Ferguson-Protest in den USA: Alles „richtig gemacht“
In vielen Städten der USA haben Bürger wegen Ferguson protestiert. Präsident Obama mahnt vor Gewalt. Der Polizist Wilson sagt, er habe ein „reines Gewissen“.
FERGUSON ap/dpa/afp | Die Wut über den Gerichtsentscheid im Fall des in Ferguson erschossenen Jugendlichen Michael Brown erfasst weite Teile der USA. Wie der Sender CNN berichtete, gingen Demonstranten in New York, Los Angeles, San Francisco sowie etwa 170 weiteren Städten auf die Straße. In vielen von ihnen legten die Menschen den Verkehr lahm.
In Ferguson kam es in der Nacht auf Mittwoch zu Zwischenfällen. Demonstranten blockierten Straßenkreuzungen und griffen einen Wagen der Polizei an. An der Polizeizentrale des Vorortes von St. Louis versammelte sich eine Menschenmenge. Die Polizei forderte die Demonstranten auf, die Straßen zu räumen, und drohte mit Festnahmen. Nach Angaben eines dpa-Reporters wurden mindestens zwei Menschen festgenommen.
Die Demonstranten hatten sich am Dienstagabend (Ortszeit) für eine zweite Nacht in Folge vor dem Polizeidezernat der Stadt versammelt, nachdem eine Grand Jury entschieden hatte, den Polizisten Darren Wilson nicht wegen seiner tödlichen Schüssen auf den unbewaffneten schwarzen 18-Jährigen Michael Brown anzuklagen.
Trotz zahlreicher Festnahmen war das Bild auf den Straßen von Ferguson zuletzt größtenteils deutlich anders als noch in der vorherigen Nacht. Da war es noch zu Unruhen und Plünderungen gekommen, etliche Gebäude und Polizeiautos waren angezündet worden. Einige Stunden nach Einbruch der Dunkelheit hatte eine kleine Gruppe Demonstranten am Dienstagabend jedoch einen weiteren Streifenwagen vor dem Rathaus der Stadt im US-Staat Missouri angesteckt. Polizeibeamte löschten das Feuer und gingen mit Tränengas gegen die gewalttätige Gruppe vor.
Auslöser der Proteste war die Entscheidung von Geschworenen in Ferguson bei St. Louis im US-Missouri, einen weißen Polizisten nicht vor Gericht zu bringen, der den schwarzen unbewaffneten Teenager Michael Brown erschossen hatte. Der Polizist Darren Wilson hatte Brown im August mit mehreren Schüssen niedergestreckt, weil er sich bedroht fühlte. Unmittelbar nach Bekanntgabe der Jury-Entscheidung waren in Ferguson in der Nacht auf Dienstag schwere Unruhen ausgebrochen. Es gab Plünderungen, Häuser und Autos wurden in Brand gesetzt.
Obama mahnt und zeigt Verständnis
US-Präsident Barack Obama hat die Gewaltexzesse in Ferguson verurteilt und zur Zurückhaltung gemahnt. Es gebe „keine Entschuldigung“ dafür, Gebäude und Fahrzeuge anzuzünden, Eigentum zu zerstören „Menschen in Gefahr zu bringen“, sagte Obama am Dienstag in Chicago und bezog sich auf Ausschreitungen in der Nacht zuvor. Obama verurteilte die Krawalle in der Stadt im Bundesstaat Missouri als „kriminelle Akte“ und forderte, dass alle Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Er habe kein Verständnis für Menschen, die ihre eigenen Gemeinden zerstörten.
Obama äußerte zugleich Verständnis für das Gefühl vieler Menschen, dass Gesetze „nicht immer einheitlich oder gerecht“ angewandt würden. Er sprach vor diesem Hintergrund von einem „amerikanischen Problem“. Er habe aber noch nie erlebt, dass ein Gesetz Realität wurde, „nur weil ein Auto angezündet wurde“. Der Präsident rief daher die Demonstranten dazu auf, „konstruktive“ und friedliche Mittel zu wählen, um ihre Ziele zu erreichen und Probleme zu lösen.
