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Finanzsenator Nußbaum prognostiziert"Die Preise in Berlin werden steigen"

Die Ausgaben des Landes will Finanzsenator Ulrich Nußbaum begrenzen. Die Berliner aber sollen sich darauf einstellen, dass das Leben in der Hauptstadt teurer wird.

Der Kostendeckler: Berlins Finanzsenator Ulrich Nußbaum Bild: dpa

taz: Herr Nußbaum, Sie sind jetzt zwei Jahre im Amt. Macht es Ihnen noch Spaß?

Ulrich Nußbaum: Ja.

Am Dienstag haben Sie Haushalt und Finanzplanung vorgestellt - wobei, eigentlich saßen Sie nur daneben und haben genickt, während der Regierende Bürgermeister, Ihr Chef, eine halbe Stunde lang referiert hat.

Ist doch gut, wenn der Chef sich hinter das stellt, was man vorbereitet hat. Der Regierende ist sozusagen Vorstandsvorsitzender des Landes Berlin, ich bin Finanzvorstand. Ich empfinde es als eine Auszeichnung, wenn er sich damit identifiziert. Damit hat er ja auch gesagt: Es ist auch sein Haushalt, das heißt: Wenn Klaus Wowereit die Wahl gewinnen wird, und davon gehe ich aus, werden wir gemeinsam diesen Haushalt umsetzen.

Ulrich Nußbaum

Der 54-Jährige ist seit 2009 Finanzsenator in Berlin. Von 2003 bis 2007 hatte er den gleichen Posten in Bremen. Damals verzichtete er auf eine zweite Amtszeit, weil er nicht in die SPD eintreten wollte. In Berlin stünde er nochmals zur Verfügung - wenn er gefragt würde. Nußbaum ist zudem Gesellschafter eine großen Firma für Importe von Tiefkühlfisch.

Eigentlich müsste Haushaltspolitik ein ganz großes Wahlkampfthema sein. Allein die Mittel aus dem Solidarzuschlag sinken jährlich um 150 Millionen Euro. Aber bisher konnte keine Partei einen überzeugenden Vorschlag machen, wo man das einsparen soll. Nun kommen Sie und sagen, ab 2016 machen wir keine Schulden mehr. Wo ist der Trick?

Es gibt keinen Trick. Wir machen in Berlin solide Finanzpolitik: eine Konsolidierungspolitik, die mit einer klaren Ausgabendisziplin erreicht wird. Bundesweit sind die Steuereinnahmen von Ländern und Gemeinden in den vergangenen Jahren um durchschnittlich 2,3 Prozent gestiegen, unabhängig davon, wer jeweils regiert hat. Wenn Sie die Ausgaben nicht gleichermaßen anwachsen lassen, sondern unter diesem Prozentsatz bleiben, bauen Sie die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben über die Jahre ab. Deswegen ist es wichtig, diese Politik nicht ein oder zwei Jahre, sondern über einen längeren Zeitraum durchzuhalten. Nun sagen Sie, wo ist denn da das Sparen! Aber halten Sie erst einmal so eine Ausgabendisziplin ein. Politik besteht ja oft aus dem Gegenteil.

Laut Ihrer Finanzplanung sollen die Steuereinnahmen Berlins bis 2015 um insgesamt 25 Prozent steigen. Das ist deutlich mehr als die 2,3 Prozent pro Jahr.

Wie gesagt, im Mittel sind es 2,3 Prozent. Es gibt gute und schlechtere Jahre. Das ändert aber nichts an unserer Ausgabendisziplin.

Woher nehmen Sie den Optimismus, dass Berlin vier gute Jahre bevorstehen?

Nun, für 2010 und 2011 hatten wir insgesamt 5,6 Milliarden Euro Neuverschuldung geplant. Es werden nur knapp 2,9 Milliarden. Das ist immer noch zu viel, aber wesentlich besser als gedacht. Das kommt von der beschriebenen Ausgabendisziplin und den Mehreinnahmen durch den konjunkturellen Aufschwung. Damit macht man sich allerdings nicht immer beliebt.

Aber was ist, wenn der Euro kracht, sich also die Rahmenbedingungen massiv ändern?

