piwik no script img

CONTRA: VERTRAUENSFRAGE UND KRIEGSEINSATZ SIND ZU TRENNENFehlende Größe

Gerhard Schröder verknüpft die Vertrauensfrage mit der Kriegsfrage – ohne Not und ohne Perspektive, vor allem aber ohne innere Größe. Dass die veröffentlichte Meinung in weiten Teilen einem Imperativ der Stärke huldigt, kann den Medienkanzler nicht überrascht haben. Größe, oder „Leadership“, hätte er aber bewiesen, wenn er dem Land erklärte, dass die Spaltung im Volk über den Krieg auch in der Politik ihren Platz hat.

Schröder verteidigt sich, in einer so wichtigen Frage dürfe eine Koalition die eigene Mehrheit nicht verfehlen. Es ist gerade umgekehrt: Ein schwacher Kanzler ist, wer bei Alltagsfragen seinen Laden nicht zusammenhalten kann. Ein starker ist, wer bei herzzerbrechend schwierigen Fragen andere Meinungen zulassen kann.

Es ist nicht die Zeit für Idealismus? Zugegeben: Größe, die in den Untergang führt, hilft nicht. Doch der Kanzler hat ohne Not gehandelt, es gibt einen Ausweg. Wenn der Bundestag erst über Afghanistan abstimmt und dann über das Vertrauen in den Kanzler, entspricht das Ergebnis wohl der Wirklichkeit im Parlament und Land: Die Mehrheit ist für Rot-Grün, aber nicht alle sind für den Krieg.

Der Einwand, die Soldaten würden von einem zerstrittenen Auftraggeber losgeschickt, ist falsch. Es gibt zwei Verantwortliche für die Entsendung: Das Parlament muss zustimmen, die Regierung den Abmarsch befehlen. Beides wird passieren. Dass die Koalitionäre bis auf den letzten Mann zustimmen müssen, ist Schröders Erfindung.

So riskiert der Kanzler den Koalitionsbruch, ohne dass es nützt. Schröder verringert seinen Spielraum für die Zukunft, statt ihn zu erweitern. Da sind die gequetschten Seelen, die vielleicht ihr Abstimmungsverhalten ändern, aber ihre Überzeugungen behalten. Vor allem aber hat Schröder jetzt eine Messlatte angelegt, über die er und Rot-Grün nun bis ans Ende ihrer Tage hüpfen müssen.

Das eine Mal, da Schröder seine ruhige Hand hätte brauchen können, hat sie gewackelt. Dass der Kanzler sie dann schnell zur Faust geballt hat, kann weder das Zittern verbergen, noch macht es ihn stark. PATRIK SCHWARZ

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen