Filmemacher im Iran: Selbst Eier sind hochpolitisch
Iranische Filmemacher hoffen auf bessere politische Zeiten. Regisseur Mohammad Rasoulof durfte aber Anfang Oktober nicht zu einem Festival ausreisen.
Als das Internationale Menschenrechtsfilmfestival in Nürnberg Anfang Oktober eröffnet wurde, fehlte sein Schirmherr. Festivalsprecher Mathias Rüd erklärte, der iranische Filmemacher Mohammad Rasoulof, dem die Schirmherrschaft übertragen worden war, sei an der Ausreise aus seiner Heimat gehindert worden. Das Festival werde alles tun, um den international renommierten Filmemacher doch noch in Nürnberg zu empfangen, ihm den Ehrenpreis der Stadt zu überreichen und seinen neuen Film „Manuskripte brennen nicht“ präsentieren zu können.
Rasoulof wurden am 19. September bei seiner Rückkehr in den Iran der Pass und sein Laptop entzogen. Der 1973 geborene Filmemacher war 2010 wegen angeblicher „Aktivitäten gegen die nationale Sicherheit, Aufruhr und Propaganda gegen die Islamische Republik“ zu sechs Jahren Haft und zu 20 Jahren Berufsverbot verurteilt worden. Später wurde die Haftstrafe auf ein Jahr reduziert.
Nach seiner Freilassung entstand der Film „Auf Wiedersehen“, für den er in Cannes den Regiepreis erhielt. Sein politischster und bislang letzter Film „Manuskripte brennen nicht“ gewann im September dieses Jahres den Bronzepreis des Telluride Film Festivals in Colorado. Er handelt von den sogenannten Kettenmorden der neunziger Jahre. Zahlreiche Schriftsteller, Journalisten und Oppositionelle fielen während dieser Zeit einer systematischen Mord- und Entführungsserie zum Opfer.
Rasoulof scheint seit seinem Gefängnisaufenthalt einen bemerkenswerten Wandel in seiner Kunst vollzogen zu haben. Während er früher wie die meisten Künstler im Iran politische Inhalte symbolisch und metaphorisch zum Ausdruck brachte, dokumentiert er nun reale Begebenheiten ohne Umschweife.
Einige Filme wurden verboten
Darauf angesprochen, sagte er: „Ich selbst habe nicht das Gefühl, dass ich politische Filme produziere. Es ist ganz einfach. Ich suche immer meine Motive in der Welt, die mich umgibt. Da die Menschen Produkte der gesellschaftlichen Verhältnisse sind, versuche ich sie in ihrer realen Welt darzustellen.“
Das Problem entstehe in dem Augenblick, in dem er vor dem „Felsen der Macht“ stehe. So habe er früher es vorgezogen, mit Symbolen zu arbeiten, doch selbst dies sei von der staatlichen Zensur nicht geduldet worden. Einige seiner Filme wurden verboten.
Die Unruhen nach der Wiederwahl Präsident Ahmadinedschads 2009 forderten den Filmemacher heraus. Er begann die Arbeit an einem Film über eine vierköpfige Familie, die trotz erschütternder Ereignisse Ruhe zu finden versucht – was ihr nicht gelang. Während der Arbeit an diesem Film wurde Rasoulof gemeinsam mit anderen Regisseuren und Schauspielern verhaftet.
Durch Selbstzensur sind wertvolle Filme selten
Denen, die ihm sein politisches Engagement vorwarfen, entgegnete er, dass unter den Verhältnissen, die im Iran herrschten, alles politisch sei. „In einem Land, in dem schon der rapide Anstieg der Preise für Eier ein Thema ist, über das alle reden, und eine Kritik dagegen von den Herrschenden als feindliche Gesinnung gegenüber dem Staat verstanden wird, gibt es nichts, was außerhalb der politischen Sphäre liegt“, sagte Rasoulof. „Was ich in meinen Filmen kritisiere, ist das Verhältnis zwischen der herrschenden Macht und dem Volk.“
Die Folge waren Repressionen, denen er und andere Filmemacher im Iran besonders in den letzten drei Jahren ausgesetzt waren. Jeder Film musste mehrere von der Zensurbehörde aufgebaute Hürden überwinden, um endlich auf dem Markt angeboten werden zu können. Die Investition für einen Film stellte nicht nur ein finanzielles, sondern auch ein politisches Risiko dar. Einige kritische Regisseure befinden sich im Gefängnis, andere, darunter einige international bekannte Filmemacher, wie Abbas Kiarostami oder Mohsen Machmalbaf, haben das Land verlassen und leben im Exil.
Der Rest übt so weit wie möglich Selbstzensur. Die Folge ist, dass wertvolle Filme aus dem Iran, die früher international gepriesen wurden, rar geworden sind. Selbst der Film von Asghar Farhadi, „Nader und Simin – eine Trennung“, für den er einen Auslands-Oscar gewann, fand im Iran keine große Verbreitung.
Hoffnung auf Ausreiseverbot
2011 wurde das Haus des Kinos geschlossen, das in den Jahren davor als einzige regierungsunabhängige Organisation der iranischen Filmemacher existierte. Es wurde durch eine staatliche Organisation ersetzt. Das war ein harter Schlag gegen den iranischen Film.
Seit der Regierungsübernahme durch Hassan Rohani am 2. August 2013 scheint sich eine Wende abzuzeichnen. Auch die Filmemacher hoffen auf bessere Zeiten. Bereits wenige Wochen nach der Regierungsübernahme wurde das Haus des Kinos durch den für die Filmindustrie zuständigen Staatssekretär im Kulturministerium, Hojatollah Ayubi, wiedereröffnet. „Das Kulturministerium darf eine Institution, die registriert ist, nicht einfach auflösen“, sagte Ayubi.
Auf die Frage, ob Filmemacher wie Dschafar Panahi, der zu langjähriger Haft und Berufsverbot verurteilt wurde, wieder ihren Beruf aufnehmen können, sagte Ayubi, er sei nicht befugt, auf diese Frage, die eine Angelegenheit der Justiz sei, zu antworten. Aber er hoffe, dass bald alle Künstler, Schriftsteller und Filmemacher ihren Beruf ausüben können.
Nimmt man die Worte Ayubis ernst, könnte auch Rasoulof auf die baldige Aufhebung seines Ausreiseverbots hoffen.
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