Fetischfest in Schöneberg: Gassi gehen im Latexfit
Ab Mittwoch wird im Nollendorfkiez zum 22. Mal das Folsom Festival für die Leder- und Fetischszene gefeiert. Der AfD ist das ein Dorn im Auge.
„Der Lederkink kommt daher, dass Leder etwas Animalisches, Maßgeschneidertes darstellt“, erklärt Lana van Orten. Die Domina, die eigentlich anders heißt, arbeitet in der Fetischklinik in Schöneberg. Hier können Menschen ihre sexuellen Vorlieben in einem geschützten Rahmen ausleben. „Es sitzt gut, schützt und macht letztlich auch an, wegen des Geruchs und dem Glanz.“
Ihre Ursprünge hat die Folsom Europe in den USA. Seit 1984 gibt es in San Francisco rund um die Folsom Street ein Straßenfest als Zeichen der Sichtbarkeit der Leder- und Fetisch-Szene in Zeiten der Aids-Pandemie. Seit 2003 auch in Berlin. Ab Mittwoch spazieren die ersten „Puppies“ durch die Straßen, es gibt Bootstouren, Bustouren und am Samstag das große Straßenfest mit Ständen und Bühnen in Fugger- und Welserstraße.
Dass es auf der Straße stattfindet und nicht etwa in einem abgedunkelten Domina-Studio, soll dem ganzen etwas Normalität verleihen. Denn Fetische sind nach wie vor gesellschaftlich stigmatisiert. „Menschen mit Fetischen haben häufig einen sehr hohen Leidensdruck, weil sie viel Ablehnung erfahren“, erklärt Lana van Orten.
„Viele schämen sich, in die Fetischklinik zu kommen, oder haben Angst, auch dort mit ihren Fetischen nicht ernst genommen zu werden“, sagt sie. Für manche Fetische gelte das stärker als für andere. Während etwa ein Windelfetisch, bei dem das Gewickeltwerden sexuelle Erregung auslöst, noch immer tabu sei, würden Vorlieben für Latex und Leder in Teilen der Gesellschaft mehr Akzeptanz erfahren.
Politischer Rückhalt wächst
Das war nicht immer so: Beim Festival in Berlin 2005 geriet der damalige Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) in die Kritik, weil er ein Grußwort schrieb. Der damalige Berliner CDU-Generalsekretär Frank Henkel kritisierte, man solle nicht Menschen in den Vordergrund stellen, „die ihren Lebenssinn darin sehen, abartige Sexualmethoden zu praktizieren“. Das „Sado-Maso-Fest“ sei „an Geschmacklosigkeit nicht zu überbieten“.
Inzwischen gibt es mehr politischen Rückhalt: Im vergangenen Jahr sprach beim Empfang etwa der Bezirksbürgermeister von Tempelhof-Schöneberg, Jörn Oltmann (Grüne), und auch in diesem Jahr hat er ein Grußwort verfasst. Die Folsom wird zudem seit einigen Jahren von der Wirtschaftsverwaltung unterstützt. Einigen ist das ein Dorn im Auge: Die AfD stellte daraufhin 2024 eine kleine Anfrage und wollte wissen, warum das Land Berlin das Festival unterstützt. Das Ziel: Diffamierung.
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