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Flaute bei der Halloween-Dekoration?Ruhig mal ein Lachgesicht statt Gruselfratze im Kürbis

Kommentar von Stefan Alberti

Zumindest mancherorts scheint die schauerliche Dekoration zum Tag des Süßigkeiten-Abgreifens diesmal zurückhaltender auszufallen. Das ist auch gut so.

So böse muss ein Halloween-Kürbis doch eigentlich gar nicht gucken – ein Lachgesicht könnte aktuell für bessere Laune sorgen Foto: Laurent Gillieron/Keystone/dpa

E s waren 106. Oder auch ein paar mehr. Die Zählung fing ja erst an, als sich die Kinder vor der Tür schier die Klinke in die Hand gaben. Was heißt: Kinder? Jugendliche standen da genauso wie Erwachsene, die ihre Kleinen nicht allein durch diesen Abend gehen lassen wollten, der doch der gruseligste des ganzen Jahres ist. Alle angelockt von einem leuchtenden Kürbis am Zaun.

An diesem Donnerstag ist wieder Halloween, jene auch schon Tradition gewordene Süßigkeitenjagd, die in Berlin oft hat vergessen lassen, dass am 31. Oktober die evangelische Kirche Reforma­tionstag feiert. Das ist in Brandenburg anders – aber das liegt wohl kaum an mehr Reli­giosität, sondern daran, dass das dort ein gesetzlicher ­Feiertag ist.

Sie könnte also wieder auf der Matte stehen, diese Hundertschaft, und „Süßes oder Saures“ verlangen. Beziehungsweise „Trick or treat“ sagen, weil der Schauplatz des Geschehens ja Zehlendorf in Berlins Südwesten ist. Die Halloween-Manie ist schließlich aus den USA herübergeschwappt, zu denen der Bezirk weiter eine starke Bindung hat.

Noch im September gab es eine feierliche Erinnerung an den Abzug der US-Truppen vor 30 Jahren. Mehrere Straßen erinnern an US-Soldaten. Und an der renommierten John-F.-Kennedy-Schule – an der auch Berlins heutiger SPD-Chef Martin Hikel einige Jahre Lehrer war – stellen US-Amerikaner einen großen Teil der Schülerschaft.

Skelette und Spinnen aus Plastik

Das färbt normalerweise in Halloween-Zeiten stark auf die Nachbarschaft ab. Da hängen in manchen Gärten Plastikskelette von Bäumen. Zäune und Äste sind von Fake-Spinnweben durchzogen. Von den ungezählten und meist mit Gruselgesichtern versehenen Kürbissen ganz zu schweigen.

Doch was ist dieses Jahr? Vielleicht wäre es ja schon eine Straße weiter anders, aber irgendwo hört die Ortsbegehung für diesen Text mal mit dem Fazit auf: Die diesjährige Halloween-Camouflage fällt ziemlich mau aus. Gut, man konnte sich schon immer fragen, wer sich gern ein Skelett in Sichtweite stellt, wenn er oder sie nicht gerade Medizin studiert und sich Os femoris und Clavicula so besser einprägen kann. Oder eine rostige Sense und riesige Plastikspinnen?

Sind es auch hier Krise, Krieg und Abstiegs­angst, die in diesem Jahr keine Stimmung für skurrile Dekorationen aufkommen lassen? Wie als Gegenbewegung ist in diesem Jahr der Reforma­tionstag präsenter in Zehlendorf: Denn der Reformationsempfang der Landeskirche, 2023 noch im Techno-Club „Ritter Butzke“ in Kreuzberg, findet diesmal in der Evangelischen Hochschule statt, nur 300 Meter entfernt von der JFK-Schule.

Angekündigt ist ein Vortrag zur Frage „Wie werde ich glücklich alt?“. Vielleicht ja ohne allzu viel morbiden Kram im Garten und vielleicht auch mal besser mit einem Lachgesicht statt einer Gruselfratze im Kürbis. Dafür aber gern mit leckerer Schokolade. Wobei vergangenes Jahr bei der Hundertschaft klingelnder Kinder – als auch die harte Rationierung von Schoko-Bonbons und Gummibärchen nicht reichte – am Ende selbst noch Nüsse und ein paar Möhren weggingen.

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Redakteur für Berliner Landespolitik
Jahrgang 1967. Seit 2002 mit dreieinhalb Jahren Elternzeitunterbrechung bei der taz Berlin. Schwerpunkte: Abgeordnetenhaus, CDU, Grüne.
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