piwik no script img

Finanzkrise damals und heuteJapan hat schon Übung

Wie Japan Ende der 90er-Jahre einen Weg aus der Bankenkrise fand. Der größte Bankenrettungsplan aller Zeiten hat funktioniert - bis heute.

Auch die Mitsubishi-Bank weiß, wie sich eine Finanzkrise anfühlt. Bild: dpa

PEKING taz Auch die Japaner lebten mal auf großem Fuße. Wer 1989 nach einer bescheidenen Apartmentwohnung im Zentrum von Tokio Ausschau hielt, musste mit einigen tausend Dollar Miete rechnen. Das lag an den horrenden Immobilienpreisen, mit denen Japans Banken damals spekuliert haben.

Geblendet von ihrem neuen Reichtum rechneten die Bankiers von Mitsubishi dem Reporter seinerzeit vor, dass der Grundstückswert des Tokioter Kaiserpalasts so viel wert wäre wie ganz Kalifornien. Ihre Börse an der Kabuto-cho übertraf im Gesamtwert sogar die Wall Street.

Doch schon zwei Jahre später verkündete ein Herr Wakai, der seinerzeit neubestellte Chef der Mitsubishi-Bank, in einem taz-Interview das Ende der Party. Wakai sagte, man hätte sich übernommen. Später fielen die Immobilienpreise. Den Banken, jahrelang die größten der Welt, fehlte plötzlich Kapital. 1995 ging mit einer kleinen Hypothekenbank in Osaka das erste japanische Finanzinstitut pleite.

Doch erstaunlicherweise reagierte niemand. Vielleicht waren sich die gewöhnlich schweigsamen Herren der Mitsubishi-Bank zu fein, den Politikern das Ausmaß ihrer Probleme zu schildern. Vielleicht war es die historische Wahlniederlage der seit Jahrzehnten regierenden Liberaldemokraten im Jahr 1993, die die Politiker zum Populismus verleitete. Man hatte in Japan immer eine enge Einheit aus Liberaldemokraten, Bürokraten und den großen Konzernen - das "eiserne Dreieck" - an der Macht gesehen. Doch diesmal funktionierte das Dreieck nicht. Die Finanzwirtschaft siechte über Jahre dahin - und mit ihr die ganze Volkswirtschaft. Man sprach später von "Japans verlorenem Jahrzehnt".

Inzwischen weiß man: Es lag vor allem an den Banken, die den Kreditfluss, das Blut jeder Volkswirtschaft, über Jahre zum Gerinnen brachten. Erst im Jahr 2001, als mit Junichiro Koizumi ein Reformer an die Macht kam, dem Wirtschaftwissenschaftlern zur Seite standen, griff die Politik ein. Die Reformer ließen sich bis 2003 Zeit, um den bis dahin größten Bankenrettungsplan aller Zeiten aufzulegen.

Alle großen japanischen Banken, auch die bis dahin aus eigener Kraft längst wieder gesundete Mitsubishi-Bank, wurden teil-verstaatlicht. Alle mussten öffentliches Kapital aufnehmen. Es war eben ein typisch japanischer Plan. Nach dem Prinzip Gleichheit und Konsens. Alle sind verantwortlich. Alle büßen. Alle tragen die Reform.

Und es funktioniert bis heute prächtig. Keine japanische Bank ist in den letzten Jahren ausgeschert und hat sich wie so viele europäische Banken den verführerischen Finanzierungsmethoden der Wall Street ergeben. Alle sind heute solide finanziert.

Insofern können die Japaner nun erst recht auf großem Fuße leben. Ihre Banken sind als ausländische Investoren überall gern gesehen - im Gegensatz zu den Investoren aus China und den Golfstaaten, den einzigen, die außer ihnen jetzt noch Geld haben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!