sagen, dass das Eckwerk vor allem an Ihnen gescheitert ist.

Das Projekt ist daran gescheitert, dass die Bauherren in all den Jahren nicht in der Lage waren, Planungsgrundlagen vorzulegen, die einer Rechtsprüfung nach deutschem Baurecht standgehalten hätten. Dabei ging es um die Sicherstellung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse, insbesondere was das Thema Lärm angeht. Im Rechtsstaat gelten die Rechtsnormen für alle gleich. Wir können nicht an einer Stelle Verhältnisse erlauben, die gesunden Wohn- und Arbeitsverhältnissen widersprechen, weil uns die Bauherren und das Projekt sympathisch sind, und woanders drängen wir auf die Einhaltung genau derselben Vorschriften. Benachteiligte Bauherren würden das übrigens auch sofort für sich einklagen. Leider konnten die Leute von Holzmarkt offenbar keine Kompromisse akzeptieren, und haben Hilfestellungen nicht angenommen. Das Problem war zum Beispiel auch, dass sie partout keine fixen Grundrisse wollten. Genau die braucht es aber, wenn so dichte Hochhäuser geplant werden.

Sie haben nie den Bebauungsplan erteilt, der den Machern des Holzmarktes von Ihrem Vorgänger Hans Panhoff versprochen worden war …

Im Interview: Florian Schmidt

ist seit 2016 grüner Baustadtrat in Friedrichshain-Kreuzberg

… Hans Panhoff ist mittlerweile leider verstorben und kann sich nicht mehr dazu äußern. Von Menschen, die den Prozess damals schon begleitet haben, wird mir aber versichert, dass es auch bei ihm die genau gleichen Probleme bereits gab und auch er deren Lösung immer wieder vehement eingefordert hat. Hans Panhoff hätte das Baurecht nicht ignorieren können und hätte dies auch nicht getan. Auch er hätte mit den vorliegenden Unterlagen keinen Bebauungsplan ins Bezirksparlament eingebracht. Schon deshalb nicht, weil dieser die Rechtsprüfung beim Senat nicht überstanden hätte.

Können Sie trotzdem nachvollziehen, dass sich die Holzmarkt-Leute stiefmütterlich behandelt fühlen?

Nein, das kann ich nicht nachvollziehen. Den Genossen vom Holzmarkt wird entgegen der öffentlichen Wahrnehmung eigentlich immer wohlwollend, mit großer Kompromissbereitschaft und entgegenkommend begegnet. Jedenfalls kann ich das für die Mitarbeiter*innen meiner Ämter sagen.

Im Dezember haben die Holzmarkt-Leute das Land Berlin und den Bezirk auf 19 Millionen Euro Schadenersatz verklagt. Wie finden Sie das?

Enttäuschend. Auch wenn ich nachvollziehen kann, dass man versucht, den Planungsschaden gering zu halten, der dadurch entstanden ist, dass man vielfache Warnungen immer wieder ignoriert hat. Und jetzt, wo es so gekommen ist, will man vom Amt entschädigt werden. Interessant ist, dass die Klageforderung nicht nur behauptete Planungskosten umfasst, sondern in Höhe von rund. 14 Millionen Euro auf einer angenommenen Grundstückswertsteigerung zu Marktpreisen basiert. Andere würden das spekulativ nennen, wenn man sich für einen behaupteten, entgangenen höheren Marktwert entschädigen lassen will.

Was halten Sie vom Projekt Holzmarkt und wie es heute, auch ohne Eckwerk, funktioniert?

Mir gefällt der Holzmarkt sehr gut und ich denke, es ist ein einzigartiges Projekt, das zu Recht ein Alleinstellungsmerkmal für Berlin mit internationaler Strahlkraft ist und weiter bleiben sollte.

Offenbar hat der Holzmarkt im Augenblick Probleme mit den Nachbarn, die sich über Lärm beschweren. Ist das nicht absurd bei einem Projekt, das sich vor Baubeginn zu öffentlicher Wegen durchs Gelände verpflichten musste?

Diese beiden Dinge haben erst mal nichts miteinander zu tun. Die öffentliche Durchwegung strebt das Bezirksamt bei allen Spreeanrainern an. Beim Holzmarkt gibt es die Besonderheit, dass, im Gegensatz zu vielen anderen Investoren, das Bezirksparlament eine Bebauung bis direkt an die Spree mitgetragen hat. Das widerspricht dem erfolgreichen Bürgerentscheid „Spreeufer für alle“, der einen breiten unbebauten Uferstreifen gefordert hat. Der „Preis“ dafür war, dass der Holzmarkt ein uneingeschränktes, öffentliches Wegerecht eingeräumt hat, sozusagen als Kompensation für den geforderten durchgängigen Uferwanderweg. Eine Bespielung ist nicht Teil dieses öffentlichen Wegerechts. Auch im öffentlichen Straßenland gibt es Ruhezeiten.

Es heißt, die Stiftung Abendrot will nun einen neuen Erbpächter fürs Grundstück finden, wo das Eckwerk entstehen soll. Was wäre denn Ihr persönliches Lieblingsszenario für das Grundstück?

Ich finde weiterhin eine Mischung aus bezahlbarem Studentenwohnen und einem innovativen Gründer*innenzentrum attraktiv – gemeinsam mit einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft und genossenschaftlichen Akteuren.

Gäbe es dann nicht erst recht Probleme mit Lärm?

Besonders bei der derzeitigen Clubnutzung im Bahnviadukt, die in direkter Nachbarschaft zum Eckwerkgelände liegt, könnten tatsächlich Probleme entstehen, wenn dort Wohnraum entsteht. Wir werden uns aber bemühen, Lösungen zu finden. Auch werden wir aufpassen, dass das Wohnen über entsprechende Planung von Lärmquellen, wie S-Bahn, Autoverkehr und Clubs, abgeschirmt wird.

Was würde denn passieren, wenn die Stiftung keinen Pächter finden und das Grundstück wieder verkaufen müsste?

Die Abendroth will das Grundstück nicht verkaufen, sondern es weiterhin als Erbpacht an gemeinwohlorientierte Entwickler vergeben. Aktuell führt die Stiftung ein Vergabeverfahren durch. Es soll auch eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft einsteigen. Mehrere Gesellschaften haben Interesse angemeldet und sind mit der Stiftung im Gespräch.

Immer wieder wurde nicht nur von der taz der Konflikt um den Holzmarkt als Konflikt zwischen Kultur und Wohnen beschrieben. Wie würden Sie diesen Konflikt zutreffender beschreiben?

Für mich darf das kein Konflikt sein. Kulturprojekte benötigen Menschen, die nun mal auch irgendwo in vernünftigen Verhältnissen wohnen müssen. Und wenn wir keine Kulturnutzung und soziale Infrastruktur in der Innenstadt mehr haben, haben wir am Ende öde und nicht lebenswerte Wohnwüsten, die von mir immer schon kritisiert und abgelehnt werden. Hier besteht wirklich der Bedarf, eine breite Debatte zu führen.

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