Flächendeckendes W-LAN in Berlin: Hauptstadt soll Hotspot werden
Die Berliner SPD möchte die Stadt zum größten Internet-Hotspot Deutschlands ausbauen. Das Angebot soll Touristen locken und neue Jobs im Webbereich schaffen.
BERLIN taz In vielen Berliner Cafés gehören sie zum Inventar: Freischaffende Endzwanziger, die über Laptops gebeugt an Projekten basteln und dabei Latte schlürfen. In nicht allzuferner Zukunft können Sie auch anderswo surfen oder mailen: zum Beispiel mitten auf dem Alexanderplatz oder der Friedrichstraße.
Denn die Berliner SPD möchte die Hauptstadt zu Deutschlands größtem Internet-Hotspot ausbauen. In einem Leitantrag für den kommenden Landesparteitag schlägt sie vor, ein stadtweites Funknetz für drahtlosen Internetzugang installieren, ein so genanntes "Wireless Local Area Network". "Das flächendeckende W-LAN ist nicht nur auf den Laptop ausgerichtet, sondern auch auf internetfähige Kleingeräte wie PDAs, Smartphones oder Handys", sagt Parteisprecher Hannes Hönemann.
In der schönen, neuen Drahtlos-Welt könnten Berlin-Besucher sich also per Funknetz über das Theater- oder Kinoprogramm informieren - und die kürzeste Busverbindung gleich mit empfangen. Die SPD bindet die Idee in eine Informationsoffensive ein. Neue Firmen sollen sich in Berlin ansiedeln, neue Jobs entstehen, schließlich müssten Unternehmen ihre Netzangebote neu entwickeln. In dem Antrag, der auf dem Parteitag am 17. November beschlossen werden soll, klingt das so: "Mit einem Berlinweiten W-Lan kann das Land dafür sorgen, die Bedingungen für die Weiterentwicklungen im Kompetenzfeld 'Informations- und Kommunikationstechnologien' zu unterstützen."
Die Hauptstadt surft dabei keineswegs auf der neuesten Welle: In Wartezonen von Flughäfen, in Business-Hotels, Kongresszentren und Cafes sind Hotspots längst selbstverständlich, immer mehr Städte entdecken sie weltweit als werbewirksames Plus: In Heidelberg können Touristen und Bürger seit Ende 2006 auf das Infoportal "Heidelberg mobil" zugreifen, eine Mischung aus Reiseführer und Veranstaltungskalender. Ein dynamischer Stadtplan zeigt an, wo man gerade zwischen Neckar und Königsstuhl steht, ein virtueller Stadtführer gibt Tipps.
200 bis 300 Nutzer am Tag zählt Projektentwickler Matthias Jöst am Tag. "Die Verbreitung W-LAN-fähiger Geräte wie IPhones lässt noch zu wünschen übrig. Das geht jetzt erst richtig los." Heidelberg will die bisher nur ortsbezogenen Dienste im kommenden Jahr so ausbauen, dass ganz normales Surfen im Internet möglich wird. Dann soll das bisherige Gratis-Angebot auch Geld kosten. Touristen können eine Tages-Flatrate kaufen, Studenten bekommen ein günstiges Semesterticket.
Andere deutsche Städte tasten sich vorsichtig in die drahtlose Zukunft. Stuttgart funkte während der Fußball-WM im Sommer 2006 Handynutzern Infos und Fahrpläne aufs Mobiltelefon, Hamburg hat seit 2002 durch die Initiative Hamburg@work dutzende Restaurants, Kaufhäuser und Unternehmen mit Hotspots ausgestattet. Auch Estlands Hauptstadt Tallinn wirbt mit einem Gratis-Funknetz, dutzende amerikanische Städte wie San Francisco oder Philadelphia ebenso.
Um Berlin zum größten Hotspot Deutschlands zu machen, kämen mehrere Technikstandards in Frage: Die flächendeckende Installation von W-LAN Sendern ist vergleichsweise günstig. Ihr Nachteil: Sie strahlen nur zwischen 30 und 100 Metern weit - buchstäblich an jeder dritten Laterne müsste also ein Sender hängen. Neben Mobilfunkstandards wie UMTS ist auch der so genannte Standard WIMAX im Rennen. Er kann laut der Anbieterfirma DBD Deutsche Breitband Dienste GmbH "im ländlichen Raum 30 Kilometer und mehr überbrücken".
Auf die wichtigsten Fragen hat die Berliner SPD noch keine Antwort: Etwa welche Variante die beste ist, wann das Funknetz steht und was es kostet. Doch während die Berliner Grünen schon über die "W-LAN-Blütenträume" der SPD unken, bleibt man in der sozialdemokratischen Landeszentrale entspannt: "Die Politik hat die Aufgabe, mit Ideen Prozesse anstoßen. Wir sind schließlich eine Partei, keine Internetfirma", sagt ein Sprecher.
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