Dann haben wir ein ganz anderes Problem. Dann geht es um ganz Deutschland und Europa. Ich will mir das gar nicht vorstellen.

Die Politik der Ausgabendisziplin ist ja auch eine Gratwanderung: Wie viel Gestaltungsspielraum haben Sie noch?

Wir geben 22 Milliarden Euro aus. Damit kann man gestalten, und das tun wir auch: Wir sehen die Schwerpunkte bei den Bildungsausgaben und den Ausgaben der Bezirke. Beide Posten sollen überdurchschnittlich steigen und machen gut die Hälfte des gesamten Haushalts aus. Aber an anderer Stelle verschenken wir meiner Meinung nach auch Spielräume dadurch, dass wir Geld ins System geben, von dem wir nicht wissen, ob es bei den richtigen Stellen ankommt.

Wo denn genau?

Nehmen Sie die freien Träger im sozialen Bereich oder beim öffentlichen Beschäftigungssektor. Wir zahlen da seit Jahren für Strukturen, von denen ich sicher bin, dass sie nicht effizient sind. Man kann ja sagen, man will öffentliche Beschäftigungsverhältnisse für Menschen, die keine Chance mehr auf dem ersten Arbeitsmarkt haben. Aber ich verstehe nicht, dass wir für die Umsetzung dieser Aufgabe dann Dritte einschalten, die einige Prozente vom Umsatz einbehalten, ohne dass wir in ihre Bücher gucken und die Kostenstrukturen nachvollziehen können. Da steckt eine eigene Wirtschaftsstruktur dahinter. Und hinter dem Nutzen für das Land und die Bürgerinnen und Bürger mache ich drei Fragezeichen.

Warum macht die Verwaltung das dann nicht selbst?

Weil an einigen Stellen die Strukturen dafür fehlen.

Weil alles weggespart ist?

Weil man nicht Experte für alle Fragen sein kann. Ich bin nicht unbedingt dagegen, einen externen Dienstleister einzusetzen, aber er muss in jedem Fall wirtschaftlich sein. Ich bin fest davon überzeugt: Spätestens wenn das Geld knapp wird, fangen die Leute an, über bessere Strukturen nachzudenken.

Diesen Druck müsste die Sozialsenatorin Carola Bluhm (Linke) auf die Träger ausüben?

Genau. Und ich erzeuge als Finanzsenator Druck, indem ich die Budgets verknappe. Damit müssen Sie effizienter werden und mehr Transparenz reinbringen. Wir wissen heute bei vielen Ausgaben im Sozial- und Bildungsbereich nicht, was dahintersteckt: Haben Kitas zum Beispiel wirklich so viele Kindergärtnerinnen, wie wir bezahlen?

Kritiker argumentieren, mehr Freiheit bei der Mittelnutzung eröffnet Spielräume.

Ich möchte das haben, für das ich bezahle. Mir geht es darum: Kommt das Geld für die Zwecke da an, wo ich es auch haben will - zum Beispiel bei den Bedürftigen? Ich will ja nicht den Chef der Treberhilfe wohlhabend machen oder die Sozialwirtschaft fördern.

Neuerdings wird wieder viel über die Firmenansiedlung geredet. Wie sehen Sie die Bemühungen in der Industriepolitik - wie effizient sind die?

Wir haben in Berlin sehr viele gut ausgebildete Menschen. Das ist ein großer Standortvorteil, denn Arbeitskraft, Know-how und Kreativität sind ein knappes Gut. Wir haben in Berlin auch viele Gewerbeflächen, die wir entwickeln können. Wir wissen, was wir wollen und wofür wir stehen. Aber das wird von den Unternehmen in Deutschland, Europa und der Welt noch nicht so deutlich wahrgenommen, dass sie sich für Berlin entscheiden. Dafür muss man Klinken putzen - das machen wir noch zu wenig.

Weil der Wirtschaftssenator in der falschen Partei ist?

Das ist keine parteipolitische Frage. Ich habe selten mit jemand so gut zusammengearbeitet wie mit Herrn Wolf! Trotzdem bin ich der Meinung, dass Berlin wirtschaftspolitisch mehr aus sich machen muss.

Wie denn?

