Finnlands Wirtschaftsminister gefeuert: Zehn Tage zu viel
Wenn Finnlands Regierungschef Petteri Orpo sich um den Ruf des Landes sorgt, sollte er die Koalition mit den Wahren Finnen sofort beenden.
I n Zukunft bei jedem EU-Gipfel womöglich Fragen nach dem „Nazi-Minister“ an seinem Kabinettstisch beantworten zu müssen: Diese Peinlichkeit wollte sich der neue finnische Ministerpräsident anscheinend doch lieber ersparen. Die Gefahr für das „Ansehen Finnlands im Ausland“ stellte Petteri Orpo am Freitag jedenfalls ausdrücklich ins Zentrum seiner Begründung, warum der Abgang von Wirtschaftsminister Junnila „die einzig mögliche Konsequenz“ gewesen sei.
Was natürlich die Frage aufwirft, warum für Orpo ein solcher Wahre Finnen-Politiker erst dann als Minister unhaltbar wird, wenn Details über schon lange bekannte enge Verbindungen zur Neonazi-Szene und über den regelmässigen Gebrauch von Nazi-Codes und -Symbolen im Wahlkampf und in sozialen Medien nicht mehr nur in Internetforen, sondern auch in einer breiten Öffentlichkeit diskutiert werden? Und warum erst dann, wenn die „Gefahr“ internationaler Aufmerksamkeit besteht?
Nicht nur die zehn Tage, in denen Junnila Minister war, waren zu viel. Und der Skandal beginnt nicht erst damit, ihn überhaupt ins Kabinett geholt zu haben. Ihre Doppelmoral, sich erst auf eine Regierungszusammenarbeit mit den Wahren Finnen einzulassen und sich dann flugs von dieser Partei oder einzelnen ihrer PolitikerInnen zu distanzieren, sobald die Decke über dem braunen Sumpf ein wenig gelüftet wird, müssen sich alle Parteien und PolitikerInnen vorwerfen lassen, die daran mitgearbeitet haben, dass eine solche Koalition überhaupt zustande kommen konnte.
Einem Minister das Vertrauen auszusprechen und 48 Stunden später seinen Abgang als „einzig mögliche Konsequenz“ hinzustellen zeigt kein moralisches Rückgrat. Sondern allenfalls, für wie dumm manche PolitikerInnen ihre WählerInnen offenbar halten.
Glücklicherweise wird es nun schwer werden, die von den Wahren Finnen als „Verfolgungsjagd“ beklagten Enthüllungen über anderer ihrer PolitikerInnen noch zu deckeln. Und wenn Orpo wirklich um Finnlands Ruf im Ausland besorgt sein sollte, dann sollte er die nächsten Skandale gar nicht erst abwarten, sondern die Initiative ergreifen und diese Koalition schnellstmöglichst beenden. Er gewinnt nichts, wenn er den Wahren Finnen diesen Schritt überlässt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Krieg in der Ukraine
Russland droht mit „schärfsten Reaktionen“
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken