Feiern bei Grimme: Berg- und Talfahrten ins Unklare
Neue Erkenntnisse zur Grimme-Zukunft gab es in Marl nicht. Aber getanzt wurde beim traditionellen Bergfest trotzdem, wenn auch auf eigene Kosten.
W ir haben immer schon geahnt, dass die deutsche Medienpolitik voll Generation Z ist und sich Zeit lässt. Was die Länder nun aus den Empfehlungen des Zukunftsrats bei ihrer Medienklausur in Bingen gemacht haben, ist zwar genau das „Rosinenpicken“, dass das Gremium ausdrücklich verboten hat. Aber vor allem ist alles noch schrecklich unfertig und daher eher mal unklar, wie es weitergeht.
Genau so sieht es ein paar Kilometer rhein- und Dattel-Hamm-Kanal-aufwärts in Marl aus. Da sitzt das Grimme-Institut, dem das Geld und eine überzeugende Idee fehlt, wie es weitergehen soll. Am Mittwochabend tanzte das traditionellen Bergfest, bei dem in der Jurywoche des Grimme-Preises Abgesandte der nominierten Produktionen auf die Juror*innen losgelassen und die Bert-Donnepp-Preise vergeben werden.
Richtig, das ist der Deutsche Preis für Medienpublizistik, und dieses Jahr ging er an Nadia Zaboura und Nils Minkmar für „Quoted. Der Medienpodcast“. Esra und Patrick Phul bekamen eine „Besondere Ehrung“ für ihr Projekt „Talent over Privilege“, das Filmschaffenden mit Migrationsgeschichte mehr Sichtbarkeit und vor allem Chancengleichheit verschaffen soll. Und der langjährige Leiter der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen, Hajo von Gottberg, wurde fürs Lebenswerk geehrt und dafür dass er alles nicht immer so kleinlich sah wie die meisten anderen Medienkontrollettis.
Neue Erkenntnisse zur Grimme-Zukunft gab’s in Marl aber nicht. Selbst Bürgermeister Werner Arndt – die Stadt ist immerhin Gesellschafter des Instituts – zuckte mit den Schultern. Was die Mitbewohnerin wohl zu den Gedankenstrichen sagen würde? Grimme-Direktorin Frauke Gerlach glänzte ganz durch Abwesenheit. Sie hört bekanntlich Ende April auf und wollte gar kein Bergfest in diesem Jahr.
Bettchen selbst zahlen
Das habe sie „schweren Herzens, nach reiflicher Prüfung und Überlegungen in unterschiedlicher Richtung“ abgesagt, hatte sie den Kolleg*innen von dwdl erklärt, weil die Kosten für Anreisen und Hotelübernachtungen nicht zu stemmen gewesen wären und sich zudem „die Jurywoche durch Auf- und Abbautage“ verlängert hätte. Das stimmt nicht ganz, weil die Nominierten ihre Fahrkarten und Bettchen selbst zahlen und der Förderverein eh zugesagt hatte, alle anfallenden Kosten zu übernehmen. (Offenlegung: Ich bin da Mitglied und war auch mal im Vorstand.)
Worauf das Ganze passend zur Situation bei Grimme auf Fördervereinskappe als „Berg- und-Talfest“ im Marler Theaterfoyer und beim angrenzenden Italiener stattfand. Weil es bei Grimme nämlich weitergeht. Und wer weiß – vielleicht berät das Institut demnächst auch wieder die deutsche Medienpolitik. Auch dafür hatte sich Frauke Gerlach ausgerechnet in einem Interview zum 50. Grimme-Geburtstag nicht zuständig erklärt. Nötig hätte sie’s aber. Also die Medienpolitik.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Rücktrittsforderungen gegen Lindner
Der FDP-Chef wünscht sich Disruption
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht