Film übers Rockbusiness: Der groteske männliche Körper
Drogen, Wahnsinn, Herzinfarkt: Judd Apatows neuer Fim "Männertrip" zeigt ein kannibalistisches und narzisstisches System kurz vor der Implosion – das Rockbusiness.
Bei allen Verstößen gegen das Geschmacksempfinden sind die Filme von Produzent Judd Apatow, der in den letzten Jahren mit zahlreichen zotigen Komödien den "Apatow-Film" als eigenes Genre begründet hat, im Kern moralische Angelegenheiten. Auch in "Männertrip" steht der groteske männliche Körper im Mittelpunkt, wird über die humoristischen Potenziale von Exzessen, Kotzereien, widerwillig im Arsch geschmuggelten Drogen und zynisch vor Elendskulisse in Szene gesetzten Musikvideos gänzlich ungeniert spekuliert. Doch bleibt am Ende die Erkenntnis: Es muss eigentlich alles anders werden. Entschleunigter, down to Earth, mal wieder miteinander engumschlungen im Bett einschlafen.
Apatow-Filme handeln von Schwellen: Der Mann, der Kind bleiben will, muss erwachsen werden. In seinem letztmaligen Aufbäumen dagegen gelangen sie zu ihrem anarchischen Humor und ihrer moralischen Kehre. Dass Apatow-Star Jonah Hill hier den glücklos überforderten Musikbiz-Arbeiter Aaron Green spielt, der diese Lektion mit Haus und Ehefrau eigentlich schon verinnerlicht hat, ist zunächst das eigentlich Überraschende. Die Mannskinder dieses Films sind die in hyperbolischem Wahnsinn versunkene Musikindustrie und ihr Ziehsohn, der jeglicher Weltverhaftung verlustig gegangene Has-Been-Rockstar Aldous Snow (Russell Brand).
Der hatte vor zehn Jahren mit seiner Band Infant Sorrow das afrikanische Kind in sich entdeckt und mit einem beispiellos philo-rassistischen Konzeptalbum die eigene Karriere erfolgreich beendet. Dieses narzisstische Drogenwrack soll Aaron Green nun neuerlich als Cash Cow reanimieren und binnen kürzester Zeit für ein Revival-Konzert von London nach Los Angeles bugsieren.
"Männertrip" zeigt die Innenwelt des Rockbusiness als grelle Rückkopplung, als ein kannibalisches System unmittelbar vor der Implosion - ein Stahlbad des Fun mit vielen bunten Pillen und pelzigen Wänden in Luxuslofts, die man streicheln sollte, wenn der Drogencocktail zu Wahnsinn oder Herzinfarkt führt. Wenn Aldous Snow in androgyner Gestalt und mit schulterlangem schwarzen Haar am Ende mit aus dem Arm ragenden Knochen und vielen Schmerzmitteln intus schlussendlich doch noch das Multimillionen-Revival gelingt, erinnert das kaum an die Umstände von Michael Jacksons Tod im vergangenen Jahr.
Der geschundene Körper von Aldous Snow aber überlebt, der dicke von Jonah Hill erlangt gerade, wenn er rückwärtig entblößt zur Kamera steht, seine Würde zurück. Am Ende werden pelzige Wände ganz ohne Drogen im fernen Seattle gestreichelt. Michael Jackson ist tot, man selbst noch mal davongekommen.
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