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Fleischlose in DeutschlandDer Geist ist willig, aber's schmeckt halt

Die Zahl der Vegetarier steigt. Es gibt vegetarische Restaurants und vegane Supermärkte. Besonders attraktiv ist Berlin. Der Fleischkonsum bleibt trotzdem hoch.

Das Schwein geht trotzdem weg: Die steigende Zahl derer, die ganz oder zumindest zeitweise auf Fleisch verzichten, bildet sich kaum im Fleischverbrauch ab. Bild: reuters

BERLIN taz | Wenn am Samstag Vegetarier mit der Forderung nach geringerem Fleischkonsum durch die Hauptstadt ziehen, befinden sie sich eigentlich in guter Gesellschaft: Knapp 10 Prozent der Deutschen ernähren sich mittlerweile vegetarisch oder verzichten bewusst öfter auf Fleisch, so das Ergebnis einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach aus dem vergangenen Jahr.

Fiona Eichhorn vom Vegetarierbund Deutschland (Vebu) sieht einen Trend zum vegetarischen Lebensstil: „Das zeigt sich sowohl im Mitgliederzuwachs des Vereins als auch im wachsenden Angebot vegetarischer Restaurants.“ Während der Vebu im Jahr 2009 rund 10 Prozent Neumitglieder verzeichnete, habe sich das Wachstum im Jahr 2010 verdreifacht und im Jahr 2011 vervierfacht.

Derzeit hat der Bund rund 6.000 Mitglieder. Besonders attraktiv für Vegetarier und Veganer scheint dabei Berlin zu sein. Im Januar 2010 eröffnete die Freie Universität die bundesweit erste vegetarische Mensa „Veggie No.1“, im Juli 2011 entstand der erste Supermarkt mit veganem Vollsortiment, Veganz.

Geschäftsführer Jan Bredack zeigt sich zufrieden: „Wir feiern bald unseren ersten Geburtstag, und Ende des Jahres werden wir zwei weitere Filialen eröffnen.“ Nach knapp einem Jahr habe man die schwarze Null geschafft, sagte Bredack, „Die Umsätze haben sich gut entwickelt, im Schnitt haben wir 400 zahlende Kunden am Tag.“

Gesundheitsbewusst und nachhaltig

Die Kundschaft bestehe keineswegs nur aus Veganern oder Vegetariern: 40 Prozent der Kunden seien einfach Menschen, die sich gesundheitsbewusst und nachhaltig ernähren wollen. Das hätten eine Umfrage und die Analyse der Daten von Kundenkarten ergeben.

Noch vor dem Veganz eröffnete im Februar 2011 das Vegilicious in Dortmund, das ebenfalls ausschließlich vegane Produkte anbietet. „Ein Unterschied zum Veganz besteht darin, dass wir kein frisches Obst und Gemüse im Sortiment führen“, sagt Geschäftsführer Ralf Kalkowski. Auch er ist mit der Entwicklung des Umsatzes zufrieden: „Der Supermarkt trägt sich mittlerweile von selbst.“

Doch die steigende Zahl derer, die ganz oder zumindest zeitweise auf Fleisch verzichten, bildet sich kaum im Fleischverbrauch ab. Der ist in den 1990er Jahren zwar von rund 100 Kilo pro Kopf und Jahr auf gut 90 Kilo gesunken, doch seither ist der Konsum weitgehend stabil. 2010 kamen auf jeden Deutschen laut Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums 90,1 Kilogramm Fleisch.

Davon isst er nur etwa zwei Drittel, der Rest wird als Futter verwertet, industriell verarbeitet oder entsorgt. Zuletzt war der Verbrauch im Jahr 2000 ähnlich hoch mit 90,7 Kilo, dazwischen ging er etwas zurück auf unter 87 Kilo. Konsumenten sind laut der Nationalen Verzehrstudie vor allem Männer – sie essen doppelt so viel Fleisch wie Frauen.

Faktor Lebensmittelskandale

Gleichzeitig nimmt die Fleischproduktion zu. Der Selbstversorgungsgrad in Deutschland lag 2010 bei 113 Prozent, somit wurde mehr Fleisch produziert als verzehrt. Im Jahr 2005, in dem der Fleischkonsum mit knapp 88 Kilo etwas niedriger war als heute, lag der Selbstversorgungsgrad bei 99 Prozent, Im Jahr 2000 waren es noch 89 Prozent.

