Feminismus in der DDR: Eingaben auf Augenhöhe
Eine Ausstellung in der Gethsemanekirche erinnert an die DDR-Frauenbewegung. „Gemeinsam sind wir unerträglich“ stellt Initiativen und Orte vor.
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Die Gethsemanekirche ist am 23. November 1989 voller Frauen. In einem Foto stehen sie eng beieinander. In den Gesichtern spiegeln sich Ungeduld und Anspannung. Gut 34 Jahre später wird dieses Foto vom Frauenforum zum Aufhänger der Ausstellung „Gemeinsam sind wir unerträglich“ und verstellt den Blick auf den Altar.
Dieser in den 1980ern für DDR-Fraueninitiativen überaus wichtige Kirchenraum ist auch die erste Station einer Wanderausstellung über die unabhängige Frauenbewegung in der DDR. Auf den zehn Schautafeln wechseln sich Schwarzweißfotos ab mit Dokumenten aus der Bewegung. Es sind verwaschen aussehende Zettel, häufig bis auf den letzten Zentimeter mit der Schreibmaschine gefüllt oder locker mit Notizen beschmiert, um dann plötzlich in Zeichnungen überzugehen.
Die Kuratorinnen Ulrike Rothe und Rebecca Hernandez Garcia haben über sieben Monate recherchiert mit dem Ziel, sich der DDR-Frauenbewegung über deren eigene Dokumente anzunähern. Sie stellen die verschiedenen Initiativen vor und beleuchten den schwierig-gefährlichen Raum der begrenzten Öffentlichkeit unter dem fragilen Dach der evangelischen Kirche – immer im Fokus der Stasi.
Und sie erzählen im Herzstück der Ausstellung, wie aus vielen unterschiedlichen, regionalen Frauengruppen in den letzten DDR-Jahren eine Frauenbewegung entsteht, die in der Wendezeit vor Aktivität schier explodiert.
„Gemeinsam sind wir unerträglich“: Bis 12. 12. in der Gethsemanekirche, ab 11. 1. im Campus der Demokratie
Neben „Frauen für den Frieden“, die sich 1982 dezentral in verschiedenen Städten als Reaktion auf das neue Wehrgesetz vernetzen, wird die komplizierte Gemengelage der Lesben in der späten DDR beleuchtet. Sie leiden unter einer doppelten Diskriminierung – als Frauen und als nicht heterosexuelle Menschen. Es sind die „Lesben in der Kirche“, die für sich den Slogan „Gemeinsam sind wir unerträglich“ entdecken, ihn mit einem kämpferischen Logo ausstatten und als Postkarte verbreiten.
Debatten über feministische Theologie
Gleichzeitig wird in der protestantischen Kirche, gefördert durch Pastorinnen und Ehefrauen von Pfarrern, immer mehr über feministische Theologie debattiert. Die Kulturwissenschaftlerin Irene Dölling bringt die Diskrepanz zwischen offizieller Ideologie und Lebensrealität 1980 auf den Punkt: „Die Erwerbstätigkeit der Frau ist nicht gleichzusetzen mit ihrer Emanzipation, jene ist eine wesentliche Voraussetzung für diese, aber nicht diese selbst.“
Beeindruckend ist die unglaubliche Vielzahl an Tagungen – gezeigt an einer speziellen Landkarte –, die von den unterschiedlichsten Frauengruppen an allen erdenklichen Orten der DDR im Schutz der Kirche abgehalten wurden und die maßgeblichen Anteil daran hatten, dass in der DDR eine unabhängige Frauenbewegung entstehen konnte.
SED und Frauenbewegung treffen aufeinander, indem die Frauen das einzige ihnen zur Verfügung stehende Mittel, ihr Anliegen an die Öffentlichkeit zu bringen, nutzen: die Eingabe. So schreibt Bärbel Bohley 1982 an Erich Honecker: „Wir Frauen erklären uns nicht bereit, in die allgemeine Wehrpflicht einbezogen zu werden.“ Was alle Eingaben, die in der Ausstellung zu sehen sind, vereint, ist die Kommunikation auf Augenhöhe, die die Frauen von der SED-Nomenklatura einfordern.
Welcher Gefahr sie sich dadurch in einem repressiven Staat aussetzen, war den Frauen bewusst. Für den Fall einer Verhaftung hatten Mütter Vollmachten für den Verbleib der Kinder ausgestellt. Die Frauengruppe Karl-Marx-Stadt bricht 1988 auseinander: von 14 IMs „zersetzt“ und betrauert in der Samisdat-Zeitschrift Lila Band. Von einem Mitglied, das den wahren Grund nicht ahnt und so überlegt, ob andere Frauengruppen „besser“ arbeiten.
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