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Firmenchef Krüger über die Krise"Unser Standing ist unter aller Sau"

Der Brandenburger Unternehmer Jochen Krüger hat es geschafft, seine alu-druckguss GmbH über die Krise zu retten. Vorerst jedenfalls. Wie hat er das gemacht?

Ein Arbeiter beim Autozulieferer Allgaier mit Porsche-Kotflügeln. Unternehmer Krüger: "Ich kenne nur Unternehmer, die ihr letztes Hemd für die Firma gegeben haben." Bild: dpa
Beate Willms
Interview von Beate Willms

taz: Herr Krüger, sind Sie ein Krisengewinner?

Jochen Krüger: Warum sollte ich das sein?

Ihre alu-druckguss in Brieselang ist mit einer Landesbürgschaft über das Horrorjahr 2009 gekommen, während 40 Prozent Ihrer Mitbewerber in der Automobilzulieferindustrie pleitegingen. Die Konkurrenz ist also geringer geworden.

Auch wir haben im Jahr 2009 40 Prozent weniger Aufträge gehabt als geplant. Da haben die Banken zwar gesagt: Ach, Herr Krüger, damit liegen Sie noch gut. Aber deshalb sind wir doch noch keine Gewinner. Wir haben es geschafft - aber auch nur mithilfe der Bürgschaft und vorerst. Und das war ein harter Kampf.

Geht es jetzt wieder bergauf?

Im Februar haben wir doppelt so viel verkauft wie im vergangenen Februar, im April waren es immer noch 60 Prozent mehr. Aber wir müssen ja erst diese ganzen Verluste wieder aufholen. Und der Druck wächst schon wieder. Die Preise sind so schlecht, dass Sie sich keinen Fehler erlauben dürfen. Aber bei den Kunden gibt es überhaupt kein Schuldbewusstsein dafür, dass die ständigen Preisreduzierungen dafür mitverantwortlich sind, dass die Unternehmen so wenig zuzusetzen haben.

Der Berliner IHK-Präsident Eric Schweitzer hat kürzlich gesagt, wenn die Brandenburger Unternehmer nicht das ganze Geld aus ihren Firmen ziehen würden, ginge es denen viel besser.

Das ist der größte Mist, den ich je gehört habe. Ich kenne nur Unternehmer, die ihr letztes Hemd für die Firma gegeben haben. Oder die ausgestiegen sind - wenn sie das noch konnten und nicht schon in so vielen Verbindlichkeiten verstrickt waren wie zum Beispiel ich. Die Unternehmen hier sind alle unterkapitalisiert, ja, aber nicht, weil der Unternehmer den Laden plündert, sondern weil hier nichts zu verdienen ist.

In welchen Verbindlichkeiten waren Sie verstrickt?

Wir haben einen langen Restrukturierungsprozess hinter uns, der schon in den Neunzigerjahren angefangen hat. Das Unternehmen war ein typischer, sehr unproduktiver Westberliner Betrieb, der sich mit Fördermitteln über Wasser hielt. Wir mussten es praktisch neu erfinden. Das hat eine Menge Geld gekostet. Da laufen noch einige Kredite, die wir noch bedienen müssen.

Sie kamen aus der eigenen Krise in die allgemeine Krise?

Vielleicht waren wir deshalb besonders aufmerksam. Wir kamen gerade aus dem Loch, hatten eine gute Auftragsprognose, schrieben schwarze Zahlen - und dann kam das erste Wetterleuchten. Da haben wir sofort angefangen, mit Lieferanten, Kunden und Banken zu verhandeln.

Sie sagten aber, es war ein harter Kampf. Hat er Ihnen auch persönlich zugesetzt?

Was wollen Sie hören? Ich kann viel schlechter schlafen, ich habe sämtliche Managerkrankheiten, erst vor ein paar Wochen bin ich meine Gallenblase losgeworden. Ich habe alles auf eine Karte gesetzt und mich für viel Geld verbürgt, das ich nicht habe. Man darf gar nicht darüber nachdenken, sonst ist man den ganzen Tag blockiert.

Ihre Firma ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Wieso müssen Sie da privat bürgen?

