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Fehlgeburten und ÖffentlichkeitWenn Promis für Betroffene sprechen

Wenn bekannte Frauen offen über Fehlgeburten sprechen, schlägt ihnen oft Häme entgegen. Dabei beschreiben sie nur, was viele Frauen erleben.

Im Juli diesen Jahres erlitt Meghan Markle eine Fehlgeburt Foto: Pool/i-Images/imago

M eine Frauenärztin war ungewöhnlich still, als sie mit dem Ultraschallgerät meinen Unterleib ausleuchtete. Der kleine schwarze Fleck auf grisselig-grauem Grund, das war mein Baby. Das weiße Flimmern, das ich bei der letzten Untersuchung noch als ein schlagendes Herz erkannt hatte, war nicht mehr da. „Es tut mir sehr leid“, sagte die Ärztin. „Das ist nicht Ihre Schuld. Viele Kinder gehen in den ersten 12 Wochen ab.“

Abgehen. Dieses Wort. Es meint: Mein Kind war tot. Elf Wochen hatte es gelebt, jetzt musste es aus mir herausoperiert werden. Ausschabung. Noch so ein Wort.

In den Wochen danach sah ich nur schwangere Frauen und kleine Kinder. Alle schienen Glück zu haben, außer mir. Ich zog mich ins Internet zurück, googelte: Fehlgeburt Häufigkeit, Fehlgeburt vermeiden, Schwanger werden nach Fehlgeburt. Ich las mich durch Foren, wo Frauen schrieben, die auch Kinder verloren hatten. Eins, zwei, drei oder vier – ich verstand, dass Fehlgeburten viel häufiger waren, als ich bis dahin dachte.

Meghan Markle, Ehefrau von Prinz Harry, hat in der New York Times einen Text über ihre Fehlgeburt veröffentlicht. Sie schreibt, wie sie beim Wickeln ihres ersten Kindes einen Krampf spürte und zu Boden ging. „Ein Kind zu verlieren löst eine fast unerträgliche Trauer aus. Viele haben sie erlebt, aber kaum jemand spricht darüber“, schreibt sie. Gespräche über Fehlgeburten seien noch immer mit ungerechtfertigter Scham verbunden. So werde ein „Kreislauf einsamer Trauer“ fortgesetzt.

Tabu und Häme

„Niemand redet darüber“, schrieb auch Michelle Oba­ma über ihre beiden Fehlgeburten. Und das US-amerikanische Model Chrissy Teigen wurde als mutig gefeiert, als sie im Herbst die Totgeburt ihres Kindes öffentlich machte.

Heute besteht das Tabu gar nicht mehr unbedingt darin, dass niemand über Fehlgeburten spricht, das zeigen diese prominenten Beispiele. Das Tabu speist sich aus der Häme, die Frauen entgegenschlägt, die ihre Fehlgeburten öffentlich machen. Über Me­ghan Markle schreiben Leute in den sozialen Medien, die solle sich nicht so anstellen, als reiche, privilegierte Frau. Andere werfen ihr vor, sie würde die „Fehlgeburtskarte spielen“, betreibe „emotionalen Exhibitionismus“. Beide Zitate stammen übrigens von Männern.

Die Fehlgeburt von Chrissy Teigen kommentierte eine Bild-Reporterin: „Es gibt Dinge, die man nicht für Ruhm teilen sollte.“ Teigen habe sich inszeniert für „Likes und Follower“. Na und?! Natürlich setzen Teigen und Markle ihre Prominenz ein. Der Text einer unbekannten Bloggerin hätte wohl kaum so viele Menschen erreicht. Ihnen deswegen vorzuwerfen, sie würden sich wichtig machen, verhöhnt alle Frauen, die unter einer Fehlgeburt gelitten haben – und es zeigt, wie anders Fehlgeburten noch immer behandelt werden. Hätten Markle und Teigen auch solche Kommentare bekommen, wenn sie eine schwere Krankheit öffentlich gemacht hätten?

Mir jedenfalls hätte ein Text wie der von Meghan Markle geholfen. Nicht, weil sie ein Promi ist. Sondern weil sie beschreibt, was ich erlebt habe.

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Anne Fromm
Reporterin
Ressortleiterin Reportage & Recherche und Vorständin der taz. // Berichtet vor allem über sexualisierte Gewalt, Machtmissbrauch, Rechtsextremismus und Desinformation. // Davor war sie Medienredakteurin im Gesellschaftsressort taz2. // Erreichbar über Threema: 9F3RAM48 und PGP-Key: 0x7DF4A8756B342300, Fingerabdruck: DB46 B198 819C 8D01 B290 DDEA 7DF4 A875 6B34 2300
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4 Kommentare

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  • 0G
    05838 (Profil gelöscht)

    Dass Frauen, die eine Fehlgeburt haben oder hatten, Häme entgegenschlägt, halte ich für ein Gerücht.

    Wenn Personen des öffentlichen Lebens von einzelnen Menschen negativ gesehen werden und das in jedem Thema zum Ausdruck kommt, dann ist das etwas völlig anderes. (Beispiel Meghan Markle)

  • Nicht jede (gewollte) Schwangerschaft endet glücklich, leider.



    Oft erlebt: wenn man mit der eigenen Geschichte rausrückt, vertrauen sich einem viele Frauen an, die einen ähnlichen Verlust erlebt haben. Es ist nicht so, dass man sich dadurch "besser" fühlt, aber man fühlt sich verstanden und nicht so einsam in der Trauer. Find ich gut, wenn auch Promis drüber reden.



    Wer es nicht erlebt hat, hat keine Ahnung und sollte sich abwertende Kommentare verkneifen.

  • Meine Mutter hat ihr erstes Kind verloren. Kurz danach war sie mit meiner Schwester schwanger, dann folgte meine zweite Schwester, und dann ich. Die letzten Jahre haben wir mehr darüber gesprochen. Es würd uns alle 3 so nicht geben.



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    Beim Ausgehen hab ich mal wen kennengelernt, deren Mutter unzählige Fehlgeburten erlitt. Sie gab nicht auf, bekam dann doch noch 3 gesunde Kinder. Das erste war die Person, der ich begegnet bin.

    Der Umgang mit dem Thema, wie alles im Leben, funktioniert nur durch Austausch und Identifikation und Anteilnahme. Es sind großartige Menschen, welche damit in die Öffentlichkeit gehen und andern Mut machen, sie damit trösten oder ihnen einfach zeigen, dass sie nicht allein sind.

  • Man kann diesem tragischen aber privaten Erlebnis aber durchaus noch mit Gleichgültigkeit oder oberflächlicher Anteilnahme begegnen. Man spricht auch nicht in der breiten Öffentlichkeit über Unfalltote, Krankheitsverläufe usw. Im Übrigen spricht man ja durchaus über das Thema „Fehlgeburt“. Die Behauptung man würde etwas tabuisieren ist ungefähr so rational wie die Behauptung der Verschwörungstheoretiker, sie dürften ihre Meinungen nicht kundtun.