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Fernwanderweg Venntrilogie in BelgienOh wie schön ist der Osten

Wer sich nach Kanada träumt, aber nie dort war, könnte es mit Ostbelgien probieren. Flüsse, Wälder, Moore, alles da. Und als Bonus: Burgen und Bier.

So schön ist das Hohe Venn Foto: Christian Kerber/laif

Fast alles dreht sich um die Zahl 3. Der im August eröffnete Wanderweg, der Venntrilogie heißt und durch den Osten Belgiens führt, startet am deutsch-belgisch-niederländischen Dreiländereck bei Aachen.

Belgiens Osten lag immer zwischen allen Kulturen, Sprachen und Einflusssphären. Grenzen haben sich ständig verschoben, Schmuggel und Fluchtrouten folgten

Bald werden wir dem fleißig mäandernden Flüsschen Göhl begegnen, das drei andere Namen hat: Geul (niederländisch), La Gueule (französisch) und Jöhl (auf Platt). 109 Kilometer lang ist die Venntrilogie und ihren Namen trägt sie, weil sie drei sehr verschiedene Landschaften verzahnt.

Auf der ersten Etappe queren wir im Hohnbachtal liebliche Wiesen mit grasenden Kühen und dösenden Rindern und schlängeln uns durch Ensembles massiver Hainbuchen, die älter sind als der Staat Belgien (gegründet 1830).

Wir blicken auf die Silhouette von Kelmis, wo einst die größte Zinkmine Europas stand, verlassene Stollenzugänge sind Zeugen. Von 1816 bis 1919 war das Gebiet sogar ein eigener Ministaat: Neutral-Moresnet.

Es geht vorbei an Ruinen, Wasserschlösschen und Heckenwällen, durch lichte oder dichte Wälder. Die Wege sind verlässlich ausgeschildert.

Ein zertifizierter Fernwanderweg wie die Venntrilogie verlange alle etwa 250 Meter ein Hinweisschild, das hatte uns der Projektentwickler Jef Schuwer erklärt. „Manche Menschen aber hätten am liebsten alle 40 Meter eines, aus Angst vor dem Verlaufen.“ Unterwegs sind deshalb ein paar zusätzliche Venntrilogie-Symbole auf Zaunpfosten aufgesprüht.

Komplexes Königreich

Einmal verlieren auch wir kurz die Orientierung, weil wir ins Gespräch vertieft waren über die Begriffe „Osten Bel­giens“ und den 2016 eingeführten Namen „Ostbelgien“. Beide Gebiete sind nicht deckungsgleich, wohl aber gehören die größeren französischsprachigen Teile als auch das deutschsprachige Ostbelgien zur Region Wallonie. Komplexes Königreich. Und, Achtung, es gibt zwei Eifels: die deutsche und die belgische. Oder sagt man Eifeln?

Picknickpause machen wir im Dorf Eynatten im Schatten der Dorflinden. Am Rande von Eynatten wird das „Eupener Butterländchen“, wie man hier sagt, auf dem Hof der Familie Boffenrath zum Käseländchen. „Tobi Fromage“ nennt sich der 40-jährige Inhaber. Sein „Göhltaler Käse“ mit Naturlab ist ein regionaler Hit mit 4.000 Kilo Output pro Jahr.

Privatleute holen sich halbe Laibe, Sternerestaurants der Umgebung ordern ausdauernd. Für eine Distillerie nebenan in Raeren, bekannt für ihren Bio-Gin, entwickelte Tobi Fromage eigens einen Wacholderkäse. „Die natürlichen Bakterien in der Luft geben unserem Käse eine eigene Note. Würde ich ihn mit identischem Rezept etwa in Bayern machen, hätte er eine etwas andere Farbe und würde anders schmecken.“

In Teil zwei der Trilogie landen wir in einer sehr reduzierten Ur-Welt, feucht, oft sumpfig, nicht bewirtschaftet. Im Hohen Venn herrscht eine Bewuchsanarchie aus hüfthohen Gras- und Farnwäldern, Blau- und Rauschbeeren, Krüppelkiefern und Baumstümpfen, aus rottendem Totholz und kleinwüchsigen Birkengruppen. Holzstege führen über die matschigsten Abschnitte.

