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Festakt zu 100 Jahre Frauenwahlrecht„Das Ziel muss Parität sein“

Merkel zeigt bei dem Festakt so viel Feminismus wie selten. Eine Lösung für mehr Frauen im Bundestag hat sie aber auch nicht direkt parat.

Merkel mit Rita Süssmuth, Manuela Schwesig, Christine Bergmann und Franziska Giffey Foto: dpa

Berlin taz | So viel Feminismus war selten bei Angela Merkel: „Die Quoten waren wichtig, aber das Ziel muss Parität sein“, forderte die Kanzlerin am Montag beim Festakt zu 100 Jahren Frauenwahlrecht in Berlin. „Parität überall: ob in der Politik, der Wirtschaft, der Verwaltung, der Wissenschaft oder im kulturellen Bereich.“

Im magentafarbenen Jackett und vor den Konterfeis der vier historischen Frauenrechtlerinnen Marie Juchacz, Helene Lange, Helene Weber und Elisabeth Selbert kritisierte Merkel bei ihrer Rede den geringen Frauenanteil beispielsweise im Bundestag: Der sei mit rund 30 Prozent „in dieser Legislatur kein Ruhmesblatt“, sagte sie. „Wir werden hier neue Wege bestreiten müssen.“ Und auch sie selbst, seit zwölf Jahren die erste Kanzlerin des Landes, wolle nicht „als Alibi“ herhalten: „Eine Schwalbe“, sagte Merkel, „macht noch keinen Sommer.“

Am 12. November 1918 beschloss der Rat der Volksbeauftragten das Wahlrecht für alle mindestens 20 Jahre alten „männlichen und weiblichen Personen“ in Deutschland. Genau 100 Jahre später lud das Bundesfrauenministerium am Montag in den Lichthof des Deutschen Historischen Museums, um den Beginn der parlamentarischen Demokratie zu feiern.

Rund 350 Gäste kamen, darunter die Chefinnen der Grünen und der Linkspartei, Annalena Baerbock und Katja Kipping, die Autorin Margarete Stokowski, Bloggerin Anne Wizorek und die muslimische Feministin Kübra Gümüşay. Alice Weidel, Fraktionschefin der AfD im Bundestag, nahm ihren Platz nicht ein, obwohl sie die ein oder andere Anregung hätte mitnehmen können. Ihre Fraktion hat den niedrigsten Frauenanteil aller im Bundestag vertretenen Parteien und drückt den Schnitt enorm: Nur 10 der 92 AfD-Abgeordneten sind Frauen.

Die KandidatInnenlisten abwechseln besetzen

Auch Frauenministerin Franziska Giffey forderte bei der Veranstaltung wie zuvor schon Justizministerin Katarina Barley (beide SPD) und Grünen-Chefin Baerbock eine Erhöhung des Frauenanteils im Bundestag und in den Länderparlamenten. Giffeys Vorschlag: Die KandidatInnenlisten der Parteien könnten abwechselnd mit Männern und Frauen besetzt werden. Eine andere Möglichkeit seien größere Wahlkreise mit zwei direkt gewählten Abgeordneten verschiedenen Geschlechts.

Merkel sagte, den Frauenanteil im Bundestag zu ändern, sei gar nicht so einfach: Die CDU beispielsweise gewinne viele Direktwahlkreise – wenn Frauen hier mehr Chancen haben sollten, müssten sie schon früh gut platziert werden. „Wir denken da sehr intensiv drüber nach.“

Dass es in der Frauenpolitik der Koalition dennoch viel Luft nach oben gibt, machte unter anderem die Juristin Lore Maria Peschel-Gutzeit deutlich, die bei der Feier gemeinsam mit Merkel und Giffey auf dem Podium saß. Dass die Möglichkeit zur Rückkehr von Teilzeit in Vollzeit noch immer nicht geschafft sei, „empfinde ich als empörend“, sagte Peschel-Gutzeit. Das Rückkehrrecht gilt ab 2019, allerdings nur in Unternehmen mit mehr als 45 MitarbeiterInnen.

Merkel reagierte: Die Union sei da wohl „ein sperriger Koalitionspartner gewesen, das gebe ich gerne zu“, sagte sie. Und wurde auch hier überraschend deutlich: „Frau Peschel-Gutzeit hat recht – jede Frau sollte auch wieder zurückkehren können.“

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3 Kommentare

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  • Wie immer redet Merkel den Menschen nach dem Mund. Ihre Plattitüden sind unerträglich.

  • Der neue Trend ist offenbar: Man behauptet keine Diskrimierung mehr, sondern setzt sie als gegeben voraus. Und sieht damit jede Anweichung von der Geschlechterparität als störend an. Aber Parität in allen Bereichen der Gesellschaft wird es wohl trotzdem nicht geben, weil Frauen und Männer im Durchschnitt (...nicht im Einzelfall...) unterschiedliche Interessen haben und daher verschiedene Gebiete der Gesellschaft zu unterschiedlichen Anteilen besetzten, auch unabhängig von Diskrimierung. Das ist kein Plädoyer für ein zurück zu "Kinder, Küche, Kirche". Ich denke aber, dass eine Gesellschaft Unterschiede zwischen den Geschlechtern anerkennen und aushalten sollte.

  • Diese geschlechtliche Bipolarität ist so beängstigend gestrig und überhaupt nicht empowernd.