piwik no script img

Fichtenwälder bedrohtBäume leiden unter Borkenkäferplage

Insbesondere in Bayern vermehren sich die Schädlinge schneller als sonst. Gründe dafür sind die Witterung und die große Zahl an Fichten.

Nicht jeden freut der Anblick: Buchdrucker hinterlassen filigrane Zeichnungen in der Fichtenrinde Foto: dpa

Berlin taz | Viele Wälder Mitteleuropas leiden in diesem Sommer unter einem besonders starken Befall von Borkenkäfern. Betroffen ist Bayern, aber auch in Niedersachsen, Hessen, Sachsen-Anhalt und im Osten Baden-Württembergs gibt es mehr Schäden als sonst. Noch nie hätten sich die Käfer so schnell vermehrt wie derzeit, warnt die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft. In Niederbayern, Teilen Oberbayerns und der südlichen Oberpfalz sei die höchste Gefährdungsstufe erreicht.

Für die Borkenkäferplage gibt es gleich mehrere Gründe. Christoph Rullmann, Bundesgeschäftsführer der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, sagt: „In einem so warmen Frühjahr wie in diesem Jahr schlüpft die erste Generation der Borkenkäferlarven früher als sonst.“ Zudem kämen bis zu vier Larvengenerationen nach, mehr als sonst. Viele Fichten seien durch Hitze und Trockenheit sowieso „unter Dauerstress“, so Rullmann, und damit leichter anfällig.

Auch der Sturm „Niklas“ von 2015 habe in Bayern noch einen Effekt, so Jörg Müller, stellvertretender Leiter des Nationalparks Bayerischer Wald. Viele Bäume seien verbogen, die Wurzeln angegriffen. Das mache es den Borkenkäfern leichter. Die Fichten, in die sich vor allem die Borkenkäfersorte der Buchdrucker einfrisst, seien aber nicht alle per se krank. „Es gab einfach noch nie so viele gut fressbare Fichten“, sagt Müller. Sie hätten nun ein Alter erreicht, in dem sie für die Buchdrucker besonders attraktiv seien. Deshalb empfiehlt er Waldbesitzern, Fichten früher zu fällen, schon mit 70 und nicht erst mit 120 Jahren. „Sonst erntet sie der Borkenkäfer“, sagt er.

Ein weiterer Faktor ist, dass Fichten in Deutschland die häufigste Baumart sind – sie eignen sich gut zur Holzgewinnung. Sie sollten deshalb teilweise durch andere Baumarten ersetzt werden, fordert Christoph Rullmann. Er begrüße, dass die Durchmischung der Wälder staatlich gefördert werde.

Borkenkäfer sorgen für Artenvielfalt

Ließe man Borkenkäfer unbehelligt Fichten fressen, sei eine größere Vielfalt an Bäumen die logische Folge, sagt auch Jörg Müller. „Für die Holzproduktion mag er schädlich sein“, sagt er. Auch im Nationalpark Bayerischer Wald sei der Buchdrucker für Baumleichen verantwortlich, wie schon im großen Ausmaß in den 1990er Jahren.

Die Kernzone des Parks ist aber von der Pflicht, Borkenkäfer zu entfernen, ausgenommen. Bei näherem Hinsehen zeige sich die positive Wirkung der Käfer. „Nach einem Kahlfraß entsteht ein komplexer aufgebauter Wald“, sagt Müller. Borkenkäfer brächten Licht in den Wald.

Es gab einfach noch nie so viele gut fressbare Fichten

Jörg Müller, Nationalparkleiter

Die Regeln in Deutschland lassen das aber kaum zu: Um den Befall weiterer Bäume einzudämmen, müssen befallene Fichten entfernt werden. Waldbesitzer sind dazu gesetzlich verpflichtet.

„Förster und Waldbesitzer laufen ständig ihre Bestände ab und schauen nach Anzeichen“, sagt Eckhard Wenzlaff vom Naturschutzbund (Nabu). Fressen sich die Borkenkäfer horizontal unter die Fichtenrinde, kappen sie die Wasserleitungsbahnen, die den Baum versorgen. Ihre Larven verstärken den Effekt. Auch wenn die Fichte sich anfangs noch mit Harz zur Wehr setzt, droht sie bei sehr starkem Befall abzusterben. Müssen Fichten gefällt werden, werden sie mindestens 500 Meter weit aus dem Wald herausgebracht. Andere Bäume sollen so geschützt werden. Das Holz kann noch verkauft werden – allerdings mit einer Wertminderung.

Verbleibt das Totholz dagegen im Wald, wird es zum Wohnort für mehrere hundert Arten. „Seit einiger Zeit beobachten wir unter Rindenschuppen be­fallener Fichten eine seltene Art: die Mopsfledermaus“, sagt Müller.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • "Die Regeln in Deutschland lassen das aber kaum zu: Um den Befall weiterer Bäume einzudämmen, müssen befallene Fichten entfernt werden."

     

    Hmm, für Polen scheinen andere Regeln zu gelten. Da verpfeift (auf Betreiben der ponischen Opposition) die EK das Land vor EuGH: http://www.taz.de/!5438308/