Dass es GmbH heißt, ist Unsinn. Sie bekommen heute keinen Kredit mehr für eine Firma, wenn Sie als Geschäftsführer nicht als Bürge auftreten. Ich bürge für ältere Bankenkredite, für die Landesbürgschaft und habe mehrere Lieferantenbürgschaften unterschrieben.

Wie hoch stehen Sie in der Verantwortung?

So hoch, dass ich Privatinsolvenz anmelden müsste, wenn zum Beispiel die Landesbürgschaft gekündigt werden sollte.

Kann es passieren, dass das Land die Bürgschaft kündigt?

Das Land hat sich schon sehr gut abgesichert. Der Finanzminister hat sogar persönlich hier angerufen und das Führungsteam eingeladen, damit er die handelnden Personen kennenlernt. Wir waren dann in Potsdam frühstücken.

Wer hat das Frühstück bezahlt?

Wir. Aber der Minister hat nur einen Kaffee getrunken. Deutlich teurer war dann die Landesbürgschaft insgesamt.

Was hat Sie das gekostet?

15.000 Euro hat die Arbeit von PriceWaterhouseCoopers gekostet, die uns im Auftrag des Landes geprüft haben. Dazu kommen unsere Rechtsanwälte, unsere Berater, die Banken. Insgesamt haben wir für die 1,875 Millionen Kredit knapp 100.000 Euro Gebühren bezahlt. Nicht gerechnet die Zinsen an die Banken und die zusätzlichen 1 Prozent, die das Land Brandenburg jedes Jahr dafür bekommt, dass es das Geld einfach nur bereitstellt. Das ist ein sehr teurer Weg, an Geld zu kommen, wirklich nur der letzte Hebel.

Was mussten Sie für die Bürgschaft tun?

Wir mussten eine - positive - Fortführungsprognose für die nächsten fünf Jahre machen. Wir mussten darlegen, wie Sie mit dem Betrag überleben wollen. Dann mussten wir vor einen Bürgschaftsausschuss, in dem Vertreter der Banken, der Landesregierung, der IHK, des Arbeitsamts und aller möglichen Ausschüsse sitzen und der die Antragsteller komplett durchleuchtet. Das war fast das Schlimmste: wie man so ausgezogen wurde.

Aber dann bekamen Sie das Geld?

Zuerst kamen die Auflagen. Es gab 46 Einzelpunkte. Zum Beispiel musste ich eine Lebensversicherung über 500.000 Euro mit dem Land als Nutznießer abschließen und mir mein Gehalt bis zum Auslaufen der Landesbürgschaft halbieren.

Wenn Sie damit auskommen, müssen Sie früher aber ordentlich verdient haben.

Ich habe bescheiden verdient für das, was ich hier mache. Also: Ich habe keine Villa, kein Haus, kein Schwimmbad, keine Frau, keine Kinder. Ich lebe in einer Dreizimmerwohnung in Schöneberg, 100 Quadratmeter mit wenigen, aber ausgesuchten Möbelstücken. Aber das ist es auch. Ich brauche nicht viel und kaufe dann auch um die Ecke bei Lidl ein.

Gab es auch für die Belegschaft Lohnkürzungen?

Nein.

Zahlen Sie Tarif?

Wir haben eine Betriebsvereinbarung, aber keinen Tarif. Nicht weil ich die Leute schlechter bezahlen will, damit mehr Gewinn übrig bleibt. Es ist umgekehrt: Wenn Gewinn bleibt, kann ich die Leute gut bezahlen. Wenn nicht, geht das nicht. Wobei es eine Schmerzgrenze gibt, ab der man Ausbeutung betreiben würde. Dann müsste man eine Insolvenz hinlegen.

Dennoch haben Sie eine Menge Leute entlassen.

Wir haben rund hundert Leute verloren, alles befristet Beschäftigte. Ich habe das nicht selbst gemacht, aber meine Führungskräfte dabei gecoacht. Das war nicht einfach. Wir haben diese Leute ausgebildet und sie eingearbeitet. In ihnen steckt viel Geld. Die Kurzarbeit hilft nur eine Weile, und irgendwann kann es dann sehr teuer werden und alle gefährden, wenn man die Befristeten nicht rechtzeitig gekündigt hat.