Der Polizist Wilson sagte unterdessen am Dienstag dem Sender ABC, er habe ein „reines Gewissen“, weil er wisse, dass er seinen Job „richtig gemacht“ habe. Er habe um sein Leben gefürchtet und deshalb auf den 18-jährigen Brown geschossen. Er beschrieb den Teenager als „kräftigen“ Typen. „Er wollte mich töten“, sagte der Polizist. Er habe befürchtet, dass Brown ihm seine Dienstwaffe entreißen und sie auf ihn richten könnte.
Danach befragt, ob er auch so gehandelt hätte, wenn Brown weiß gewesen wäre, sagte der Polizist: „Ja, (...) keine Frage.“ Alles, was er sich nun aber wünsche, sei, dass er mit seiner neuen Frau „ein normales Leben“ führen könne. Der Polizist ist derzeit beurlaubt.
Leser*innenkommentare
HARRY HIRSCH
Gerda Fürch
Der Polizist Darren Wilson lügt! Weil er lügen muß, um nicht angeklagt zu werden. Weil er beruflich und privat zum Lügen angeleitet und aufgefordert worden ist.
Deshalb muß der Fall von einem neuen Gericht aufgerollt und neu untersucht werden!
Auch der Erschossene hat n a c h seinem Tod ein Recht auf Verteidigung und Rechtfertigung! Nicht nur der Täter!
Der Täter wird kein "normales" Leben mit einem "reinen Gewissen" führen können. Oder doch?
Außerdem: Ich will keine "amerikanischen Verhältnisse", nicht in Europa und nicht in Deutschland. Das wäre verheerend.
"I don't blame the democrat Barack Obama. He knows what he is talking about the big social fights between Blacks/Browns and the Whites in the USA."
KarlM
Das Spurenbild und die Sektionsergebnisse legen nahe das Wilson ziemlich dicht bei der Wahrheit geblieben ist.
Und fabulierne Sie besser nicht von nicht existenten "amerikanischen Verhältnissen", denn die gibst nicht.
Gerda Fürch
@ karlm
Es gibt sehr wohl "amerikanische Verhältnisse" und "europäische Verhältnisse"!
Darum geht es nämlich bei TTIP, CETA und TiSA.
Gehören Sie zur "Generation Merkel" oder zur "Generation Kohl-Genscher"? Dann können Sie das natürlich nicht wissen, den wesentlichen Unterschied zwischen "amerikanischen Verhältnissen" und "europäischen Verhältnissen"!
Spider J.
Was für ein Weichei. Wie kann man denn Polizist werden, wenn man es noch nicht mal schafft sich ohne Waffengewalt gegen einen Teenie zu wehren?
2284 (Profil gelöscht)
Gast
Er hatte Angst, dass der Teenager ihm seine Dienstwaffe entreißen könnte?
Wenn das so stimmt, scheint es grundsätzlich gefährlich zu sein, Polizisten zu bewaffnen, weil die ja scheinbar nicht besonders gut ihre Dienstwaffe verteidigen können. Mmhh, ist dasselbe wie mit dem vermeintlichen "Angriff" auf die Davidwache, wo die Beamten sich, wie sich später herausstellte, scheinbar in der Straßenseite geirrt haben. Wenn man die Aussagen zu Ende denkt, bleiben nur die Schlüsse, dass die Beamten entweder dummdreiste Lügner, oder vollkommen mit ihrer Tätigkeit überfordert sind. In beiden Fällen sollte dringend über ihre Befugnisse nachgedacht werden!
Ardaga
Aus den USA nichts neues.
Bei uns in Brasilien ist das polizei(staat)liche Töten (rassische Säuberung) an schwarzen männlichen Jugendlichen um 600-1000% "erfolg"reicher. Und keiner geht auf die Strasse. Noch! Da zeigt sich ein grosser Unterschied zwischen "denen" im Norden und uns. Denn AfroamerikanerInnen in Fergusson (und "Rest"-US) können auf eine Tradition zurück greifen. Der (auch bei uns) viel gepriesene und mediengepushte MLK. Und die (auch bei uns) penibel verschwiegenen Black Panthers und Malcolm X. Die, scheints, trotz gezielter Ausmerzungs"politik" (Ausführungsorgan FBI) nach wie vor am Leben sind. Wenn nun die (allzu verständliche) Wut noch in Organisation und Strategie umschlüge, wer weiss, vielleicht kämen Huey Newton und Genossen doch noch zu flächendeckenden Erfolgen. Am besten bis runter nach Rio Grande do Sul!
