Fernsehen ohne schlechte Nachrichten: Generalangriff der Glückseligkeit
Der Fernsehsender Supreme Master Television erhört die Optimisten dieser Welt - und hält uns die schlechten Nachrichten vom Leib. Ernst wird es nur, wenn es um das Leben von Tieren geht.
"Hallo, reizende Zuschauer!", strahlt die junge Moderatorin im beigefarbenen Blazer in die Kamera. "Danke fürs Einschalten!", ergänzt ihr ebenfalls noch recht junger Kollege und lacht sein Publikum fröhlich an. "Willkommen zu Noteworthy News. Positive Nachrichten für eine bessere Welt." - Willkommen in einer Hölle des Lächelns.
Supreme Master Television ist ein privater Fernsehsender, der im September 2006 in Los Angeles gegründet wurde. Seit Ende 2007 ist er fast weltweit über Satellit zu empfangen. In Deutschland kann der Kanal über Astra 1 (19,2(o) Ost) und www.suprememastertv.com empfangen werden.
Der Fernsehkanal vertritt die Lehren der aus Vietnam stammenden Sektenführerin Supreme Master Ching Hai, die durch aufsehenerregende Spendenaktionen bekannt wurde. Genaue Zuschauerzahlen sind ebenso unbekannt wie die Eigentumsverhältnisse. Die kalifornische Zentrale lehnte Stellungnahmen gegenüber der taz ab.
Wer dieser Tage an seinem Satelliten-Receiver herumspielt, um die immergleichen Reality-Shows und Polit-Talks hinter sich zu lassen, auf den wartet eine ganz besondere Entdeckung: Supreme Master Television - ein Fernsehkanal, der nur gute Nachrichten sendet.
Seit Ende letzten Jahres ist die kalifornisch-buddhistische Weltverbesserungsmaschine fast weltweit über Satellit zu empfangen. Motto des Senders: "Erhabenheit und Spiritualität für ihr Leben." Unter konsequenter Ausblendung jeglicher negativer Nachrichten widmet sich Supreme Master Television dem Wahren, Schönen und Guten in der Welt. Herzenswarme Dankesgrüße gibt es für jeden noch so absurden Wohltäter. Die israelische Regierung blockiert den Gaza-Streifen? Kein Problem! Ein lächelnder Moderator freut sich, dass wenigstens ein paar Hilfsgüter durchgelassen werden. Die EU-Staaten sind uneinig beim Klimaschutz? Na und! Immerhin haben sie es versucht.
"Danke, Europa!", ruft eine salbungsvolle Stimme den Staatsoberhäuptern zu. Das Konzept des Kanals ist ebenso skurril wie einzigartig: Sendungen mit Namen wie "Vegetarier-Elite" oder "Erleuchtende Unterhaltung" werden zur besseren Verständlichkeit mit Untertiteln in bis zu 20 Sprachen versehen - gleichzeitig! Das Fernsehbild erkennt man dann zwar kaum noch, doch "internationaler Verständigung" ist ganz offensichtlich gedient. Neben dem atemlos dahingaloppierenden Gutmenschentum der seligmachenden Dankbarkeits-Shows propagiert der Sender vor allem die Vorzüge vegetarischer Ernährung. Praktische Tipps zur gesünderen Lebensführung wechseln sich dabei mit niedlichen Tier-Dokus ab. So süß, das kleine Rind, das kann man doch unmöglich essen wollen! Spätestens, wenn dann heldenhafte Vegetarier ein erblindetes Lämmlein aus einem australischen Buschfeuer retten, mag bei dem einen oder anderen Zuschauer allerdings die Frage aufkommen, ob die das eigentlich ernst meinen können. Sie können. Für Zynismus und Ironie ist kein Raum im Kosmos von Supreme Master Television.
Stattdessen werden in der Sendung "Human Heroes" hingebungsvoll Lebensretter und Alltagshelden geehrt, während sich "Golden Hearts of 2007" ganz den großen Spendern und Wohltätern des vergangen Jahres widmet. Und als ob das nicht schon genug positive Energie wäre, wollen die Fernsehmacher jetzt auch noch mit ihrer Kampagne "Dont Wait - Meditate!" Arzt-Wartezimmer in Orte spiritueller Kontemplation verwandeln. Gehts noch?
Doch wer zur Hölle veranstaltet eigentlich diesen Generalangriff der Glückseligkeit? Meditierende Mönche auf Meskalin? Durchgeknallte New-Age-Freaks, die den Absprung nicht geschafft haben? Noch ein irrer Psycho-Kult aus Los Angeles? Nicht ganz. Betrieben wird der skurrile Sender von einem Heer sympathisch-erleuchteter Hobby-Funker, die allesamt Anhänger der amerikanischen Predigerin Supreme Master Ching Hai sind. Die 1950 in Vietnam geborene "Höchste Meisterin" bewirbt eine eklektizistische Spiritualität, die vor allem buddhistische und christliche Elemente enthält. Ihre meist harmlosen Jünger ernähren sich vegetarisch, leben umweltbewusst und sollen sich etwa zweieinhalb Stunden täglich in der sogenannten "Quan Yin"-Meditation üben. Die Meisterin selbst ist eines jener illustren Gewächse, wie sie vielleicht nur im spirituell aufgeschlossenen Südkalifornien Wurzeln schlagen können. Ihre offizielle Biografie liest sich wie eine Heilsgeschichte.