… und wenn man Mitarbeiter mit einem befristeten Vertrag entlässt, braucht man keine Zustimmung des Betriebsrats und keinen Sozialplan.

Aber wenn man eine Befristung hat, muss man doch damit rechnen, dass danach nicht verlängert wird. Ich kenne auch welche, die haben sofort ein Haus gebaut, ein Auto gekauft. Da muss man doch aufpassen!

Hat das die Belegschaft nicht trotzdem gespalten und die Stimmung in den Keller gedrückt?

Es ist eine ganz wichtige Aufgabe für einen Unternehmer, auch in schlechten Zeiten die Stimmung hochzuhalten. Das A und O in einer Krise: Allen das Gefühl zu geben, wir kämpfen - und ich kämpfe mit. Wir haben versucht, die Entlassungen so zu gestalten, dass die Betroffenen nicht sauer auf den Betrieb sind. Das ist auch wichtig für diejenigen, die bleiben. Sie sollen nicht das Gefühl haben, dass sie selbst die nächsten sind. Denn dann wandern auch die guten Leute unter den Festangestellten ab - und Sie verlieren ganz viel Know-how. Denen, die wir am liebsten behalten hätten, haben wir auch gesagt: Wartet nur, es kommen auch wieder bessere Zeiten. Und einige haben wir inzwischen wieder eingestellt.

Wann werden Sie sagen: Die Krise ist gemeistert?

Das wird noch eine Weile dauern. Das Standing von Mittelständlern ist unter aller Sau. Frau Merkel & Co. schielen immer in Richtung Großkonzerne. Offenbar ist es attraktiver, sich mit dem Porsche- oder Opel-Chef abzubilden als mit Jochen Krüger, auch wenn der ein ganz anderes Verhältnis zu seinem Betrieb hat.

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4 Kommentare

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  • BS
    Bernd Samland

    Alles gut und schön, aber trotzdem unerklärlich. Wo kommt das Geld her, wo fließt es hin. Und warum eigentlich. Platzt die eine Firma, geht die nächste in die Vollen. Gallenblase hin und her, schließlich zahlen die kleinen kleinverdienenden kleinen Schaffenden die meisten Steuern.

  • R
    Ruudi

    Toller Artikel.

     

    Kann man vielleicht auch ab und zu ein paar Bilder von Frau Willms ins Netz stellen? Die Frau ist sexy.

    Ich glaube, dass sie die schönste Frau des taz-Kollektivs ist.

  • AD
    Adolat Dilmer

    Und dann sollte Herr Krüger mal ein Seminar für politisch-ökologische Korrektheit besuchen, denn durch seine Einkäufe bei Lidl vernichtet er mehr Arbeitsplätze, als er in seinem Betrieb erhalten hat.

    Mit seinen Lidl-Einkäufen fördert er kriminelles Personalmanagement, das Filmen von Kunden bei EC-Karteneinkäufen, Lohndumping around the world, das Auspressen von Lieferanten, Vergiftungskatastrophen durch Pestizidduschen usw. Wie kann man als Unternehmer nur so verantwortungslos sein, warum kauft der Krüger seine Lebensmittel nicht wenigstens ökologisch und klimatechnisch korrekt im Bioladen um die Ecke, kost' doch auch nich mehr ?!!! Der isst sich doch nich arm dadurch, der hat schon soo viele Schulden, da fällt der Euro mehr doch überhaupt nicht ins Gewicht. Ihm fehlt die Frau, die ihm was Gescheites flüstert, das isses !

  • FN
    Felix Nagel

    "Frau Merkel & Co. schielen immer in Richtung Großkonzerne. Offenbar ist es attraktiver, sich mit dem Porsche- oder Opel-Chef abzubilden als mit Jochen Krüger, auch wenn der ein ganz anderes Verhältnis zu seinem Betrieb hat."

     

    So, das sollte jetzt mal jemand den ganzen CDU und FDPlern erzählen. Schließlich erwirtschaften in Dland die Klein und Mittelständischen die Steuer und schaffen das Gros der Arbeitsplätze.