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Filmfestspiele VenedigTarantino im japanischen Western

Cristina Nord
Kommentar von Cristina Nord

Der Cowboyfilm ist ein ureigen globales Genre. "Sukiyaki Western Django", der Wettbewerbsbeitrag des japanischen Horror-Regisseurs Takashi Miike, spielt damit.

Takeshi "Django" Miike Bild: reuters

B räuchte es einen Beweis dafür, dass es Globalisierung gab, lange bevor davon die Rede sein würde, man müsste sich nur mit der Geschichte des Western befassen. Das Genre, das seine Figuren eine Heimat zwar anstreben, sie aber zugleich on the run sein lässt, dieses Genre ist selbst unterwegs. Von den USA aus migrierte der Western nach Italien, wie sich in der Retrospektive der Mostra verfolgen lässt. Zuvor schon war er gen Japan aufgebrochen, wo Akira Kurosawa 1954 mit "Seven Samurai" Westernmotive variierte. Kurosawas "Yojimbo" (1961) wiederum diente als Vorlage für Sergio Leones "Per un pugno di dollari" (1964), ohne dass Kurosawas Name seinerzeit im Abspann aufgetaucht wäre.

Takashi Miikes Beitrag zum Wettbewerb, "Sukiyaki Western Django", freut sich an den Migrationen des Genres schon im Titel. Nevada, so macht es ein Holzschild mit japanischen Schriftzeichen glauben, liegt am Fuße eines Vulkans in Japan, und Django, der Held des gleichnamigen Spagetti-Westerns aus dem Jahre 1966, kommt unter dem Namen Heihachi im Schatten eben dieses Vulkans zur Welt, als Spross zweier verfeindeter Clans. Da diese Form des Crossovers spätestens seit den "Kill Bill"-Filmen einen Paten hat, spielt Quentin Tarantino gleich selber mit. In den ersten Szenen hat er einen Auftritt als Revolverheld und Geschichtenerzähler, später taucht er als Greis mit schlohweißem Haar und verzogenem Mundwinkel auf. Wie alle Figuren in "Sukiyaki Western Django" spricht Tarantino Englisch mit starkem japanischem Akzent. Seine Repliken sind mit englischen Untertiteln versehen.

Miikes Wettbewerbsfilm macht Spaß, lässt aber auch leise Zweifel aufkommen. Sicher ist es reizvoll, den verfeindeten Clans der Heike und der Genji zuzuschauen, wie sie sich bekriegen, sicher ist es attraktiv, wenn ein namenloser Trickster beiden Clans in die Quere kommt wie einst Clint Eastwood in "Per un pugno die dollari" den Baxters und den Rojos. Und Miike, ohnehin für seinen kreativen Umgang mit Körperteilen bekannt, hat viel Freude, wenn seine Figuren einander faustdicke Löcher in die Brust schießen. Dann nämlich kann die Kamera durch den Körper hindurchgucken wie durch ein überdimensional großes Schlüsselloch. Wenn er dazu noch Shakespeares "Henry V" ins Spiel bringt, indem er den Boss des Heike-Clans wahnsinnig werden lässt, gibt er sich als glücklicher, freigeistiger Schüler Kurosawas. Und doch: Nach dem vierten Western kennt man die verschiedenen Arten, eine Schießerei oder eine Prügelei zu filmen. Man weiß, wie es aussieht, wenn die Pferde, von Kugeln getroffen, mit ihren Reitern zu Boden gehen, und man weiß, dass sich der Trickster in die geheimnisvolle Lady im Saloon verlieben wird. Man beginnt sich nach mehr zu sehnen als nach der Variation des Gleichen. Man will etwas Neues sehen.

Das Neue aber, konstatiert "Un journal de Venise" der Cahiers du Cinéma, ist das Alte. Ob sich der Autor der Schwindel erregenden Dialektik seines Satzes bewusst ist? Denn im Umkehrschluss ergibt die Gleichung, dass das Alte das Neue ist. Das wiederum ist das Alte, was nur ein Fazit zulässt: Das Alte ist das Alte. An Neuem ist die diesjährige Mostra denn auch ein wenig arm - mit Ausnahme des neuen Festivalgebäudes, das errichtet werden soll, wo heute noch eine Zeltstadt steht. Elf neue Säle soll es geben, freut sich Davide Croff, der Präsident der Biennale. In vier Jahren wird Einweihung gefeiert. Siebzig Millionen Euro wird der Bau kosten, dreißig davon kommen von der Stadt Venedig, zwanzig von der italienischen Regierung. Und die restlichen zwanzig? Werden sie vom Himmel fallen wie der dichte Schnee, der am Ende von "Sukiyaki Western Django" die vielen Leichen unter sich begräbt?

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Cristina Nord
Kulturredakteurin

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