Fernsehserie „Babylon Berlin“: Menschen, Fernsehen, Sensationen
ARD und Sky wollen endlich eine Serie auf internationalem Niveau machen und stellen mit großem Tamtam „Babylon Berlin“ vor.
Wenn die ARD ihr lang erwartetes Prestigeprojekt vorstellt, dann muss schon alles „sensationell“ sein. Der Ort: „geschichtsträchtig“, im Kino Babylon in Berlin-Mitte. Das Ambiente: „einzigartig“, weil die einzige fest angestellte Stummfilmorganistin Deutschlands spielt. Das Podium: „zukunftsweisend“, weil Vertreter der gebührenfinanzierten ARD, des Pay-TV-Senders Sky und der Produktionsfirma X-Filme zusammensitzen.
Es sind große Worte, die der Moderator des ersten Pressegesprächs zu „Babylon Berlin“ am Mittwoch bemüht. Berechtigt sind sie nur zum Teil.
„Babylon Berlin“ ist tatsächlich das größte Serienvorhaben, das in Deutschland jemals gestartet wurde. Zum ersten Mal kofinanzieren ein öffentlich-rechtlicher, ein Bezahlsender und eine unabhängige Filmproduktionsfirma eine Serie. Geschrieben wird sie von drei namhaften Autoren, die bisher ausschließlich Spielfilme gemacht haben: Tom Tykwer (“Das Parfüm“), Achim von Borries (“Was nützt die Liebe in Gedanken“) und Hendrik Handloegten (“Fenster zum Sommer“). Solche „Writers Rooms“, in denen mehrere Drehbuchautoren gemeinsam eine Serie schreiben, sind in Deutschland noch selten.
Er und X-Filme-Chef Stefan Arndt hätten lange nach einem Stoff gesucht, der das Berlin der zwanziger Jahre abbildet, erzählt Tom Tykwer. Diese „windige Epoche“ der Stresemann-Jahre, in denen es die Hoffnung auf ein florierendes Deutschland gab und noch niemand ahnte, dass kurz darauf die Nazis an der Macht wären, hätte ihn schon lange fasziniert. Er stieß auf die Romane von Volker Kutscher, die Krimiserie um den Berliner Kommissar Gereon Rath. Sie ist die Vorlage für „Babylon Berlin“.
16 Folgen aus einem Buch
Tykwer und seine Kollegen wollen sie weit ausdehnen. Aus den ursprünglich geplanten 8 Folgen sind – allein für das erste Buch der sechsteiligen Reihe – 16 geworden, aufgeteilt auf zwei Staffeln. Im April ist Drehstart, die Kulisse im Filmpark Babelsberg steht schon: Vier Berliner Straßen sind nachgebaut. 200 Tage wollen sie drehen, 300 Sprechrollen sind zu vergeben.
Kommissar Rath wird gespielt von Volker Bruch, der zuletzt unter anderem in „Fack ju Göhte 2“ und „Unsere Mütter, unsere Väter“ zu sehen war. Liv Lisa Fries, die Raths Freundin Charlotte spielt, war bisher eher in kleinen Fernsehproduktionen zu sehen. Es ist überraschend, dass die Macher bei einem so großen Projekt nicht auf Superstars setzen. Andererseits ist beispielsweise „Breaking Bads“ Walter White, Bryan Cranston, auch erst durch die Serie groß geworden.
Bei der Frage nach den Kosten werden die Damen und Herren auf dem Podium kleinlaut. Man bleibe „unter 40 Millionen“, sagt Produzent Stefan Arndt. 2,5 Millionen pro Sendestunde, das sei „oberstes internationales Niveau“, so Jan Mojto von Beta Film, die die Vermarktung übernehmen. Das Spannende aber: Wie sind die Kosten aufgeteilt? „Fair“, sagt ARD-Programmdirektor Volker Herres und grinst. „Nicht so fair“, sagt Vermarkter Mojto und grinst nicht.
Langer Vorlauf
So weit ist das also in der Tat sensationell. Weniger sensationell ist der lange Vorlauf der Serie. Bereits im Oktober 2013 wurde sie angekündigt. Zusätzlich sprechen die Senderverantwortlichen, Produzenten und Vermarkter auf dem Podium, als wäre „Babylon Berlin“ das erste deutsche Serienvorhaben mit internationalem Anspruch. Das stimmt natürlich nicht.
RTL hat mit „Deutschland 83“ im vergangenen Herbst eine hochgelobte und preisgekrönte Serie ausgestrahlt, der kleine Privatsender TNT zeitgleich „Weinberg“. Beide Produktionen waren weniger opulent und hatten weniger Geld. Trotzdem haben sie gezeigt, dass spannendes, serielles Erzählen auch in Deutschland möglich ist, sind aber beim Publikum durchgefallen.
Damit das nicht passiert, wollen ARD und Sky „Babylon Berlin“ prominent platzieren. Bei Sky wird die Serie 2017 zu sehen sein, in der ARD erst 2018. Ohne solch einen Kompromiss hätte die ARD Sky wohl nicht an Bord bekommen – und immerhin soll die Koproduktion auch ein Test sein. Wenn der gut läuft, wolle man in Zukunft häufiger zusammenarbeiten.
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