Film „Rock of Ages“: Musical schlimmer als Museum
Illustre Besetzung, 80-Jahre-Brüllbaladen und eine Handlung aus der Retorte: An der Musicalverfilmung „Rock of Ages“ ist das Kostümbild noch das Interessanteste.
Ins Museum zu kommen, das war im Bereich der Popkultur mal gleichbedeutend mit dem Tod. Heute aber gibt es Schlimmeres als die Musealisierung: die Verwandlung in ein Musical.
Wer bislang noch nicht glauben wollte, dass der Glamrock seine Lebensgeister schon vor Jahren ausgehaucht hat, den wird „Rock of Ages“ nun endgültig eines Besseren belehren. Zumal es sich bei diesem Film um die Leinwandadaption eines Musicals aus dem Jahr 2006 handelt.
Dabei ist es nicht nur die Songauswahl, die aus 80er-Jahre-Brüllballaden wie „We built this city“, „Can't fight this feeling“ oder „I Want to know what love is“ besteht, die aus dem Kinoerlebnis eine echte Fahrt ins Jenseits machen, es sind vor allem das viele, lange Haar, die Stirnbänder, die Ohrringe, die schwarzen Lederhosen und die Pelz- und Wildlederwesten, die vorzugsweise auf nackten Oberkörpern getragen werden.
Nicht zu vergessen Männer mit Lidstrichen. Man schaut und staunt: Waren das die 80er? Diese heute kaum mehr in ihre Bestandteile aufzulösende Mischung aus Rocker-Machismo, Metrosexualität und Sadomaso-Mode?
Alternder Rockstar im Drogensumpf
Leider ist das Kostümbild von „Rock of Ages“ auch schon das Interessanteste an einer Musicalverfilmung, die zunächst mit einer geradezu bizarr-illustren Besetzung lockt: Alec Baldwin! Russell Brand! Catherine Zeta-Jones! Und dazu Tom Cruise! Letzterer in der Rolle des alternden Rockstars, der am Ende seiner Karriere im Drogensumpf gelandet scheint, aber noch einmal aufersteht, vom Blitz der Liebe erweckt. Es gilt, einen alten Rock-Club in Los Angeles zu retten, der der Gentrifizierung zum Opfer zu fallen droht.
Der Rest der Handlung kommt ebenfalls aus der Retorte: ein Mädchen aus der Provinz kommt nach Los Angeles mit dem Traum, Rocksängerin zu werden, und landet in besagtem Club als Kellnerin. Dort soll kurz darauf besagter Altrockstar einen Auftritt haben. Mehr zu verraten würde noch das letzte Fünkchen Spannung ersticken.
Die großen Namen erweisen sich als reines „Stunt-Casting“, soll heißen, der erste Anblick eines Alec Baldwin mit langer grauer Mähne und Jeansjacke amüsiert noch, doch auf den zweiten Blick zeigt sich, dass Baldwin ein zu gut erhaltender 54-Jähriger ist, um einen verlebten Altrocker zu spielen.
Für Tom Cruise, der im Juli 50 wird, gilt das noch mehr: Man kann die Verve bewundern, mit der er sich in die Rolle schmeißt, aber kaum übersehen, dass die großzügige Selbstverschwendung, die den Glamrock ausmachte, jemandem wie Cruise völlig fremd ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Lektionen der Woche
Deutschland ist derweil komplett im Wahn