Fernsehduell Obama gegen Romney: Der Herausforderer schlägt sich gut
Ein müder Obama hat das erste von drei Fernsehduellen gegen seinen Konkurrenten Romney verloren. Ein US-Magazin meint: „Unstrittig: Obama ist gestolpert.“
DENVER afp | Bevor US-Präsident Barack Obama in das erste TV-Duell mit seinem republikanischen Herausforderer Mitt Romney einsteigt, schlägt er sanfte Töne an. Auf den Tag genau vor zwanzig Jahren habe er seine Frau Michelle geheiratet, sagt Obama.
Der Präsident schickt Liebesgrüße an die Gattin und das Versprechen, im kommenden Jahr den Hochzeitstag nicht vor den Augen von Millionen Fernsehzuschauern zu begehen. Anschließend streitet er mit Romney über die schwächelnde Konjunktur, die Arbeitslosigkeit, die hohe Staatsverschuldung. Dabei macht der Präsident keine überzeugende Figur.
Nach hunderten Wahlkampfauftritten im ganzen Land, 500 Millionen Dollar für zumeist negative Werbespots und zahllosen auf Distanz ausgetragenen Scharmützeln stehen sich Obama und Romney am Mittwochabend an der Universität Denver erstmals direkt gegenüber.
Der Herausforderer geht von Beginn an in die Offensive, wirft dem Präsidenten vor, die Wirtschaft auf einen „erfolglosen Pfad“ geführt zu haben. Bei einer Wiederwahl Obamas drohten eine „chronische Arbeitslosigkeit“ und ein „Auspressen“ der Mittelschicht.
Obama attackiert nicht
Während der 65-jährige Romney energisch die Arbeitslosenquote von mehr als acht Prozent anprangert, wirkt Obama nervös und manchmal fast ein bisschen gelangweilt. Der Republikaner blickt den Präsidenten stets mit festgezurrtem Lächeln an, der 51-jährige Obama senkt dagegen öfter den Blick auf sein Rednerpult, schließt die Augen, presst die Lippen zusammen.
Obama verteidigt sich mit dem schweren Erbe, das er von seinem Vorgänger George W. Bush übernommen habe. Unter seiner Regierung habe sich das Land aus der schwersten Krise seit der Großen Depression in den 1930er Jahren „zurückgekämpft“, sagt der Präsident. Romney wirft er vor, die Mittelschicht zu Gunsten von Steuergeschenken für die Reichen schröpfen zu wollen.
Die Schwachpunkte, die Romneys Kampagne zuletzt schwer zugesetzt haben, spricht Obama nicht an. Der Präsident verzichtet auf Attacken zur umstrittenen Vergangenheit des Republikaners als Finanzinvestor bei Bain Capital und schweigt zu Romneys undurchsichtigen Steuererklärungen. Ebenfalls unerwähnt bleibt das Video, in dem sich sein Herausforderer geringschätzig über jene „47 Prozent“ äußert, die wegen ihrer Abhängigkeit von staatlichen Leistungen ohnehin Obama wählen würden.
Seit vergangenem Herbst hat der Präsident in den meisten landesweiten Umfragen die Nase vorn, wenn auch knapp. Obama hat auch den klareren Weg zu den 270 Wahlmännerstimmen, die ein Kandidat am 6. November in den Bundesstaaten für den Sieg einsammeln muss. Der Amtsinhaber liegt in vielen der womöglich entscheidenden „Swing States“ in Führung – darunter Ohio, ohne das ein Republikaner noch nie in der US-Geschichte ins Weiße Haus eingezogen ist.
Auf Romney lastet vor der Debatte der größere Druck. Während Obama schon durch sein Amt staatsmännisch erscheint, muss Romney die Wähler nicht nur überzeugen, dass er die bessere Politik vertritt. Er muss auch beweisen, dass er die Statur hat, das Land als Präsident zu führen. Mit dem starken Auftritt dürfte Romney sein Image nun spürbar verbessert haben.
In einer Erhebung des Nachrichtensenders CNN geben 67 Prozent der Befragten im Anschluss an, dass der Republikaner die Debatte für sich entschieden hat. Nur 25 Prozent halten Obama für den Sieger. „Ich denke, es gibt keinen Zweifel daran, dass Romney gewonnen hat“, sagt Politikwissenschaftler Terry Madonna vom Franklin and Marshall College. „Er war dynamischer, ohne provokativ zu sein.“ Das Online-Magazin Politico titelt: „Unstrittig: Obama ist gestolpert.“
Den Hochzeitstag mit Michelle, den Obama zu Beginn des Duells anspricht, nutzt Romney für einen kleinen Scherz. „Herzlichen Glückwunsch, Mr. President“, sagt er. „Ich bin sicher, hier bei mir ist der romantischste Ort, den Sie sich vorstellen können.“ Nach seiner mäßigen Debattenleistung dürfte sich Obama wohl tatsächlich gedacht haben, dass es besser gewesen wäre, den Abend alleine mit seiner Frau zu verbringen.
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