Klinkenputzen ist das eine. Eine einheitliche Anlaufstelle ist das andere. Dazu müssten wir zum Beispiel Berlin Partner zu einer Service-Agentur ausbauen, wo alle Fragen rund um die Unternehmensansiedlung geklärt und betreut werden.

Aber über lokale Ansiedlungen entscheiden die Bezirke.

Eine erfolgreiche Ansiedlungspolitik muss von oben erfolgen, das kann nicht davon abhängen, ob ein Bezirk Gewerbe möchte oder nicht, das muss berlinweit entschieden werden. Die Bezirke müssen einbezogen werden, aber es kann nicht vom Zufall abhängen, ob sich der jeweilige Bezirksbürgermeister für die Ansiedlung und Förderung von Unternehmen starkmacht oder nicht.

Ein Schlagwort im Wahlkampf ist die Gentrifizierung. Viele fordern einen neuen sozialen Wohnungsbau. Ist das finanzierbar?

Sie müssen sich dazu die Kostenzusammensetzung angucken: Angenommen, das Land gibt Ihnen kostenlos ein Grundstück - Sie bauen, und dann stellen wir fest, dass Sie aufgrund der hohen Baukosten von ihren Mietern trotzdem zehn Euro oder mehr pro Quadratmeter verlangen müssen. An den Leuten, die günstigen Wohnraum brauchen, geht so eine Politik vorbei.

Es gibt kommunale Wohnungsbaugesellschaften …

… die in Berlin bereits über 270.000 Wohnungen halten. Aber das ist nicht zwangsläufig auch sozial! Dazu müssten wir steuern, wer in diesen Wohnungen wohnt. Sozial wäre es, vorrangig die Mieter zu nehmen, die sich die üblichen Marktpreise nicht leisten können. Wenn Sie Sich aber mal umhören, wohnen viele Menschen in diesen Wohnungen, die durchaus höhere Mieten zahlen könnten. Aber für dieses Problem wird es keine schnelle und einfache Lösung geben.

Und die komplizierte Lösung?

Ich glaube, die Berlinerinnen und Berliner werden sich daran gewöhnen müssen, dass die Preise mit den Jahren langsam steigen. Nicht nur bei den Wohnungen, auch beim Nahverkehr und bei den allgemeinen Lebenshaltungskosten. Man kann nicht in einer attraktiven Metropole wohnen wollen, die viele Menschen anzieht, ohne dass die Lebenshaltungskosten steigen. Das wird in Berlin langsamer gehen als in anderen Großstädten, auch weil wir diesen hohen öffentlichen Wohnungsbestand haben. Aber man wird diese Entwicklung nicht aufhalten können. Hier muss man den Menschen die Wahrheit sagen.

Gehört dazu, dass die Politik gar nichts machen kann gegen steigende Mieten?

Ich halte die Wohnungsgesellschaften für ein wichtiges Instrument. Deswegen lassen wir die Gewinne in den Gesellschaften. Sie sollen diese nutzen, um Wohnungen zuzukaufen und zu modernisieren. Wir haben die Zielmarke von 300.000 landeseigenen Wohnungen. Darüber hinaus haben wir die Mietsteigerungen für Neuvermietungen gedeckelt - dadurch sparen die Mieter der Berliner Wohnungsbaugesellschaften bis 2014 gut 14,5 Millionen Euro. Wichtig ist aber auch, dass die Menschen in Berlin auch gutbezahlte Arbeitsplätze finden, damit sie durch die Preisentwicklung nicht ausgegrenzt werden.

Woher sollen die Arbeitsplätze kommen?

Die Berliner sind oft so ungeduldig! Berlin ist erst 20 Jahre wiedervereint. Dafür hat sich schon unglaublich viel getan. Berlin wird langsam auch in den Köpfen der Leute zu einer Hauptstadt. Es gibt jetzt einen Großflughafen. Wir ziehen mit unseren guten Universitäten viele junge Leute an. Und wir haben eine zentrale Lage mitten in Europa, die viele Geschäfte ermöglicht.