Dudel Karl
"Der Polizist Wilson sagt, er habe ein reines Gewissen."
Das ist das Problem. Den Leuten wird das Schuldbewußtsein abtrainiert. Juristisch werden sie auch bei grob farhlässigem, vielleicht sogar bei vorsätzlichem Handeln, protektioniert. Das wissen sie und daher sitzt der Colt locker.
Die Staatsgewalt soll wie einst der Papst als unfehlbar gelten. Fehler werden systematisch verschwiegen, geleugnet, beschönigt.
KarlM
Könnenn Sie die These vom abtrainierten Schuldbewußtsein auch freundlicherweise belegen?
Bei begründeter Notwehr muss sich niemand einen Vorwurf machen, warum auch?
Dudel Karl
Das ergibt sich logisch aus den Tatsachen. Habe ich übrigens jüngst auch belegt, anhand offizieller polizeilicher Autosuggestionstrainings zur Senkung der Tötungshemmschwelle von US-Cops, wie Sie ja wissen.
Ob ähnliche Methoden psychologischer Art auch in Europa angewandt werden, weiß ich nicht, es wäre aber logisch.
Leo Ari
@Dudel Karl Wenn er sich auf Notwehr beruft, kann er schlecht sagen, er hätte kein reines Gewissen. Das würde die Notwehrthese ad absurdum führen.
Ute Krakowski
@Leo Ari Wenn er ein Gewissen hätte, würde er (vielleicht) nicht so freigiebig von der Schusswaffe Gebrauch machen.
KarlM
Es gibt derzeit keinen Nachweis oder auch nur Anhalt für einen "freigiebigen" Schusswaffengebrauch..
Oder wie weisen Sie diesen angeblichen Missbrauch nach?
Wenigstens Indizien?
Dudel Karl
@KarlM Die Toten sprechen für sich.
KarlM
@Dudel Karl Das geht aber gerade für den B. heir sehr negativ aus!
Ute Krakowski
@KarlM Was ist der "B."?
Dudel Karl
@Ute Krakowski Sie wissen doch: Bei manchen Leuten haben Menschen keine Namen, nur Nummern oder Kürzel. Man braucht die Distanz zum Menschlichen, um nicht mit eigenen Gefühlen oder Skrupeln konfrontiert zu werden. Das ist Teil der manipulatorischen Strategien der Staatsgewalt, mit denen die Bediensteten diensttauglich verroht werden.
KarlM
Es gibt derzeit keinen Nachweis oder auch nur Anhalt für einen "freigiebigen" Schusswaffengebrauch..
Oder wie weisen Sie diesen angelichen Missbrauch nach?
Wenigstens Indizien?
Ute Krakowski
@KarlM 12 Schüsse auf einen Unbewaffneten bezeichnen Sie nicht als "ausgiebigen Schusswaffengebrauch?" Vielleicht erst ab 20 Schüssen pro "Gebrauch"?
KarlM
Es ist nicht relevant ob der Angreifer "bewaffnet" ist, sondern ob ein rechtswidriger Angriff gegenwärtig ist!
Wenn dabei die Voraussetzungen für einen Schusswaffengebrauch gegeben sind, wird (das ist ausbildungsmäßig fast überall auf der Welt gleich) geschossen bis "sichtbar Wirkung" eintritt. Aus guten Gründen wird sich dabei niemand auf eine hypothetische Schusszahl festlegen, sondern nur auf die tatsächliche Wirkung beziehen.
Leo Ari
Die Anzahl der Schüsse spielt keine Rolle.
Wenn eine Situation vorliegt, in der tödliche Gewalt aus Notwehr legitim ist, um Ihr eigenes Leben zu retten, dann ist es wurscht, ob Sie das mit 1 oder 20 Schüssen tun.
Und wenn Notwehr nicht vorliegt, dann ist auch schon ein Schuss zu viel.
Ihnen muss auch bewusst sein, dass die unmittelbare Wirkung von Schusswaffen ziemlich unberechenbar ist.
Der eine sackt bei einem Treffer ins Bein sofort zusammen, ein anderer kämpft mit 10 Treffern in den Torso noch weiter, bis er irgendwann verblutet.
KarlM
@Leo Ari genau die Unvorhersagbarkeit ist das Problem!
