Film über Ingeborg Bachmann: Tableaus einer Beziehung
In „Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“ umkreist Margarethe von Trotta die Beziehung der Dichterin zu Max Frisch. Gerecht wird sie ihr damit nicht.
„Meine Wüste, meine einzige, meine sanfte Vorhölle, meine Erlösung.“ Diese Bachmann-Zeile ist das letzte Bild dieses Films, der damit ausklingt, oder damit verschwindet, dass aus dem Flimmern der Wüste eine schlanke Frauengestalt auf die Kamera zu schreitet, verschwommen wie eine Fata Morgana, bis sie in der Nähe aus diesen Schleiern der Wahrnehmung heraustritt und mit den Augen von Vicky Krieps direkt in die Augen der ZuschauerInnen blickt.
Krieps spielt Ingeborg Bachmann in diesem Film von Margarethe von Trotta, und Ronald Zehrfeld ist Max Frisch, mit dem die Dichterin im wirklichen Leben eine vier Jahre währende Liebesbeziehung hatte, über deren Intensität und deren unglücklichen Verlauf mittlerweile auch durch die Veröffentlichung des Briefwechsels der beiden vor ein paar Jahren eine ganze Menge bekannt ist. Von Trotta – die auch das Drehbuch verfasst hat – begibt sich also auf sehr intimes Terrain, wenn sie Bachmanns Verhältnis zu Frisch als Fokus ihres Films wählt. Es ist fraglich, ob das eine gute Entscheidung war.
Von Trottas Biopics über Hannah Arendt und Rosa Luxemburg hatten durchaus auch die privaten Seiten der Porträtierten gezeigt, aber diese Aspekte nicht in den Vordergrund gestellt. Es ließe sich einwenden, dass im Falle von Ingeborg Bachmann das Privatleben, also geglückte oder unglückliche Lieben, durchaus einen großen Einfluss auf ihr Werk hatte. Aber dieses Werk selbst kommt im Film nur am Rande vor; und die Bachmann, die er porträtiert, wird allen, denen ihr schriftstellerisches Werk bislang eher unvertraut war (oder wird vorausgesetzt, dass solche Menschen diesen Film ohnehin nicht sehen würden?), vor allem als ziemlich kapriziöse Schönheit in Erinnerung bleiben, die gern Italienisch sprach, von Max Frisch unglücklich gemacht wurde und vielleicht unbewusst unter ihrer Kinderlosigkeit litt.
Hintergründe fehlen
Dass die Dichterin irgendwann der Lyrik abgeschworen hat, wird zwar wiederholt thematisiert, auch der große Erfolg von „Der gute Gott von Manhattan“ wird deutlich. Aber dass gerade dieses Hörspiel Frisch so begeisterte, dass er der Autorin einen Brief schrieb und sie unbedingt treffen wollte – das lässt sich als Aha-Information im Presseheft nachlesen –, bleibt im Film außen vor. In diesem scheint es vielmehr so, als seien die beiden eher zufällig in Paris aufeinander getroffen. Natürlich ist ein Spielfilm kein Schulfunk, aber ab und an etwas Hintergrund einzuflechten, muss der Kunst nicht immer abträglich sein. Und ist es nicht eigentlich von großer Bedeutung für die Beziehung der beiden, dass Frisch dieses Treffen absichtlich herbeigeführt hatte?
„Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“. Regie: Margarethe von Trotta. Mit Vicky Krieps, Ronald Zehrfeld u. a. Schweiz/Österreich/Deutschland/Luxemburg 2023, 110 Min.
Und dann stellt sich die Frage, wie weit man in der Fiktionalisierung des Liebeslebens von Menschen gehen will, die für doch recht viele der heute noch lebenden ZeitgenossInnen waren. Von Trotta scheint einen Zwischenweg zu versuchen: nicht zu nah heranzugehen, aber die wichtigsten Konfliktstellen deutlich genug herauszuarbeiten. Das Ergebnis ist ein ziemlich tableauhaftes, oft geradezu statisches Bebildern von Szenen einer Beziehung. Wenig Bewegung und nur sehr sparsam inszenierte Emotion wird gezeigt, die Dramaturgie scheint in der Aneinanderreihung von Schlüsselmomenten zu bestehen.
Empfohlener externer Inhalt
Ein erzählerischer Drive sieht anders aus; aber worin die Probleme bestehen, versteht man immerhin gut. Sie sind nicht kompliziert, nur vielfältig. Er nennt sie „mein Mädchen“, will von ihr bekocht werden, ist aber neidisch auf ihre größere künstlerische Bedeutung, die er andererseits fraglos anerkennt. Sie fühlt sich von ihm nicht als gleichberechtigt angenommen, ist genervt von seinem Schreibmaschinengeklapper (sie selbst schreibt von Hand) und sehnt sich nach Rom, zieht aber trotzdem zu ihm nach Zürich. Später, nun in Rom, fühlt er sich außen vor, mag kein Italienisch lernen und wirft ihr vor, die Diva zu spielen. Er will mehr Nähe, sie entzieht sich. Es klappt einfach nicht. Nach dem Scheitern der Beziehung rettet die Dichterin sich auf eine Reise in die Wüste mit einem jungen Mann.
Und irgendwie scheint das auch besser zu dieser Film-Bachmann zu passen. Die Dichterin ist mit Vicky Krieps nicht wirklich ideal besetzt. Vor allem, dass Krieps ihre eigene, umgangssprachliche Diktion, in der Wortendungen grundsätzlich verschliffen werden, nicht die Spur an den viel sorgfältiger artikulierenden Zungenschlag anpasst, der der von ihr Dargestellten eigen war, ist störend und unverständlich. Diese Eigenart fällt um so mehr auf, als Ronald Zehrfeld eine ganz erstaunliche Verwandlung in Max Frisch gelingt – oder jedenfalls in einen Frisch, wie er gewesen sein könnte: vom würdevoll-statuarischen Habitus über das beherrschte Mienenspiel bis hin zur tiefergelegten Sprechstimme.
Und was soll eigentlich die Wüste? Sie stellt eine dankbare, nicht zuletzt sehr fotogene filmische Metapher für alles dar, was in einer Beziehung unerfüllt geblieben ist. Aber gerade, weil diese zeichenhafte Absicht so überdeutlich durch die Bilder hindurchscheint, ist der Effekt eher bedeutungshuberisch als poetisch.
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