Angeblich las sie schon als kleines Mädchen in Vietnam philosophische Schriften, lernte dann verschiedene Weltreligionen kennen und fand schließlich irgendwann in einem Kloster im Himalaja zur totalen Erleuchtung. Über die Jahre dazwischen gibt sich die höchste Meisterin etwas zugeknöpfter. Klar scheint jedoch, dass sie in den Siebzigerjahren einige Zeit in Deutschland lebte und mit einem deutschen Arzt verheiratet war. Auch von einem Studium in England ist in ihrer Biografie die Rede. Böse Zungen behaupten, es habe sich dabei wahrscheinlich um Betriebswirtschaftslehre gehandelt, denn mittlerweile ist Ching Hai mindestens ebenso sehr für ihre Geschäftstüchtigkeit bekannt wie für ihre spirituellen Lehren.
Neben einer Kette vegetarischer Restaurants schöpft die Erleuchtete ihren beträchtlichen Wohlstand vor allem aus ihren künstlerischen Aktivitäten. So hat sich Ching Hai nicht nur als Malerin einen Namen gemacht, sondern vertreibt auch ihre eigenen Schmuck- und Modekollektionen, unter anderem die Reihe "Himmlische Kleidung". Einer breiteren Öffentlichkeit wurde Ching Hai erstmals 1996 bekannt, als sie Bill Clinton 600.000 Dollar spendete. Der ohnehin von Skandalen geplagte US-Präsident gab das Geld zurück. Zu dubios erschien seinen Beratern die Predigerin, zu gefährlich die Annahme des Geldgeschenks. Der folgende Presserummel lenkte erstmals die Aufmerksamkeit auf die Schattenseiten der gutgelaunten Erleuchtungsmaschinerie. Vor allem der grassierende Personenkult unter den Anhängern der Meisterin rief besorgte Reaktionen hervor.
So berichtete etwa das Time Magazine von einer Feierstunde in Taiwan, bei der sich die in eine Königsrobe gekleidete Ching Hai angeblich auf direkten Befehl Gottes mit einer Sänfte durch jubelnde Massen tragen ließ. Auf die Frage hin, ob sie sich für die Erlöserin halte, verblüffte Ching Hai einen Zeitungsreporter mit den Worten: "Ach, ob man ein Messias ist, oder ein Journalist - wo ist der Unterschied?"
Wie viele Anhänger die Lehren der selbstbewussten Dame mittlerweile haben, weiß niemand so genau. Sie selbst spricht von mehreren Hunderttausend, die sich vor allem auf Taiwan und die asiatische Einwanderergemeinde in Kalifornien konzentrieren. Staatliche Stellen halten das für stark übertrieben. In Deutschland praktizieren höchstens drei- bis vierhundert Menschen die von Ching Hai weitergegebene "Quan Yin"-Meditation. Ihre kleinen Meditationszentren - häufig nur ein einzelner Raum - finden sich in Düsseldorf, Berlin, Hamburg und München.
Auch der Fernsehkanal der Erleuchteten ist hierzulande eher unterrepräsentiert. Ein einzelner Anhänger vertritt den Sender in seiner Freizeit, und die Übersetzungen für die vielen Untertitel werden von ein paar ehrenamtlichen Mitarbeitern produziert. Die Texte laufen in Berlin zusammen, wo die ehemalige Lehrerin Gisela Gundlach die oftmals etwas unbeholfenen Sätze ihrer Kollegen redigiert. "Geld würde ich dafür nicht wollen", sagt die studierte Germanistin. "Wir machen das alle aus persönlicher Überzeugung."
Den Enthusiasmus seiner Mitarbeiter merkt man Supreme Master Television an. Ihre Unerfahrenheit im Fernsehgeschäft leider auch. Dem Programm fehlt es ganz eindeutig an Auswahlprinzipien. Gesendet wird, was die fröhliche Dilettantenschar eben gerade zuliefert. Besonders auffällig wird das bei den Nachrichten. Zwischen bäumepflanzenden Präsidenten und segensreichen Friedensverträgen gratuliert die Moderatorin auch schon mal mitten im Januar den fränkischen Biobauern zu ihrer erfolgreichen Zwetschgen-Ernte. Aber sie können auch anders: In den wenigen ernsthaften Momenten von Supreme Master Television geht es meist um den Klimawandel. Für Berichte über die Erderwärmung hat die höchste Meisterin sogar das ansonsten so unumstößliche Positivitätsgebot vorübergehend aufgehoben. Stattdessen schreit ein schludrig animierter Zeichentrick-Erdball dem Zuschauer apokalyptische Parolen entgegen.
Wenn du nicht umdenkst, ist das Ende nah! Schon 2012 könnte alles vorbei sein! Die Meisterin selbst analysiert blitzgescheit und messerscharf: "Wenn das Eis schmilzt, kommt das Gas aus dem Ozean. Dann werden wir alle vergiftet." Und der süße kleine Eisbär aus dem Video ertrinkt Keine fünf Minuten dauert die düstere Warnung, dann geht es wieder weiter in eine fröhliche Zukunft. Auf dem Programm steht eine Wissenschaftssendung. Es geht - natürlich - um Außerirdische. Ching Hai zeigt sich auch hier gut informiert: "Einige Welten spezialisieren sich darauf, UFOs zu produzieren, und exportieren sie auch zu anderen Planeten", weiß die Erleuchtete aus sicherer Quelle. Lachend fügt sie hinzu: "Vielleicht kauft auch unsere Welt eines Tages ein oder zwei UFOs." Dann besteht ja noch Hoffnung.
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