Ute Krakowski
Wie gesagt - Lizenz zum Töten!
Im Zweifelsfall hat der Cop recht.
KarlM
Das ist eine sehr infantil naive Sichtweise. Nach der Rechtslage ist sie falsch und mehr vom Wunsch nach solchen Umständen denn Fakten getragen.
Un zum Fall: Nö, dem Schützen muss schon nachgewiesen werden das er rechtswidrig gehandelt hat!
Sie möchten doch sicher auch nicht nur aufgrund von vorgefasster Meinung und Unterstellungen angeklagt, gar verurteilt werden?
Ute Krakowski
Nachdem ich mir nun den Autopsie- Bericht mal ein bißchen angeschaut habe, fällt es mir immer schwerer an Notwehr zu glauben und auch Ihre Argumentation nachzuvollziehen.
Sie haben ja mal was vorgebracht, dass die Darstellung des Cops glaubhaft sei, weil mit den Schussverletzungen vereinbar. Nun ist aber zu sehen, dass er, neben den vielleicht leichteren Schussverletzungen an Hand und Unterarm, einen Durchschuss hatte am Oberarm. Dann zwei Schüsse in die Brust (von oben nach unten). Im Kopf gab es einen Einschuß in der Stirn, der am rechten Kiefer rausgekommen ist und einen nahe der Scheitelmitte, ebenfalls Richtung rechts unten, ist im Hirn stecken geblieben.
Das fällt mir nun wahrlich ein bißchen schwer mit einer Notwehrsituation zu vereinbaren, zumal der Junge ja wohl ziemlich groß war.
Was Ihre letzte Äußerung angeht: Ich bin nicht an Stelle der Staatsgewalt und habe eher die Erfahrung gemacht, dass das Recht auf deren Seite steht, aber nicht unbedingt auf meiner.
Ute Krakowski
@Ute Krakowski Und ganz nebenbei: bei dieser Verhandlung ging es noch gar nicht um die abschließende Feststellung von Schuld oder Unschuld, sondern lediglich um die Frage, ob überhaupt ein Prozess eröffnet wird, oder von vorne herein kein Anlass besteht (was ja im Umkehrschluss bedeutet: das Opfer war schuld).
KarlM
Genau, geprüft wurde ob die Sachbeweise zur Eröffnung eines Verfahrens ausreichen.
Dabei wird natürlich auch geprüft ob sich Anhaltspunkte für rechtswidriges Verhalten des W finden lassen, oder nicht?
Das in diesem Fall der Geschädigte die Hauptschuld an seinem Ableben hat, erschließt sich für mich sehr konkludent aus Spurenbild und Autopsieberichten.
KarlM
Genau, geprüft wurde ob die Sachbeweise zur Eröffnung eines Verfahrens ausreichen.
Dabei wird natürlich auch geprüft ob sich Anhaltspunkte für rechtswidriges Verhalten des W finden lassen, oder nicht?
Das in diesem Fall der Geschädigte die Hauptschuld an seinem Ableben hat, erschließt sich für mich sehr konkludent aus Spurenbild und Autopsieberichten.
KarlM
Die Auflistung der Schussdefekte hatte ich schon vor geraumer Zeit dargelegt.
Zuden beiden Schussdefekten am Schädel (wobei daran zu erinnern ist dass die Reihenfolge nicht belegbar ist, sondern nur vermutet werden kann:
1. Wegen des möglichen Koordinationsverlustes sind die Kopftreffer wohl zu letzt erfolgt.
2. Die Lage der Schusskanäle legt eine abtauchende Vorwärtsbewegung des B. nahe.
Interpretation:
a) Der B. war (ohne das die bisherigen Treffer diese begründen können) im Fallen begriffen. Dabei hat er sich nicht direkt auf den W. zubewegt sondern dessen Schussrichtung geschnitten. Dadurch trafen die auf die Schulter gezielten Schüsse den Kopf.
b) Der B. hat versucht durch Vorneigen möglichst schnell den W. anzugreifen und ist so in die Schussachse hineingelaufen.
Aufgrund der Trefferverteilung kann vermutet werden das der W. versucht hat hier entgegen seiner Ausbildung nicht die Mitte des Oberkörpers zu beschießen, sondern Extremitäten und die rechte Schulter.