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Festival „Songs of Radical Kindness“Sprich, Schwester!

Für Rasha Nahas und Golnar Shahyar steht Kunst in einem politischen Kontext. Ihre Lieder feministischer Solidarität spielten sie im Berliner Radialsystem.

Golnar Shahyar, Rasha Nahas und Band beim Outernational Festival „Songs of Radical Kindness“ Foto: Phil Dera

Berlin taz | Wie klingt eine Welt, in der Nationalstaaten und Grenzen überwunden sind? Das Outernational Festival „Songs of Radical Kindness“ sucht musikalische Antworten auf diese Frage. An zwei Tagen stehen im Berliner Radialsystem internationale Künstler_innen mit Diaspora- oder Exilerfahrung auf der Bühne, deren Musik transnational und transtraditionell geprägt ist.

Für die Musikerinnen Rasha Nahas und Golnar Shahyar steht Kunst stets in einem politischen Kontext. Rasha Nahas hat sich mit ihrem düsteren, von 80er Underground geprägten, elektronischen Rock sowohl in Berlin, wo sie seit 2017 lebt, als auch in ihrer Heimat Palästina einen Namen gemacht. In ihren arabischen und englischen Texten widmet sie sich unter anderem Themen wie Heimat, Sehnsucht und Fragen der Identität im Exil.

Golnar Shahyar ist eine iranisch-kanadische Sängerin und Multiinstrumentalistin. Auch in ihren Kompositionen spielen sich verschiedene Einflüsse und Sprachen eine Rolle. Inhaltlich stehen Selbstbestimmung und die Suche nach Zugehörigkeit im Vordergrund. Für beide Musikerinnen hat die Kollaboration für das Outernational Festival eine besondere Bedeutung. Gemeinsam haben sie Lieder des Protestes und der feministischen Solidarität geschaffen und nutzen Musik sowohl als Mittel zum Widerstand gegen Unterdrückung als auch zur Heilung.

In der Gesprächsrunde am ersten Festivaltag mit Kuratorin Elisa Erkelenz fragt Rasha Nahas sich, welche Rolle sie als Künstlerin haben kann, während der Krieg in Gaza – ein, wie sie sagt, live-übertragener Genozid – bereits mehr als 40.000 Palästinenser_innen getötet und mehr als eine Million vertrieben hat. Angesichts dieser Gewalt habe sie lange Zeit keine Worte gehabt. Mit Golnar Shahyar fand Rasha Nahas zurück zu ihrer Stimme.

Zukunft ungewiss wegen Kürzung der Kulturgelder

Ihre Worte drücken Schmerz aus, sind aber gleichzeitig Träger der Hoffnung auf Veränderung. Auf das Gespräch folgt ein akustisches Konzert von Derya Yıldırım. Die Sängerin und Bağlama-Spielerin aus Hamburg steht an diesem Abend zwar Solo, aber in Dialog mit der langen musikalischen Tradition Anatoliens, auf der Bühne. Abschließend ist ein elektronisches DJ-Set von Rojin Sharafi zu hören.

Räume für Kunst und Kultur sind in einer demokratischen Gesellschaft unverzichtbar und momentan stark bedroht.

Matthias Mohr, künstlerischer Leiter des Radialsystem Berlin

Am zweiten Festivalabend eröffnet Matthias Mohr, künstlerischer Leiter des Radialsystem, die offizielle Premiere der Songs of Radical Kindness Kollaboration. Dabei äußert er auch Sorge über die Zukunft des Festivals und anderer Kultureinrichtungen in Berlin, die durch die Kürzung der Kulturgelder gefährdet sind. Räume für Kunst und Kultur seien in einer demokratischen Gesellschaft unverzichtbar und momentan stark bedroht, so Mohr. Nach der Eröffnungsrede, die weniger feierlich als mahnend ausfällt, herrscht einen Moment länger als gewohnt Stille.

Dann treten Rasha Nahas und Golnar Shahyar gemeinsam mit Rojin Sharafi, Trompeterin Lina Allemano, Saxophonistin María Kim Grand, Gitarrist Mahan Mirarab, Bassist Jelmer De Haan und Schlagzeuger Altaïr Chagué auf die Bühne. „Speak Sister“ (dt. Sprich Schwester) singen Nahas und Shahyar und ermutigen sich damit gegenseitig. Shahyar sitzt am Flügel in der Mitte des Raums.

Ein Gefühl des Dialogs auf der Bühne

Nahas steht neben ihr, die türkisblaue Gitarre um den Hals. Die gemeinsamen Kompositionen spiegeln den Charakter beider Künstler_innen wider. Der orchestrale, von Jazz inspirierte Klang von Golnar Shahyars Klavier und Stimme fügt sich überraschen nahtlos in Rasha Nahas' verzerrten elektronischen Sound und ihre mal gehauchten, mal geschrienen Lyrics. An manchen Stellen vermischen sich die Stimmen der Sängerinnen zu einem multivokalen Klang, an anderen hören sie einander geduldig zu.

Auf der Bühne entsteht ein Gefühl des Dialogs – nicht nur zwischen Nahas und Shahyar, sondern zwischen allen Instrumentalist_innen. Die langen und fließend ineinander übergehenden Stücke lassen genug Platz für Solos. Ebenso raumfüllend wie die Musik, sind die Spoken Word Texte von Rasha Nahas und Golnar Shahyar. „War and oppression they cut my tongue. My voice is the stories that don’t die. My voice is the land that does not die“ (dt. Krieg und Unterdrückung haben meine Zunge abgeschnürt. Meine Stimme ist die Geschichten, die nicht sterben. Meine Stimme ist das Land, das nicht stirbt), trägt Rasha Nahas auf Arabisch vor.

Unter dem orangenen Kegel des Bühnenlichts, in den verdunkelten Saal hinein, widmet Rasha Nahas das letzte Lied des Abends allen Opfern des Krieges in Gaza und fordert Ceasefire Now (dt. Waffenstillstand jetzt). Als die letzten Noten ausklingen, bleibt vor allem eins: ein erneuerter Glaube an Musik als Mittel des Widerstands.

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