Wenn grade mal kein Bächlein plätschert, herrscht Stille. Kaum wahrnehmbare Tiere, selbst Mücken ist das Milieu im Hochmoorland zu sauer. In vielen Ecken der Bachläufe mit dem typisch vennbraunen Wasser finden sich runde weiße Schaumteppiche. Umweltfrevel? Nein. Verschiedene Eiweiße strudeln sich hier zusammen. Die Teppiche heißen Vennkuchen.

Belgiens Gipfel

„Ich frag mich grad“, sagt einer der Mitwanderer, „warum ich neulich in Kanada war, hier ist es doch genauso schön und wild.“ Elche und Rentiere fehlen allerdings, dafür gibt es Biber und seit 2018 vereinzelt Wölfe. Der leichte Aufstieg entlang des Bergbachs Hill führt schließlich über die weiten Hochmoorflächen. Er endet neben dem Naturparkzentrum am Signal de Botrange.

Das ist Belgiens Gipfel, 694 Meter hoch. Frühe Marketingcleverles haben hier vor hundert Jahren eine Steintreppe hingesetzt, ähnlich einer Gangway. Auf exakt 700 Meter geht es hoch für einen besonders ergiebigen Weitblick.

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Belgiens Osten lag immer zwischen allen Kulturen, Sprachen und Einflusssphären, hier haben die Könige, Generäle und deutsche Verbrecher wie Hitler immer wieder ihre Pflöcke neu eingeschlagen. Grenzen haben sich ständig verschoben, Schmuggel und Fluchtrouten folgten.

Das Gebiet „Eupen-Malmedy“ etwa gehörte lange zu Preußen, heute ist das eine das Zentrum der deutschsprachigen Belgier, das andere frankofon. Das Hohe Venn zwischen Eupen und dem kaum 30 Kilometer weiter südlich gelegenen Malmedy wirkt wie eine kulturelle Mauer. Es gibt keine Busverbindung, was auch der Touristiker Jef Schuwer massiv bedauert: „Wir arbeiten daran. Aber es ist schwierig.“

Autos dagegen werden hofiert, eine im Vorjahr protzig ausgebaute Straße zerschneidet die Moorlandschaft. Die Strafe folgte umgehend, denn die überdimensionierte Piste trug ausdrücklich dazu bei, dass im Frühjahr nicht das Hohe Venn den begehrten Status Nationalpark der Wallonie erhielt, sondern das zauberhafte Tal der Semois weiter südlich in den Zentral-Ardennen.

Ferraris auf Sonntagsausflug

Apropos Autos: In Malmedy ist es schon am frühen Morgen mit der Ruhe vorbei. Von der Rennstrecke im nahen Francorchamps röhren die Motoren, mehrheitlich Ferraris auf Sonntagsausflug, die sich am Abend allein vor unserem Hotel im halben Dutzend aus vier Ländern zusammengerottet hatten.

Wir verlassen den ansonsten schmucken Ort zum dritten Trilogieteil gen Osten Richtung Lac de Robertville. Bald haben Plätscherbäche wieder die akustische Oberhand, es geht über enge Pfade oberhalb steiler Schluchten, entlang senkrechter und waagerechter Mooslandschaften durch ein Pilzparadies.

Die Wege durch die dichten Wälder sind auch bei strahlendem Sonnenschein düster, wie es sich für die geheimnisvoll dunklen Ardennen gehört.

Von der wild sprudelnden Warche führt der Weg schließlich steil hoch zur Burg Reinhardstein. Wir kommen ins Schnaufen. Da ist das blonde Sieben-Prozent-Bier im lauschigen Burghof schiere Labsal. Es trägt das Label Reinhardstein, gebraut wird es als Auftragsrezept woanders, wie so viele Biere in Belgien.

Dieses hier stammt aus den Sudkesseln eines Klosters weiter im Norden. Seit dem 13. Jahrhundert lebten dort mit Unterbrechungen Zisterziensermönche. Als 2002 wegen Nachwuchsmangels die letzten von ihnen ausgezogen waren, übernahm mit Virginie Harzé Bel­giens erste Brauerin die Produktionsleitung in dieser Männerdomäne.

Die letzte Teiletappe geht wieder Richtung deutschsprachiges Gebiet zum Trilogie-Finale in Bütgenbach. Das Wanderbegleitbuch verspricht für die Wälderwelt unterwegs „einen Hauch von Skandinavien und Kanada“. Na, passt doch.

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