Relevanter als die Zahl der Vegetarier scheint ein anderer Faktor zu sein: Lebensmittelskandale. So fällt der leichte Rückgang des Fleischkonsums nach der Jahrtausendwende zusammen mit der BSE-Krise. Branchenkenner führen auch andere Gründe für die Abnahme des Fleischkonsum auf: höhere Preise im Supermarkt etwa, weil sich der Getreidepreis erhöht hat, oder ein verregneter Sommer, der das Grillen verleidete.

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15 Kommentare

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  • A
    artemidor

    "Knapp 10 Prozent (!) der Deutschen ernähren sich mittlerweile vegetarisch oder verzichten bewusst (!) öfter (!) auf Fleisch, so das Ergebnis einer Umfrage."

     

    Ich lach mich tot: "Na, heute nehm ich mal keine Wurst zum Frühstücksbrötchen" oder neulich am Nachmittag: "Zwei Kugeln Eis. - Na bitte, ich schaffe es manchmal auch ohne Fleisch." Und das bei weniger als 10 Prozent der Bevölkerung! Das kann man ja noch nicht mal marginal nennen!

  • R
    Romana

    @Lassek: Ich verstehe bei aller Liebe zum Umweltschutz nicht, wie man sich wünschen kann, dass es weniger Raubkatzen gäbe. Diese Aussage ist wirklich sowas von daneben, dass mir die Worte fehlen. Ein Raubtier füllt eine wichtige ökologische Nische, greift kranke und schwache Tiere ab und sorgt so dafür, dass nur die Starken überleben und sich fortpflanzen. Außerdem sorgen sie dafür, dass es keine Überpopulationen gibt, etwas, das der Mensch bei all seiner Intelligenz ganz offensichtlich nicht hinkriegt.

     

    Ich bin jedenfalls auf dem Weg, Veganer zu werden und kann mich trotzdem sehr gut mit der Nahrung meiner Katze arrangieren. Sie kann einfach nicht anders, im Gegensatz zu mir. Je eher ein militanter Fleischgegner wie du akzeptiert, dass jede Lebensform ihre eigenen Bedürfnisse hat, umso besser für alle. Tierschutz gilt nämlich für jedes Tier, nicht nur für die armen Teufel in der Massentierhaltung.

    • @Romana:

      Ihre Katze frisst aber nicht die Kranken und Schwachen. Sie frisst die Schlachtabfälle der Massentierhaltung. Ihre Katze würde es ohne menschliche Zucht und Ihren Willen, eine Katze zu halten, gar nicht geben. Sie hätten anders gekonnt. Falls Ihre Katze allerdings Mäuse jagt und so ihre Getreidevorräte vor Nahrungskonkurrenten schützt, habe ich nichts gesagt. Zu diesem Zweck wurde die Wikdkatze domestiziert und zur Hauskatze gezüchtet.

  • BI
    Bertram in Mainz

    Tiere einfach aufessen, ist gedankenlos! Jeder mag seine eigene Methode finden. Nur einmal in der Woche Fleisch? Oder gerade das Sonntagsfleisch streichen? Ich lasse Fleisch ganz weg, bin Vegetarier, aber nicht Veganer.

     

    Es nützt schon viel, wenn man die Menge reduziert. Selbst wenn man nur das Feiertags-Fleisch weglässt, den gedankenlosen Burger zwischendurch, die Wurst auf dem Heimweg, den Extrabraten zum Geburtstag usw. verringert das die Menge. Nicht konsequent? Es muss ja nicht dabei bleiben. Aber es könnte ein Anfang sein.

     

    Die letzten Milligramm vermeiden lohnt sich nicht so recht. Tierisches kann fast überall enthalten sein. Wer weiß schon, ob in Schmierfett, Kerzen oder Schuhcreme ein kleiner Anteil Fett aus Tierkörperverwertung steckt? Es gilt, die Hauptmenge zu vermeiden.

     

    Was macht man mit Hunden und Katzen? Deren Futter besteht auch aus Fleisch. Mein Vorschlag: einfach nur so viel füttern, wie es gesund ist. Die sind nämlich meistens ein bisschen verfressen. Und sie wissen genau, wie sie uns noch ein paar Häppchen mehr abluchsen. Reduziert man die Futtermenge ein bisschen, hilft das doppelt. Das eigene Haustier wird nicht übergewichtig, und es sinkt der Futterverbrauch.

