Finanzkrise in Europa: "Eurobonds helfen uns nicht"
Der Ökonom Paul Welfens plädiert für Bonds, die von der Europäischen Zentralbank ausgegeben werden. Der Grund sind zu hohe Zinsen gemeinsamer Staatsanleihen.
taz: Herr Welfens, zehn Jahre nach Einführung des Eurobargelds häufen sich die Probleme mit der europäischen Gemeinschaftswährung. Wie schlimm ist es wirklich um den Euro bestellt?
Paul Welfens: Die Situation bleibt sehr ernst. Die europäischen Regierungen haben viel an Glaubwürdigkeit verspielt. Gerade bei der Refinanzierung von Italien und Spanien machen die Kapitalmärkte nicht mit. Dabei gäbe es einfache Lösungen. Dafür müsste bloß die Rolle der Europäischen Zentralbank (EZB) klüger neu justiert werden.
Aha. Das müssen Sie genauer erklären.
Bisher wurde über Eurobonds nur in der Form diskutiert, dass die 17 Euroländer gemeinsame Anleihen ausgeben. Diese Option erweist sich aber inzwischen als unzureichend. Selbst der Eurorettungsfonds EFSF, hinter dem immerhin sechs Länder mit Toprating stehen, kann sich im Augenblick nur zu rund 4,5 Prozent am Kapitalmarkt finanzieren. Wenn wir solche Eurobonds einführen würden, kämen ja die anderen schlechter bewerteten Euroländer hinzu. Dann aber wären wir bei einem Zinssatz von mindestens 6 Prozent. Das hilft uns aber nicht. Es bliebe weiter unruhig.
Was schlagen Sie als Alternative vor?
, 55, ist seit April 2003 Professor für Makroökonomische Theorie und Politik an der Bergischen Universität Wuppertal in Nordrhein-Westfalen.
Wir brauchen eine supranationale Form der Euroanleihe. Allerdings müsste dahinter jemand stehen, der für höchste Glaubwürdigkeit steht. Und da sehe ich nur noch die EZB. Sie hat einen Vorteil: Als Kreditgeber letzter Instanz verfügt sie über die Möglichkeit, jede Tilgung und Zinszahlung zu garantieren. Deswegen sollte sie selbst Anleihen ausgeben. Mit solchen EZB-Anleihen läge der durchschnittliche Zinssatz bei 2 bis 3 Prozent.
Warum keine Eurobonds, die von Staaten gemeinsam ausgegeben werden?
Auch Anleihen der EZB wären gemeinschaftliche Anleihen. Denn die EZB gehört ja den Euroländern. Wenn die Euroländer sich irgendwann zu einer Euro-Politik-Union zusammengefunden haben, halte ich Eurobonds für sinnvoll. Aktuell würde die Einführung aber kaum für Beruhigung der Märkte sorgen. Für diese Übergangsphase ist die EZB in einer neuen Rolle gefordert.
Wozu eigene Anleihen ausgeben? Kann die EZB nicht direkt Anleihen der Krisenländer aufkaufen?
Es besteht zu Recht die Befürchtung, dass die EZB damit zu einer außer Kontrolle geratenen Inflation beitragen könnte. Zudem erwirbt die EZB bei direktem Aufkauf viele Schrottanleihen und müsste eines Tages viel von dem verliehenen Geld abschreiben. Mein Ansatz ist ein anderer: Die EZB soll Anleihen auf den Markt bringen und damit einen Tausch in Gang setzen. Jedem Euroland wird angeboten, nationale Anleihen von bis zu 50 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in diese EZB-Anleihen umzutauschen. Länder, die unterhalb der 60 Prozent Schuldenquote liegen, sollen sogar bis zu 60 Prozent ihrer Schulden umtauschen dürfen. Damit schaffen wir für Länder mit hoher Schuldenquote einen Anreiz zu konsolidieren. Wir hätten dann einen äußerst liquiden Euroanleihenmarkt. Und jedes Euroland könnte sich zu bezahlbaren Zinssätzen verlässlich am Kapitalmarkt finanzieren. Vor allem wird Zeit gewonnen. Die notwendigen Strukturreformen können in Ruhe umgesetzt werden. Es muss nicht von einem Krisengipfel zum nächsten gehampelt werden.
Die Hardliner innerhalb der EZB beharren aber auf die Unabhängigkeit der Zentralbank.
Auch aus EZB-Sicht ist ein solcher Schritt besser, als im Chaos unter massivem politischen Druck Schrottanleihen kaufen zu müssen. Ich gebe zu: Mein Vorschlag verlangt ein Umdenken herkömmlicher Positionen. Aber wir müssen uns der Tatsache bewusst werden, dass wir uns in einer historischen Krise befinden.
Deutschland profitiert derzeit von hohen Zinssätzen in den Krisenländern und niedrigen Zinsen hierzulande als Folge davon.
Es kann nicht Sinn einer europäischen Integration sein, dass sich ein Land an der Krise eine goldene Nase verdient. Auch Deutschland müsste ein Interesse haben, dass die Partnerländer in ruhiges Fahrwasser kommen. Der momentan historisch niedrige Zinssatz ist unnormal und führt im Übrigen auch nicht gerade zu vernünftigen Investitionsentscheidungen.
Wie sollte sich die Bundesregierung jetzt verhalten?
Sie soll sich endlich auf eine veränderte Rollenteilung einlassen. Die Europäische Zentralbank spielt bei der Bewältigung dieser Krise eine Schlüsselrolle, und das darf die Bundesregierung nicht weiter blockieren. Der Euro könnte als Erfolgsmodell neu etabliert werden.
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