Filmfestspiele in Cannes: Die ungeliebte deutsche Präsidentin
Der Anfang war nicht leicht: Seit 2022 ist Iris Knobloch Chefin des Filmfestivals von Cannes. Nun legt die studierte Juristin den Finger in die Wunde.
Die studierte Juristin und langjährige Medienmanagerin war zwar Wunschkandidatin des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron, konnte sich aber nur mit Mühen im Verwaltungsrat der Filmfestspiele als Nachfolgerin von Pierre Lescure durchsetzen. Zu groß war die Skepsis gegenüber einer Deutschen. Knobloch ist die Tochter der ehemaligen Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch. Der Generaldirektor des französischen Autor*innenverbands SACD, Pascal Rogard, machte sich gar über den Akzent der gebürtigen Münchnerin lustig.
Darüber hinaus wurde vor allem ihr enges Verhältnis zur US-Filmindustrie und der Wirtschaft kritisiert. So gründete Knobloch zusammen mit dem französischen Milliardär François-Henri Pinault die Mantelgesellschaft I2PO, die den Streamingdienst Deezer mit hohen Verlusten an die Börse brachte.
Als Präsidentin des Filmfestivals steht Knobloch vor ganz anderen Herausforderungen. Frankreich tat sich bis vor Kurzem mit dem Eingeständnis schwer, dass sexualisierte Gewalt ein gesellschaftliches Problem ist. Knoblochs Haltung scheint indessen klar. In einem Interview mit dem US-Society-Magazin Variety stellte sich die Deutsche demonstrativ an die Seite des Filmteams um Judith Godrèche, als dieses bei der Premiere des „Mad Max“-Prequels „Furiosa“ ein Zeichen setzte: Sie hielten sich die Münder zu, um gegen das fortgesetzte Schweigen zu protestieren.
Filmemacherin Godrèche wurde nach eigenen Aussagen von Harvey Weinstein sexuell belästigt. Die französische Gesellschaft müsse „da durch“, damit sich ihr Frauenbild ändern könne, sagte Knobloch in der Variety. Noch im Dezember 2023 hatte Staatspräsident Macron den Schauspieler Gérard Depardieu gegen Vergewaltigungsvorwürfe in Schutz genommen und versichert, dass das Land „stolz“ auf ihn sein könne. Erst als vor ein paar Tagen bekannt wurde, dass Depardieus Fall im Oktober vor Gericht verhandelt wird, ging er zu dem Filmstar auf Distanz.
Pünktlich zur Eröffnung der Filmfestspiele 2024 veröffentlichen mehr als 100 Frauen und Männer in der Tageszeitung Le Monde einen Aufruf, in dem sie die fehlende politische Unterstützung im Kampf gegen sexualisierte Gewalt anprangern. Unterschrieben haben viele Schauspielstars, wie etwa Juliette Binoche.
Auch abseits von #MeToo habe die Filmbranche weiter großen Veränderungsbedarf, konstatierte Knobloch. Zwar hätte es in den vergangenen Jahren große Fortschritte beim Thema Gleichberechtigung gegeben. Regisseurinnen seien „mutiger und selbstbewusster“ geworden. Das mache sich zum Beispiel bei den Kurzfilmeinreichungen oder den Beiträgen der Filmhochschulen bemerkbar. Allerdings hätten Frauen immer noch zu selten Zugriff auf die großen Filmbudgets. Es sei deshalb ihre Priorität, begabte Filmemacherinnen noch stärker ins Rampenlicht zu rücken, sagte Knobloch.
Politische Krisen der Gegenwart wie das Schicksal der israelischen Hamas-Geiseln und die Situation im Gazastreifen will Knobloch dagegen von Cannes fernhalten. Die Festivalleitung beklage zwar die „Tragödien, die sich überall auf der Welt ereignen“. Die Filmfestspiele müssten sich aber auf ihr Kerngeschäft konzentrieren: das Kino. Ob das in Gänze möglich ist, wird sich in den kommenden Tagen zeigen.
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