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12 Kommentare

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  • GL
    Günther Lorenz

    Es scheint ohnehin wieder Sommerzeit zu sein. Nun werden uns wieder saure Gurken serviert - nach dem Motto "Sparen wir bei den Kleinen, damit die Großen gedeihen können". Die Rechnung geht aber nicht auf, Herr Nußbaum! Wenn Sie bei der Sozialwirtschaft weiter kürzen, werden Ihre Nachfolger für die sozialen Folgekosten Geld eintreiben müssen. Ich finde es immer wieder interessant, wie Einzelfälle wie die Treberhilfe einen ganzen Sektor denunzieren kann, während horrende Fehl-Investitionen in dubiose Firmen des privaten Sektors der traditionellen Wirtschaftspolitik immer noch nicht zum Umdenken verholfen haben.

  • A
    aurorua

    Wohngeldbezieher leben einkommenstechnisch an der Grenze von Sozialhilfe/Grundsicherung/ALG II aus diesem Grunde hat die Sozialsenatorin Carola Bluhm auch für diesen Personenkreis die Mittel für die Inanspruchnahme des Berlinpasses beantragt. Dieser parteilose und unsoziale Erbsenzähler von Nußbaum hat die nun wirklich bescheidenen Mittel rigoros gestrichen. Aber selbst zusätzlich noch in fünf Aufsichtsräten sitzen und abgreifen was nur irgend geht.

    Aufsichtsratsvorsitzender der Berliner Immobilien Holding GmbH (BIH), Aufsichtsratsvorsitzender der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), Mitglied des Aufsichtsrates der Berlinwasser Holding AG, Mitglied des Verwaltungsrates der Investitionsbank Berlin, Mitglied des Aufsichtsrates der Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH

  • E
    EnzoAduro

    @Elisabeth Voß

    Ihre Empörung klingt wie die Empörung einer ertappten.

    Die Drohung das der Druck "Weiter an die Beschäftigten" gereicht werde und "dann bei Klienten" ankommt aber zu keinerlei Effizienzsteigerungen führt und auch der Vorstand sich weiter über Gebühr Geld scheffeln wird ist absurd.

     

    Das Gegenteil stimmt: Wenn wir den Haushalt nicht schleunigst konsolidieren dann wird es gar kein Geld mehr für Soziales geben.

  • B
    Bürger

    Vielen Dank für dieses erhellende Interview mit Herrn Finanzsenator Nußbaum.

     

    Er hat deutlich gemacht, dass er und die SPD keine soziale Politik zum Nutzen aller, also auch für Arme und Arbeitslose, machen wollen.

     

    Herr Nußbaum und Herr Wowereit haben offensichtlich überhaupt keine Konzepte für die Schaffung von dringend benötigten bezahlbaren Wohnraum in der Stadt. Und für die Schaffung von Arbeitsplätzen interessieren sie sich auch nicht, obwohl in Berlin die offizielle Arbeitslosenzahl bei 14 % liegt. Bei der SPD = Sozialabbau Partei Deutschlands (siehe die einführung von Hartz IV und Agenda 2010 durch Rot-Grün) ist das allerdings nicht weiter erstaunlich.

     

    Also heißt es im September bei der Abgeordnetenhauswahl: SPD ABWÄHLEN !

     

    Die hohen Steuergelder sind zu wertvoll, um sie weiterhin so unfähigen PolitikerInnen in den Rachen zu werfen !

     

    Einfach zu sagen in Berlin zu leben wird quasi schicksalshaft teurer und wir machen politisch absolut nichts, um auch für die zunehmenden Armen das Leben in der Stadt besser zu machen, ist eine arrogante Provokation der Bürgerinnen und Bürger.

     

    Da heißt es für den offenbar neoliberalen Finanzsenator: Bleib lieber bei Deinem Tiefkühlunternehmen, anstatt - gemeinsam mit Herrn Wowereit- die Stadt noch weiter herunter zu wirtschaften.

     

    Herr Nußbaum und Herr Wowereit haben seltsamerweise für Soziales angeblich kein Geld, verschwenden aber andererseits jede Menge Geld für unsinnige Prestigeprojekte zum Nutzen der Bauindustrie. Für die Sanierung der Staatsoper (220 Mio. Euro), den Neubau einer Bibliothek, einer Kunsthalle, für die extrem teure, geplante Verlängerung der A 100 (Anteil des Landes: 400 Mio.), für den Neubau des überflüssigen Stadtschlosses (Anteil des Landes mind. 80 Mio. Euro) sowie für die idiotische 10 Mio. Euro teure Werbekampagne "be berlin".