     

    Man kann beim Tierfutter auch auf die Zutaten-Liste achten. Das teure, bei Hund oder Katze besonders beliebte, enthält viel Fleisch. Das setze ich in geringer Menge als "Starter" oben auf dem einfachen Futter ein ;-)

  • L
    lawe

    @Nikolaus: Den Rat sich über die weltweite Nahrungsmittelproduktion zu informieren, sollten Sie mal selbst befolgen. A) Wie viel Prozent der weltweiten Sojaernte gehen in Sojabulleten etc. und wie viel in Futter für die Nutztiere der Industrienationen? In letzteres ungefähr 90 Prozent,der Rest wird Sojaöl für Asien. Dass Soja für die paar Veganer gemessen an der weltweiten Produktion taucht noch nicht mal als Fußnote auf. B) ein Großteil der veganen Nahrungsmittel sind biologisch, das von Ihnen angesprochene Palmöl, landet als superbilliges Produkt in einer kaum noch zu überschauenden Menge in konventionelle Produkte. Machen Sie sich mal die Mühe und lesen Sie beim nächsten Einkauf bei Aldi mal die eine anderen Zutatenliste. Und informieren sie sich mal noch ein bißchen....

  • C
    Carola

    Der Mensch hat nicht das Recht Tiere zu quälen, auszubeuten und zu schlachten - Punkt!

     

    Jeder der sich bemüht seinen Verbrauch an tierischen Produkten zu reduzieren ist auf dem richtigen Weg.

  • L
    Lassek

    @ Nikolaus

    das Veganz kenne ich nicht und das Argument von Sascha lässt tatsächlich drüber nachdenken, ob man Veggie-Produkte bei aller Abneigung nicht doch lieber bei Aldi kaufen sollte...

    Aber das Soja-Kram, was ich bislang so in Supermärkten und Drogerien gesehen habe, war zu schätzungsweise 85% Bio und da sieht die Sache glaube ich schon anders aus. Abgesehen davon, dass für 1kg Fleisch meist wesentlich mehr Soja als Futtermittel bei drauf geht als bei 1kg Bio-Soja-Produkten!

     

    Und zum Haustier-Futter: Klar, ein Hund liebt es auf Knochen zu kauen. Aber auch ich finde einen Döner äußerst lecker. Aber das rechtfertigt in meinen Augen einfach nicht das abschlachten eines Tieres. Ein Hund kann gesund vegetarisch bzw. vegan leben. Bei Katzen ist das tatsächlich kaum möglich. Hier könnte man, um dem Tier noch gerecht zu werden, höchstens reduzieren. Aus genau diesem Grund mag ich auch Katzen und Raubkatzen nicht. Fände es gut, wenn es deutlich weniger davon auf der Welt gäbe - muss ja nicht gleich die Ausrottung aller fleischfressenden Tiere sein...

     

    Ich habe mal ein Video gesehen, wo einem Hund eine echte Wurst und eine Sojawurst vor die Nase gehalten wurde und er hat die Sojawurst genommen. Und das war definitiv kein fake oder antrainiert - die Besitzer waren überzeugte Fleischesser und selbst überrascht!

  • B
    Benny

    Vegetarisch essen genügt nicht:

     

    www . vegetarier-sind-moerder . tk

     

    Hat mir sehr geholfen!

  • E
    eva

    Fakten wären gut. Hier ein paar:

    Allein Deutschland schlachtet jährlich über 2 Milliarden "Nutztiere". Nicht nur die Qual der Massentierhaltung (s. Wiesenhof!) spricht dagegen. Veganismus dient unserer Gesundheit, dem Klima, und der Welternährungssituation.

     

    925 Mio. Menschen hungern! Um 1 kg Fleisch zu erzeugen, werden 16kg Getreide und 15.500 Liter benötigt. In den Entwicklungsländern, wo Futtermittel wachsen, fehlt es daran.

     

    Ein Fleischesser benötigt 20mal soviel Fläche wie ein Vegetarier. 40% des Regenwaldes fallen für Futtermittelerzeugung - unser Fleischkonsum tötet geschützte Tierarten und schädigt das Klima in mehrerer Hinsicht. Fleischkonsum ist einer größten Verursacher des Klimawandels.

