Fehlverhalten beim NDR in Kiel: Nur ein Anschein von Einflussnahme

Die Beratungsfirma Deloitte stellt ihren Bericht vor. Die Prüfer finden zwar diverse Fehler, aber kein systematisches Systemversagen.

Ein Mann zwischen zwei unscharf zu sehenden Frauen blickt in die Kamera

Frank Marzluf (m.) vom Wirtschaftsprüfungsunternehmen Deloitte bei der Vorstellung des Berichts Foto: Frank Molter/dpa

KIEL taz | Ein Versagen von Einzelnen, aber keine systematischen oder bewussten Fehler in der journalistischen Arbeit: So lautet das Fazit der Beratungsfirma Deloitte über das NDR-Landesfunkhaus Kiel. Im Auftrag des Landesrundfunkrates hatten sich Bilanz- und Wirt­schafts­prü­fe­r*in­nen mit Vorwürfen befasst, die im Sommer bekannt geworden waren.

„Wir standen vor einem Berg von Vorwürfen, die ins Mark trafen“, sagte die Vorsitzende des Rundfunkrats, Laura Pooth, bei einer Pressekonferenz in Kiel. Im August gelangten interne Berichte in die Öffentlichkeit, in denen Beschäftigte von einem „politischen Filter“ und einem „Klima der Angst“ in einzelnen Redaktionen berichteten.

Unter anderem sei ein Interview mit dem frisch entlassenen Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) untersagt worden, auch über eine Alkoholfahrt des CDU-Landtagsabgeordneten Hans-Jörn Arp berichtete der NDR nicht. In der Folge ging Landesfunkhausdirektor Volker Thormählen in unbezahlten Urlaub, Chefredakteur Norbert Lorenzen und Julia Stein, Leiterin des Bereichs Politik und Recherche, wurden von ihren Aufgaben entbunden.

Das Deloitte-Team um Franz Markluf, Leiter der Abteilung Forensik, las Akten, Berichte und Mails, sprach mit Beschäftigten und holte sich für die „journalistische Einordnung“ den Rat der Katholischen Journalistenschule IFP in München. Kommunikation und Strukturen seien durchaus eine Kompetenz seines Teams, sagte Markluf auf die Frage, warum Deloitte die richtige Firma für den Auftrag war. „Wir prüfen nicht nur Zahlen, Daten, Fakten.“

Klarere Rollen und Regeln

Sechs Fälle untersuchte das Team und fand diverse Fehler: So hatte es zwar eine Debatte in der Konferenz über ein Grote-Interview gegeben, aber der Mitarbeiter erfuhr nichts über die Gründe für die Absage. Über Arps Alkoholfahrt hätte der NDR berichten sollen. Im Fall einer Recherche zum Deutschen Roten Kreuz griff ein Vorgesetzter „nicht professionell-sachlich begründet“ ein, allerdings wohl nicht wegen politischer oder persönlicher Rücksichtnahme.

Der Name von Redaktionsleiterin Julia Stein war als Verantwortliche mehrerer Sendungen eingeblendet, obwohl sie eine Podiumsrunde auf dem Bauerntag moderierte – das hätte nicht sein dürfen. Kritik gab es auch an einem Reporter, der seinen Ehemann beim Wahlkampf um ein Bürgermeisteramt begleitete. Alles in allem sei aber ein systematisches Versagen nicht zu erkennen, so Markluf.

Pooth leitete einige Empfehlungen an den NDR ab. Dazu zählten Schulungen zum richtigen Verhalten und politischer Betätigung, um jeden Anschein von Bestechlichkeit oder Voreingenommenheit zu vermeiden. Auch sollten die Rollen von Führungskräften auf allen Ebenen klarer definiert sein, und für den Umgang mit Beschwerden müsste es Regelungen geben.

„Die Beschäftigten sind zu wenig gehört worden, das muss sich ändern“, sagte Pooth. Der Rundfunkrat selbst ging allerdings nicht mit gutem Beispiel voran: Statt den Deloitte-Bericht zuerst den Beschäftigten vorzustellen, gab es die Pressekonferenz, immerhin mit Livestream.

Laura Pooth, Vorsitzende des Landesrundfunkrates

„Die Beschäftigten sind zu wenig gehört worden, das muss sich ändern“

Lukas Knauer, freier Mitarbeiter im Kieler Landesfunkhaus und Mitglied im Vorstand des Landesverbandes Nord des Deutschen Journalistenverbandes, sagte nach der Pressekonferenz, die externe Prüfung sei wichtig: „Ich fand es gut zu hören, dass ein Eindruck der politischen Einflussnahme und zu großer Nähe zur Politik durchaus hätte entstehen können. Auch wenn es nur ein Anschein war, wir müssen daran arbeiten, dass das künftig nicht passiert.“

Die von Pooth genannten Maßnahmen seien „ein Schritt in die richtige Richtung“. Für Beschäftigte und Führungskräfte seien die vergangenen Monate aber sehr anstrengend gewesen: „Wir sind alle fertig mit den Nerven“. Erleichtert ist auch Redaktionsleiterin Julia Stein: „Am Ende bleibt nichts von den schwerwiegenden Vorwürfen gegen meine Arbeit.“

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