Film „Im Feuer – Zwei Schwestern“ auf Arte: Deutsche Soldatin

Der Film „Im Feuer – Zwei Schwestern“ erzählt von der Suche einer jungen Frau im Irak und ihrer Schwester. Und von der Suche nach sich selbst.

Portrait

Rojda Xani (Almila Bağrıaçık) ist in Deutschland aufgewachsen Foto: Pallas Film/ZDF

„Ich bin kein Flüchtling. Ich bin deutsche Staatsbürgerin. Verstehen Sie?“ Es geht ihr um ihre Mutter, die sie nach Deutschland holen will. Sie hat ihnen gerade eben den bordeauxroten Reisepass auf den Tisch gelegt, aber die beiden Beamten in dem griechischen Flüchtlingslager wollen ihr trotzdem nicht glauben: „Deutsche Staatsbürgerin?“ – „Ja.“ – „Und ich bin der Neffe von Onassis.“

Als sie das nächste Mal ihren Pass vorzeigt, ist sie schon im Irak. „Wir brauchen in Deutschland ausgebildete Kämpferinnen“, sagt der Mann von der Passkontrolle. „Aber ich bin deutsche Soldatin“, beharrt sie. Und als sie sich bei ihrem neuen Vorgesetzten, Oberfeldwebel Breidmeier, vorstellt – „Ich bin Stabsunteroffizier Rojda Xani, 1. Fernmeldebataillon, melde mich zum Dienst“ – und der sich freut – „Sie sind die Kurdin aus Toms Einheit? Super!“ –, korrigiert sie: „Ich bin Stabsunteroffizier. Ich soll Sie als Sprachmittler bei der Ausbildung der kurdischen Frauen unterstützen.“

Rojda Xani (Almila Bağrıaçık) ist, fern von ihren Eltern, in Deutschland aufgewachsen und hat zu der kurdischen Community an ihrem Kölner Wohnort immer Distanz gehalten. Auf ihrem Fernseher hat sie nicht einmal einen kurdischen Nachrichtensender programmiert. Zum Unverständnis der Mutter (Maryam Boubani), die sie aus dem Lager dorthin geholt hat und die es nicht bei den stets vorwurfsvollen Blicken belässt: „Für dich ist das alles kein Problem. Du lebst hier dein Leben. Ist dir egal, ob sie dort stirbt? Das ist dir egal.“

So etwas will und so etwas kann man sich von der eigenen Mutter nicht sagen lassen. Die deutsche Bundeswehrsoldatin irakisch-kurdischer Herkunft Rojda Xani lässt sich in den Irak versetzten, in die Einheit von Oberfeldwebel Breidmeier, um ihre mit den Peschmerga kämpfende Schwester Dilan zu finden und auch noch nach Deutschland zu holen, in Sicherheit. Das Zusammentreffen mit den kurdischen Kämpferinnen bringt ihr so scheinbar festes Selbstbild, ihre Vorstellung von ihrer Identität gehörig ins Wanken.

„Im Feuer – Zwei Schwestern“, 15. September, 22.35 Uhr, Arte und in der Arte-Mediathek

Daphne Charizanis Filme handeln von prägnanten, ambivalenten Frauenfiguren. Gemeinsam mit Ina Weisse hat sie das Drehbuch zu deren zweiter Regiearbeit „Das Vorspiel“ geschrieben – mit Nina Hoss als prägnanter, ambivalenter Frauenfigur.

Bei „Madrid“ hatte die in Thessaloniki geborene Charizani 2003 selbst die Regie übernommen und von der Emanzipation einer aus Spanien stammenden Verkäuferin in Deutschland erzählt. Den Migrationshintergrund teilt sie nun auch mit der Protagonistin ihres jüngsten Films: „Im Feuer – Zwei Schwestern“.

Ist Rojda Xanis demonstrative Selbstkontrolle selbstverständlicher Ausdruck ihrer spezifisch deutschen Sozialisation – oder schon Überkompensation und Zeichen ihrer Verunsicherung, die sie damit überspielen will? Auch ihre Geschichte ist eine Emanzipationsgeschichte. Die Geschichte von der Suche einer Frau nach einer Identität, von der sie gar nicht wusste, dass sie sie suchen muss. Wenn das keine ambivalente Frauenfigur ist.

Aber ambivalent sind eigentlich alle Figuren in „Im Feuer“. Die Peschmerga-Kämpferin, mit der Rojda sich anfreundet und die etwas über ihre Schwester zu wissen scheint – die es aber nicht sagen will. Die Kurden in Köln, die Neuankömmlinge herzlich willkommen heißen – ihnen aber gleich mal 50 Euro für ein Asylantragsformular abknöpfen wollen.

Der Vorgesetzte, der Rojda mit dem Rausschmiss droht, wenn sie Dienstliches mit Privatem vermischt – ihr dann aber doch den privaten Gefallen tut, sie zu seinem Freund Breidmeier (Christoph Letkowski) nach Erbil zu versetzen: Breidmeier, Oberfeldwebel – aber einen unhierarchischeren und sensibleren Spieß hat es in der deutschen Filmhistorie noch nicht gegeben:

„Wenn ich gewusst hätte, dass du deine Schwester suchst, dann …“ – „Was dann? Du hättest nichts tun können. Sie hat sich entschieden.“ – „Mir geht’s nicht um deine Schwester.“ Das unterscheidet ihn von Roj­das Mutter.

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