Fernsehprogramm Sonntag Abend: Tausche Will gegen Ball
Ab dem Sommer senden die Dritten am Sonntagabend Bundesligafußball - jeder für sich und alle gegen Anne Will.
Gerhard Delling kommt aus Büdelsdorf. Nicht bekannt? Bei Fockbek. In Schleswig-Holstein. Nord-Ostsee-Kanal. Klingelts? Nicht? Zugegeben, Delling hat seinen Heimatort längst an Popularität überholt. Vermutlich sogar in Fockbek. Dort, im Gebiet des Norddeutschen Rundfunks.
Und so holte NDR-Programmdirektor Frank Beckmann den Grimmepreis-prämierten Schlaks dorthin zurück, wo dieser einst seine Rundfunkkarriere startete. Delling wird vom Sommer an sonntags den "Sportclub" präsentieren. Der wird dann eine Stunde früher, um 21.45 Uhr, starten - und auch inhaltlich aufgehübscht: mit Zusammenfassungen der zwei Sonntagsspiele der Fußball-Bundesliga.
Deren Erstausstrahlungsrechte hatte sich die ARD im vergangenen November gesichert. Und sie sodann großzügig an die Dritten weitergereicht. Der NDR reagierte am schnellsten: Der "Sportclub" bekommt nicht nur Delling - sondern zudem das bekannteste weibliche Fußballgesicht: Monica Lierhaus wird mit Delling im Wechsel moderieren.
Diese Schritte dürften ein anderes bekanntes Gesicht in Bedrängnis bringen: Anne Will. Ihr Polittalk in der ARD auf dem 21.45-Uhr-Sendeplatz bekommt massive Konkurrenz. Denn Fußballfans müssen im Ersten bis zu den "Tagesthemen" um Viertel vor elf warten, ehe sie Fußball sehen dürfen. Bis dahin hat der NDR jedes Tor schon fünfmal gezeigt. So mancher Zuschauer wird Will gegen Ball tauschen.
Für Anne Will könnte die Änderung noch mehr bedeuten als den Verlust einiger Zuschauer - es geht um den lukrativen Nach-"Tatort"-Sendeplatz. Der ist Will bis zur Bundestagswahl wohl garantiert. Und dann? Der NDR könnte mit dem "Sportclub" eine bundesweit populäre Marke schaffen. Wird Anne Will im Ersten aus-, und werden Lierhaus und Delling eingewechselt? Die Verantwortlichen beschwichtigen: "Anne Will hat schon immer gegen Fußball gestanden", sagt ARD-Programmdirektor Volker Herres. Die Konkurrenz hieß bisher jedoch nur "Bundesliga - der Sonntag" im DSF - eine Dauerwerbesendung mit Fußballunterbrechungen und nur rund einer Million Zuschauern.
Die Dritten werden da schon mehr locken. Schließlich sendet nicht nur der NDR. Alle dürfen die Rechte nutzen, ergo wird im öffentlich-rechtlichen Dschungel jeder seines Weges gehen. Und so gaben der RBB und der Saarländische Rundfunk schon mal bekannt, von den Fußball-Rechten in ihren jeweiligen Nachrichtensendungen Gebrauch machen zu wollen. Der RBB will zudem seinen "Sportplatz" auf 22.15 Uhr vorziehen. Auch der HR wird eine neue Sportsendung für den Sendeplatz um 21.45 Uhr konzipieren.
Beim WDR wird derweil noch darüber diskutiert, wie man mit den neuen Möglichkeiten der aktuellen Fußballbilder umgehen soll. "An einem neuen Konzept wird gerade gearbeitet", sagt Pressesprecher Jens-Uwe Lindner, "die Rechte werden definitiv genutzt" - das ist alles. Der WDR wird eine neue Sendung erfinden müssen: Zurzeit laufen am Sonntagabend weder Nachrichten noch eine aktuelle Sportsendung. Dabei drängt der NDR die Kölner in die Defensive. Sollte der Fußball Anne Will im Ersten ablösen, wäre der NDR mit seinem neuen "Sportclub" momentan das einzige geeignete Sportformat für den Sendeplatz. Der WDR - Produzent der Samstags-"Sportschau" und bislang der führende Fußballsender in der ARD-Familie - muss reagieren.
Einen Wechsel ins Erste würde vor allem die Bundesliga begrüßen. In der ist man nämlich "verwundert, dass die Spiele in den späten Sonntagabend weggedrückt werden", wie sich Borussia Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke beschwerte. Auf lange Sicht ist jedoch vollkommen offen, wer am Ende wen wegdrückt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr