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Finanzierung der EntlastungsmaßnahmenLänder wollen Klarheit

Der Bund plant weitere Entlastungen in der Energiekrise. Zur Beteiligung an der Finanzierung haben die Länder Fragen an Kanzler Scholz.

Muss die Finanzierung des „Doppelwumms“ den Ländern erklären: Kanzler Olaf Scholz (SPD) Foto: Fabian Sommer/dpa

Berlin dpa | Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) berät am Dienstag in Berlin mit den Regierungschefs der Länder über den weiteren Kurs in der Energiekrise. Die Länder erwarten von Scholz und seiner Ampel-Regierung Klarheit über die geplante Gaspreisbremse und die Finanzierung diverser Entlastungsmaßnahmen. Bundespolitiker wiederum haben die Erwartung, dass die Länder die Entlastungspläne mittragen.

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Dienstag): „Ich bin sicher, dass Bund und Länder die offenen Fragen gemeinsam klären werden und die Entlastungen auf den Weg bringen, die Unternehmerinnen und Bürger so dringend brauchen.“ SPD-Chef Lars Klingbeil sagte der Rheinischen Post: „Die Ampel hat geliefert. Und ich erwarte, dass jetzt auch die Konservativen auf Länderebene diesen Ruck nicht ausbremsen.“

Der Bund will Verbraucher und Unternehmen mit einem Maßnahmenpaket von bis zu 200 Milliarden Euro vor hohen Energiepreisen wegen des Ukraine-Kriegs schützen. Die Preise für Gas und Strom sollen gedeckelt werden. Für Firmen soll es Liquiditäts- und Eigenkapitalhilfen geben. Die Hilfen sollen über Kredite finanziert werden. Zudem geht es um die Umsetzung des vom Bund geplanten dritten Entlastungspakets mit einem Volumen von 65 Milliarden Euro.

Bundesfinanzminister Christian Lindner forderte die Bundesländer vor den Beratungen über die Finanzierung der geplanten Entlastungen auf, ihren Beitrag zur Krisenbewältigung zu tragen. „Man muss sich gegenseitig helfen. Aber es kann auch nicht sein, dass, wenn ich das in aller Höflichkeit so sagen darf, Länder einfach Koalitionsvorhaben umsetzen, Haushaltsüberschüsse erzielen – und der Bund ist in tiefen roten Zahlen und muss Krisenmanagement machen“, sagte der FDP-Politiker am Dienstag im ZDF-„Morgenmagazin“. „Ich denke, die Bürgerinnen und Bürger erwarten, dass alle staatlichen Ebenen ihren Beitrag dazu leisten, dass unser Land ohne großen Schaden durch diese Zeiten kommt.“

Der Sozialverband Deutschland (SoVD) forderte die Bundesländer auf, das dritte Entlastungspaket nicht zu blockieren. „Wir brauchen Solidarität der Starken mit den Schwächeren und eine Gemeinschaftsanstrengung von Bund und Ländern“, sagte die Vorsitzende Michaela Engelmeier. Seit der Einigung auf das Paket seien vier Wochen vergangenen. „Bund und Länder dürfen ihren Streit nicht auf dem Rücken der Betroffenen austragen.“ Sie forderte Tempo: „Die hohen Kosten für Lebensmittel fallen jede Woche an.“

Konzept für die Gaspreisbremse

Noch ist etwa unklar, wie die Gaspreise gedeckelt werden. „Das muss jetzt zügig geklärt werden“, forderte der nordrhein-westfälische Regierungschef Hendrik Wüst (CDU) am Sonntag in der ZDF-Sendung Berlin direkt. „Man sollte das jetzt nicht seitens der Regierung in Berlin auf die lange Bank schieben.“ Familien und Unternehmen müssten zu Beginn der Heizperiode wissen, woran sie sind.

Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland bislang sei den Ländern allein das Volumen von 200 Milliarden Euro zur Deckelung der Energiepreise bekannt. Die Länder arbeiteten konstruktiv mit, um die Energiekrise zu bekämpfen. Aber der Bund müsse die Länder weiter finanziell unterstützen: „Der 200-Milliarden-Schirm kann nicht dazu führen, dass die Länder jetzt im Regen stehen.“

Finanzierung der Wohngeldreform

Strittig ist auch, wie die von der Bundesregierung geplante, deutliche Ausweitung des Wohngelds finanziert werden soll. Ab Januar soll der staatliche Mietzuschuss um durchschnittlich 190 Euro pro Monat steigen – außerdem soll er an 1,4 Millionen Bürger mehr gezahlt werden. „Der Bund möchte da viel machen, dann soll er es auch selber bezahlen“, sagte Wüst. Bisher wird das Wohngeld hälftig von Bund und Ländern finanziert, doch die Länder wollen nicht länger mitmachen.

Finanzierung der 9-Euro-Ticket-Nachfolge

Auch nach dem Ende des 9-Euro-Tickets soll es ein bundesweites ÖPNV-Ticket geben, zu einem Preis zwischen 49 und 69 Euro im Monat. Details sollen die Länder untereinander ausmachen. Finanzminister Christian Lindner (FDP) bot an, dafür die sogenannten Regionalisierungsmittel um 1,5 Milliarden Euro jährlich zu erhöhen. Die Länder halten das auch angesichts der hohen Energiepreise für zu wenig, um dauerhaft einen attraktiven Nahverkehr anbieten zu können.

Finanzierung der Aufnahme von Flüchtlingen

Hunderttausende Menschen sind vor dem russischen Krieg aus der Ukraine nach Deutschland geflohen. Die Länder verlangen, dass der Bund seine Zusage aus dem Frühjahr einlöst, sie stärker bei den Kosten für die Unterbringung und Betreuung zu unterstützen. Wüst sagte: „Wenn jetzt der Winter kommt, wenn Kälte und Nässe in die zerstörten Häuser in der Ukraine eindringen, dann werden weitere Menschen zu uns kommen – kommen müssen.“ Ihre anständige Unterbringung und Versorgung gehöre zu den großen Aufgaben für Kommunen und Länder. „Dafür braucht es Geld.“

Zusätzliche Entlastungen

Vor dem von Scholz als „Doppelwumms“ bezeichneten 200-Milliarden-Euro-Paket hatten die Länder weitere Entlastungen ins Spiel gebracht. Dazu zählen etwa die Stundung von Steuerzahlungen vor allem von Unternehmen und der Schutz von Mietern vor Kündigung, wenn sie Nebenkosten und Miete nicht bezahlen können. Unklar ist, ob solche Forderungen im Gespräch mit dem Bund auf den Tisch kommen.

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