Filmfestival in Antalya abgesagt: Was die AKP als Sieg feiert
Erst gab es Zoff um den Film „Kanun Hükme“ über die Folgen des Putschversuchs 2016 in der Türkei. Jetzt findet das Filmfestival Antalya nicht statt.
In der Türkei ist eines der bekanntesten Filmfestivals des Landes, das seit 50 Jahren stattfindende Antalya Filmfestival, für dieses Jahr abgesagt worden. Der Grund ist ein umstrittener Dokumentarfilm, den das Kulturministerium bei dem Filmfestival in Antalya verhindern wollte.
Es geht um den Film „Kanun Hükme“ (Gesetz und Gerechtigkeit). Er beschäftigt sich mit den Folgen des Putschversuchs von 2016. Darin wird auch das Schicksal zweier Menschen nachgezeichnet, die wie tausende andere infolge des Putschversuchs ihre Arbeit verloren, weil sie als mögliche Sympathisanten der Putschisten galten. Und es geht um die islamische Gülen-Sekte, die lange mit der Regierung von Recep Tayyip Erdoğan um die Macht im Land stritt und angeblich den Putsch geplant haben soll.
Die Gülen-Sekte hatte eine weit gestreute Anhängerschaft im öffentlichen Dienst bis in die Polizei, Justiz, Armee und dem Bildungsbereich. Erdoğan setzte nach dem Putsch weitreichende „Säuberungen“ in allen diesen Bereichen durch, was über hunderttausend Menschen in sehr prekäre Situationen brachte.
Schon als der Dokumentarfilm „Kanun Hükme“ auf der Festivalliste auftauchte, gab es Zoff. Zunächst innerhalb der Jury, die den Film ausgewählt hatte, dann auch mit dem Kulturministerium, das das Festival finanziert. Als bekannt wurde, dass die Jury auf Drängen aus Ankara den Film aus dem Programm nehmen wollte, protestierten Filmemacher und Kulturleute. Die Jury entschied dann, „Kanun Hükme“ doch zu zeigen. Mit der Begründung, der Film sei Propaganda für die Gülen-Sekte, erklärte das Kulturministerium daraufhin, es werde seine Unterstützung zurückziehen. Zwei Tage später, am letzten Samstag, sagte dann Antalyas Bürgermeister Muhittin Böcek als Veranstalter das gesamte Festival ab.
Festival soll nicht für politische Agenda missbraucht werden
Böcek ist Mitglied der oppositionellen CHP, er hätte das Festival sicher gerne gerettet. Jetzt sagte er, er hätte reagieren müssen, weil die Verwaltung des Festivals und die künstlerische Leitung so schlecht mit der Kontroverse umgegangen seien. „Keiner soll Zweifel daran haben, dass ich nicht zulassen werde, dass unser Festival für die politische Agenda von irgendjemandem missbraucht wird“, sagte er vor der Presse. Die Regisseurin des Films, Nejla Demirci, schrieb auf X: „Ich bin von den Aussagen von Politikern verblüfft, die den Film gar nicht gesehen haben.“
Innerhalb der regierenden AKP feiert man dagegen die Absage des Filmfestivals als großen Sieg. Die der Regierung nahestehenden TV-Sender wie A-Haber polemisieren schon lange gegen Filme, Konzerte und andere öffentliche Auftritte von Leuten, die nicht die Werte des Landes vertreten würden. Immer wieder wurden deshalb in den letzten Monaten Veranstaltungen abgesagt, oft unter durchsichtigen Vorwänden wie angeblichen Sicherheitsbedenken.
Seit dem Wahlsieg von Präsident Recep Tayyip Erdoğan im Mai ist seine Administration noch entschlossener, das Land zu einem islamischen Staat zu machen.
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