     

    Mit sozialdemokratischer Politik hat das alles nichts zu tun.

  • E
    EnzoAduro

    Herr Nußbaum hat einfach recht: Selbst wenn das Grundstück nichts kostet kommt man am Ende wegen den Baukosten bei so 10 Euro raus.

    Ein Grundstück sind ja nur 20, 30% der Baukosten, das wird häufig überschätzt.

    Berlin hatte einfach früher so niedriege Mieten weil der Bestand hoch war, weil man mit externen Geld Wohnungen gebaut hat. Hätte man das Geld über Steuern erhoben, dann hätten sich alle über diese Steuern aufgeregt. Aber das Geld kam eben aus Westdeutschland wegen der Frontstadt.

     

    Die Berliner müssen sich eben einfach an 10 Euro gewöhnen. Da ist der Zementpreis einfach dran schuld. Man muss aber viel tun damit es eben nicht 20 werden. Und dafür darf man nicht andauernd den Neubau wegdemonstrieren. Genau das tun aber viele linke.

     

    Das ist quasi Selbstmord aus Angst vor dem Tot.

  • EV
    Elisabeth Voß

    Sehr geehrter Herr Nußbaum,

     

    Sie kritisieren, "die freien Träger im sozialen Bereich oder beim öffentlichen Beschäftigungssektor" seien "nicht effizient". Sie sagen, Sie seien "nicht unbedingt dagegen, einen externen Dienstleister einzusetzen, aber er muss in jedem Fall wirtschaftlich sein." Ihr Rezept: "ich erzeuge als Finanzsenator Druck, indem ich die Budgets verknappe. Damit müssen sie effizienter werden und mehr Transparenz reinbringen." Sie sagen auch klar, was sie wollen und was nicht: "Ich möchte das haben, für das ich bezahle. Mir geht es darum: Kommt das Geld für die Zwecke da an, wo ich es auch haben will – zum Beispiel bei den Bedürftigen? Ich will ja nicht den Chef der Treberhilfe wohlhabend machen oder die Sozialwirtschaft fördern."

     

    Ihre Aussagen werfen für mich viele Fragen auf. Ich habe jahrelang in verantwortlichen Positionen bei verschiedenen Beschäftigungsträgern gearbeitet, bis ich das nicht mehr mit meinen Grundüberzeugungen vereinbaren konnte und mir andere Betätigungsfelder gesucht habe. Vor diesem Hintergrund kann ich jedoch weder Ihre Kritik, noch Ihr Anliegen, und schon gar nicht Ihr Sparprogramm nachvollziehen.

     

    Was meinen Sie mit Ihrer Forderung, freie Träger sollten "effizient" und "wirtschaftlich" sein? Welche konkreten Ergebnisse erwarten Sie und wie wollen Sie diese messen? Was verbessert sich aus Ihrer Sicht, wenn Sie Mittel kürzen, und warum sollte deshalb die Transparenz besser werden? Ich habe von Ihnen keinerlei inhaltliche Argumente gelesen, kein Wort dazu, was Sie konkret für die betroffenen KlientInnen erreichen möchten. Was meinen Sie mit der Aussage, das Geld solle "bei den Bedürftigen" ankommen?

     

    Auch ich sehe die Trägerlandschaft kritisch. Organisationen entwickeln ihre eigene Logik und neigen dazu, sich selbst in den Mittelpunkt ihrer Tätigkeiten zu stellen und diejenigen, um die es eigentlich gehen sollte, zunehmend als Mittel zum Zweck zu benutzen. Aber das wird sich durch Mittelkürzungen nicht ändern, eher im Gegenteil. Die Leidtragenden werden die Beschäftigten sein, die an der Basis oft mit viel Engagement mit den KlientInnen arbeiten. Wenn deren Gehälter gekürzt und Arbeitsanforderungen erhöht werden, geht dies zu Lasten der Klientinnen, es kommt also immer weniger Leistung "bei den Bedürftigen" an.

