Finanzkrise trotzt Zinssenkung: Ökonomen fürchten schlimme Rezession
Auch nach der erneuten Leitzinssenkung um 0,75 Prozente in den USA wackeln die Finanzmärkte. Ökonomen fürchten "schlimmste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg".
Die US-Notenbank Fed hat ihren Leitzins am Dienstagabend kräftig gesenkt - aber nicht so kräftig, wie weithin erwartet. Statt gleich um einen ganzen Prozentpunkt ging sie nur um 0,75 Punkte herunter auf jetzt 2,25 Prozent. Damit versuchte die Fed einerseits den Märkten dringend benötigtes Geld günstiger zur Verfügung zu stellen, aber zugleich einen weiteren Absturz des Dollars zu verhindern. Der Kurs erholte sich sogar leicht.
Für Erleichterung sorgte zudem, dass die Investmentbanken Goldman Sachs, Lehman Brothers und am Mittwoch auch Morgan Stanley zwar niedrigere Gewinne meldeten - aber eben immer noch Gewinne. Der Dow-Jones-Aktienindex machte am Dienstag einen Sprung um 3,5 Prozent. Der deutsche DAX, der daraufhin am Mittwochmorgen ebenfalls mit einem Plus loslegte, rutschte allerdings schon bald wieder nach unten.
Es dürfte also nur eine kurze Atempause sein, die die Fed den Märkten verschafft hat. In ihrem Statement geben sich die US-Notenbanker besorgter als sonst. Die Finanzmärkte stünden nach wie vor unter "erheblichem Stress", die aus der Finanzkrise resultierende Kreditverknappung und der Einbruch auf dem Immobilienmarkt "werden wahrscheinlich über mehrere Quartale das Wirtschaftswachstum belasten". Der Harvard-Ökonom Martin Feldstein fürchtet, dass dies "die schlimmste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg" werden könnte, schlimmer also als die Ölkrisen der 1970er-Jahre. Feldstein ist Chef des Forschungsinstituts NBER, welches in den USA offiziell den Beginn von Rezessionen definiert.
Die Erfahrung der vergangenen Monate hat gezeigt, dass mit Liquiditätsspritzen für die Banken und immer weiteren Zinssenkungen allein der Krise nicht beizukommen ist. Inzwischen ist klar, dass der Staat eingreifen muss, und zwar früher oder später auf Kosten der Steuerzahler. Nachdem die Fed bereits für die Rettung der Investmentbank Bear Stears eine Garantie von 30 Milliarden Euro übernommen hatte, wurden nun die Regeln für die beiden halbstaatlichen US-Hypothekenfinanzierer Freddie Mac und Fannie Mae gelockert, sodass diese bis zu 200 Milliarden Dollar in die Immobilienmärkte pumpen können. 168 Milliarden Dollar lässt sich die US-Regierung zudem ein Konjunkturpaket kosten.
Was sich jedoch bislang noch nicht abzeichnet, ist eine strengere Regulierung des aus dem Ruder gelaufenen Finanzmarkts im Gegenzug für die staatliche Großzügigkeit. Das globalisierungskritische Netzwerk Attac fordert, den Bankensektor wenigstens für die Kosten künftiger Rettungsaktionen zur Kasse zu bitten, etwa durch die Gründung eines Fonds. "Es kann nicht sein, dass die Steuerzahler die Verluste und Risiken übernehmen, die durch die Finanzmarktkrise entstanden sind, die Gewinne in guten Zeiten aber weiterhin allein den Aktionären gehören sollen", kritisierte Stephan Schilling vom Attac-Koordinierungskreis.
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