Filmkomödie "Crazy, Stupid, Love": Vollendet höfliches Draufgängertum
Cal will Emily, und die will die Scheidung - was dazu führt, dass in "Crazy, Stupid, Love" ein Mann im Mittelpunkt steht. Er heißt Jacob und ist die Rettung der weiblichen Zuschauer.
Die klassische Liebeskomödie setzt eine Frau ins Zentrum und erntet dafür den abschätzigen Titel chick flick. Mit den Erfolgen der Judd-Apatow-Filme in den letzten Jahren aber hat sich herausgestellt, dass romantic comedies, die ernst genommen werden wollen, von Männern handeln. Und dabei weniger auf romantische Elemente als auf das konkret Geschlechtliche setzen. "Crazy, Stupid, Love" legt die Karten in dieser Hinsicht gleich mit der ersten Szene auf den Tisch, indem er die Perspektive auf das Darunter wählt. Über den Boden eines Restaurants gleitend, nimmt die Kamera die Beinpaare der Gäste in den Blick. Es wird heftig geflirtet: Dort wagt ein Herrenschuh den Vorstoß, hier macht ein Stöckelschuh Avancen.
Dann kommt die Kamera an einen Tisch, unter dem die Füße starr verharren; das Männerpaar steckt außerdem in uneleganten Turnschuhen. Bündiger lässt sich kaum auf den Punkt bringen, dass zwischen diesen beiden nichts mehr läuft. Erst im Anschluss sehen wir das Paar dazu: Cal (Steve Carell) und Emily (Julianne Moore), wie sie, jeder über eine Karte gebeugt, überlegen, was sie zum Dessert bestellen wollen. "Crème brûlée", sagt Cal, "die Scheidung", bricht es aus Emily heraus.
Cal reagiert zunächst so, wie man es eher von Frauen kennt: Auf dem Nachhauseweg springt er dramatisch aus dem fahrenden Wagen. Im Büro am nächsten Tag weint er unkontrolliert auf der Toilette. Doch nächtens hat er als Mann eine besondere Option: Er geht in eine Bar und quatscht dort ungehemmt selbstmitleidig die Ohren seiner Mittrinker voll. So ausgiebig und rücksichtslos, dass Jacob (Ryan Gosling) auf ihn aufmerksam wird - und ihn mit der müden Geste dessen, der endlich seine Ruhe haben will, unter seine Fittiche nimmt. Jacob liefert die Kurzanalyse von Cals Problem: Offenbar habe er sich als Mann aus den Augen verloren. Da er aber über ein nettes Gesicht und einen noch vollen Haarschopf verfüge, sei noch Hoffnung.
Regie: Glenn Ficarra, John Requa. Mit Steve Carell, Ryan Gosling, Julianne Moore, USA 2011, 118 Min.
Schürzenjäger nicht gleich Womanizer
Aus Frauenperspektive lohnt "Crazy, Stupid, Love" allein schon wegen Jacob. Ryan Gosling spielt ihn als lebenden Beweis dafür, dass der deutsche Schürzenjäger nicht als Übersetzung von womanizer taugt. Jacob ist vielmehr im Wortsinne ein smooth operator. Dem Geschäft des Frauenaufreißens geht er mit einer Eleganz und Effektivität nach, die Draufgängertum vollendet mit höflicher Zurückhaltung mischt. Jede seiner Bewegungen und jeder seiner Sätze ist darüber hinaus von einem alles bezwingenden Selbstbewusstsein geprägt. Der Krieg der Geschlechter sei zu Ende, teilt er Cal an einer Stelle mit. Gewonnen hätten ihn die Männer - und zwar in dem Moment, als Frauen begannen, pole dancing als Fitnessübung zu praktizieren.
Einer wie Cal, dafür sorgt Steve Carells stets mit leichter Hysterie unterfütterte Darstellung, braucht natürlich ein bisschen, bis er mit Jacob mithalten kann. Die richtige Kleidung und ein paar gemeinsam mit Jacob eintrainierte Sprüche aber helfen. Dann ist es so weit: Im neuen Outfit betritt Cal die Bar, und die attraktivsten Frauen drehen sich nach ihm um. Und obwohl die Regisseure Glenn Ficarra und John Requa von Cals Lernerfolg in der langweiligen Form der Montagesequenz erzählen, die nach Werbeclipart Körper in Slow Motion mit schlagfertigen Sätzen, wehenden Haaren und staunenden Gesichtern zusammenschneidet, ist man als Zuschauer fast überzeugt, dass modernes Dating tatsächlich so funktioniert.
Der Film wäre langweilig, wenn er an dieser Stelle schon zu Ende wäre. Das Schöne an ihm ist, dass er mit Cals neuem Erfolg bei den Frauen eigentlich erst beginnt - und prompt das bisher Gezeigte und seine männlichen Gewissheiten infrage stellt. Denn Cal will eigentlich gar nicht wie Jacob werden, sondern seine Emily zurückhaben. Wahre Liebe, so dekliniert der Film an seinem ganzen Ensemble von Verliebtheiten durch, braucht nämlich Authentizität. Und den besten Katalysator dafür liefern peinliche Situationen - darauf verstehen sich Männer- wie Frauenkomödien.
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