     

    Grundsätzlich finde ich es problematisch, wenn jemand in Ihrer Position solch schwerwiegende, aber allgemein gehaltene Vorwürfe erhebt, ohne zu differenzieren. Wie gut kennen Sie die Branche, gegen die Sie Stimmung machen, ohne zu verdeutlichen, dass es auch dort – wie überall – sehr große Unterschiede gibt? Damit diffamieren Sie all die Einrichtungen, die im Interesse ihrer KlientInnen eine kompetente und engagierte Arbeit leisten.

     

    Ihre Aussage, dass Sie die Sozialwirtschaft nicht fördern möchten, steht für mich in deutlichem Widerspruch dazu, dass das Land Berlin Mitglied ist bei REVES, dem Europäischen Netzwerk der Städte und Regionen für Soziale Ökonomie. Wirtschaftssenator Harald Wolf betonte auf der Europäischen Konferenz "Sozialökonomie – ein Wirtschaftsfaktor" am 6. Mai 2010 im Berliner Rathaus, dass sich die Wirtschaftspolitik noch wesentlich intensiver mit der Sozialökonomie beschäftigen und die Bedeutung des Sektors auch der Öffentlichkeit stärker bewusst machen müsse. Hat seitdem ein Politikwechsel stattgefunden?

     

    Zu Ihrer Information weise ich noch darauf hin, dass die Sozialwirtschaft weit mehr Wirtschaftsbereiche umfasst als nur soziale Träger und Beschäftigungsgesellschaften. Der Verband Social Economy Europe zählt dazu alle Vereine, Genossenschaften und Stiftungen, sowie weitere Unternehmen, die entsprechend der Charta des Verbandes wirtschaften. Diese zielt auf die Vorrangstellung des Individuums vor dem Kapital, auf soziale Verantwortung, Freiwilligkeit und demokratische Kontrolle, sowie gemeinnützige Gewinnverwendung.

     

    Im Bereich der sozialen Träger und Beschäftigungsgesellschaften werden diese Anforderungen in der Tat häufig nicht erfüllt. Freiwilligkeit ist kaum möglich, wo Menschen von Arbeitsagenturen oder Jobcentern disziplinierend in Maßnahmen zwangszugewiesen werden, statt diese Betätigungsmöglichkeiten öffentlich anzubieten und die begehrten Plätze auf freiwilliger Basis zu vergeben. Und so lange die demokratische Kontrolle im kleinen Kreis eines Vereins oder gar einer gemeinnützigen GmbH (häufig nur mit einem einzigen Gesellschafter) verbleibt, ohne die Beschäftigten und Klientinnen einzubeziehen, kann von Transparenz und Demokratie nur sehr begrenzt die Rede sein.

     

    Solche strukturellen Probleme beheben Sie aber nicht mit finanziellen Restriktionen. Statt dessen müssten diese Einrichtungen demokratisiert oder neue, selbstverwaltungsfähig gestaltete Organisationen geschaffen werden, in denen die direkt Betroffenen – die KlientInnen oder ggf. ihre Angehörigen – demokratische Mitentscheidungsrechte und faktische Mitgestaltungsmöglichkeiten haben. Erst wenn nicht die einen den anderen paternalistisch Gutes tun, sondern die Betroffenen selbst entscheiden, was sie benötigen, und von wem und auf welche Art sie dies bekommen möchten, ist sicher gestellt, dass die Hilfe aus öffentlichen Mitteln dort ankommt, wo sie hin soll.

     

    Ein Beispiel dafür ist das persönliche Budget, das von Menschen mit Behinderungen selbstbestimmt für genau die Assistenz eingesetzt wird, die sie haben möchten. Nach solchem Muster ließen sich viele soziale Aufgaben neu strukturieren. Allerdings leiden auch beim persönlichen Budget sowohl die Assistenznehmenden als auch die Assistenzgebenden unter finanziellen Sparmaßnahmen. Qualitativ hochwertige soziale Leistungen sind eben nicht zum Billigtarif zu haben.

     

    Mit freundlichen Grüßen

     

    Elisabeth Voß, Dipl. Betriebswirtin (FH) und Publizistin

    NETZ für Selbstverwaltung und Kooperation Berlin-Brandenburg e.V.

  • MM
    Markus M

    @Sozialdemokratur: Hoert sich fuer mich so an, als waeren Sie in den 20iger Jahren stecken geblieben. Die von Ihnen hier zitierten Parolen der damals Linksradikalen haben sich immer wieder mal gut angehoert - allerdings nur fuer eher einfache Gemueter.