     

    Allein in Deutschland verursacht die Schweinehaltung doppekt soviel Abwasser wie die Menschen.

     

    Wer dann noch sagt "egal, mir schmeckt's halt", hat entweder kein Herz, kein Gewissen oder keinen Verstand. Oder nichts von allem.

  • N
    Nikolaus

    Das "Veganz" ist leider wirklich ein schrilles Paradebeispiel für alle, die Veganer für leicht durchgeknallte Öko-Taliban halten. Aus den USA importierte (CO2-Fußabdruck?) Sojabuletten, Sojawürstchen, Sojahack, Sojakäse und sogar eingeschweißte Soja-Form-"Brathähnchen", die einen ganz beachtlichen Teil des Sortiments ausmachen, führen das ganze Öko- und Gesundheits-Ansinnen ad absurdum. Und veganes Hunde- und Katzenfutter grenzt dann wirklich an Tierquälerei.

     

    Dass das ganze Soja GMO-frei sein soll, versuche ich gern zu glauben, allein, die Erfahrung mit diesem schlimmsten Agrarprodukt von allen (und ihren Herstellern), das vor allem in Südamerika als Ausdruck übelster Industrielandwirtschaft mit gewaltiger Landschafts, Natur- und Strukturzerstörung einhergeht, lässt mich zweifeln.

     

    Nicht besser sieht es mit dem nicht mal sonderlich gesunden und schwer bekömmlichen Palmöl aus, das ebenfalls kräftig in veganen und vegetarischen Produkten Verwendung findet. Ein Albtraum für die Natur ind Südostasien und neuerdings sogar Amazonien. Natürlich sollte der Fleischkonsum weltweit dringend reduziert werden. Mehr gesundes Gemüse, ja, mehr Obst, unbedingt, Schluss mit der Quälerei in der industriellen Tierhaltung, na sicher! Doch wer glaubt, mit einer soja- und palmölbasierten Ernährung rette er oder sie außer sich selbst auch noch den Planeten, liegt doppelt falsch und weiß herzlich wenig über die weltweite Nahrungsmittelproduktion.

     

    Und lasst um Himmels Willen wenigstens den Hunden ihre echten Knochen...

  • P
    petronius

    wer braucht einen veganen supermarkt, wo es nichts frisches gibt?

     

    fastfood-veganer, die sich die tiefkühltruhe mit veggieburgern für die mikrowelle füllen?

  • V
    viccy

    Auf Fleisch zu verzichten, ist ja die eine Sache.

     

    Aber wer Eier, Milch, Käse usw. isst, trägt ebenfalls zur Massentierhaltung bei. Oder wie sonst sollen die Regale immer voller Milch, Butter usw. sein?

     

    Ich sehe den rieeeesigen ethischen Unterschied zwischen Vegetarien und Allesessern nicht.

  • S
    Sascha

    Ist es nicht Falsch einen rein Veganen Supermarkt zu eröffnen, der nur im Sonderfall von "Otto-Normal" besucht wird?

     

    Wieso sollte "otto-Normal" Verbraucher in einen Veganen Supermarkt gehen wenn er doch problemlos in einen anderen Großmarkt einkaufen könnte?

     

    Wenn ich im rein Veganen Supermarkt nur noch Einkaufe verschwindet dann nicht das Veggi & Vegane Sortiment aus den Normaneln Supermärkten weil dort kein Absatz merh Stattfindet. Ist aber nicht das Sortiment das, welches von "otto-Normal" verbraucher gekauft wird?

     

    Ist das nicht Kontraproduktiv um weitere Menschen zu erreichen die vll Veggi&vegane Produkte antesten wollen.

  • R
    RPH

    Fresst weniger Fleisch ! Die Stadionbratwurst in der ALTEN FÖRSTEREI ist erlaubt ! GlückAuf nach Berlin ! EISERN ! UNVEU !

  • MW
    markus warneke

    warten wir ab wie es sich entwickelt. die vernunft und ein ganzheitliches denken setzt sich immer weiter fort. das sich die zahlen nicht so schnell reduzieren war zu erwarten. vielleicht könnte man diese statistik in ein, zwei jahren noch einmal durchführen.