     

    Das heisst nicht, dass ich Nussbaum toll finde. Dafuer, dass seine Lage soviel bequemer ist als die von Sarrazin (denn die 25% Einnahmenzuwachs fallen ihm einfach in den Schoss) hat er zu wenig bewegt.

     

    Immerhin traut er sich zu sagen, dass der Berliner Streichelzoo sich an einigen Punkten kostenmaessig dem annaehern wird, was fuer vergleichbare Staedte im Rest Europas laengst Alltag ist. Plaerren werden die verwoehnten Berliner natuerlich trotzdem.

  • JK
    Juergen K.

    Wäre es nicht schön,

     

    wenn nur für die 10 Prozent, die Alles besitzen,

     

    es etwas teurer würde.

     

    Denn sie brauchen doch Nichts,

    weil sie schon Alles haben.

  • A
    aurorua

    Spätestens seit Schröder ist auch für mich die SPD erledigt, zumal die AGENDA 2010 Verbrecher (Steinmeier, Steinbrück etc.) immer noch das Sagen haben.

    Die Lumpen haben ja nicht nur die Arbeitnehmer/innen und Angestellten verraten. Die haben den 98% unfreiwilligen Erwerbslosen mit Hartz IV, Zeitarbeit und Duldung von Dumpinglöhnen auch den Wiedereinstieg in den ersten Arbeitsmarkt zu soliden Konditionen versaut. Die haben mit ihrer Rentenreform krankheitsbedingt, arbeitsunfähige Frührentner und Altersrentner in Armut und Abhängigkeit von Sozialhilfe bis zum Ableben gedrängt und die zunehmende Altersarmut gesetzlich verordnet.

    Dieser NUSSBAUM ist auch bloß ein Lobbyistenknecht, Speichellecker von Banken, Versicherungen, Konzernen, Reichen und Superreichen.

    SPD-NEE!!! Der Rest ist im Übrigen auch nicht besser.

  • B
    birnenbaum

    Der Mann hat doch recht, wenn er sagt, dass viele Leute in landeseigenen Wohnungen wohnen, die sich durchaus Mietraum zu Marktpreisen leisten könnten.

     

    Außerdem hat er eine ernom wichtige Beobachtung gemacht. Nämlich dass den sog. freie soziale Trägern genauer in die Bucher geschaut werden muss.

     

    Vielleicht wäre da eine Einstellungsoffensive bei den Finanzämtern angesagt!

     

    Weiter so, Herr Nussbaum.

  • S
    Sozialdemokratur

    Nussbaum ist doch kein Politiker, jedenfalls keiner der Sozialdemokratie, sondern der SozialdemokratUr.

    Meine Stimme geht nicht an die SPD, die Arbeiter/innen-Verräter-Partei mit ihren gesamten Verräter/innen der Sache der Arbeiter/innen.

    Wer auf dieses Gesülze der SPD-Niks reinfällt, der / dem ist echt nicht mehr zu helfen.

    Die SPD als dem Kapital unterwürfig.

    So ein polit-blasses Jüngelchen, der Nussbaum.

  • D
    Daniel

    Wunderbar... wenn Sozialarbeiter, die ein Diplomstudium hinter sich haben, mit weniger als 1500 mtl. nach Hause gehen, kann man ja noch wunderbar weitersparen. Am Besten, man setzt Sozialarbeiter auf Hartz4-Niveau, damit sie auch wissen, wovon sie reden, wenn sie ihre Arbeit machen. Wenn den Vereinen/Trägern das Geld entzogen ist, sparen die Chefs bestimmt zuerst bei sich selbst, aber sicher nicht am Gehalt der Mitarbeiter?!

    Wer denkt denn so hirnrissig, Herr Nußbaum???

    Das klappt bestimmt genau so gut, wie die Regel: "Wenns der Wirtschaft gut geht, gehts allen gut." Fakt ist einfach mal, dass Gewinne _nicht_ durchgereicht werden. Gießkannenprinzip existiert nicht. Umgekehrt aber sehr wohl. Wenn Gelder im Sozialbereich gekürzt werden, dann immer zuerst bei den Sozialarbeitern. Danke Nußbaum.