: Feel alright
■ Trotz Erwachsenheit bleiben Supergrass die Band für die guten Momente
„Irony is over. Bye bye“, werden Pulp auf dem Umschlag der von Christian Kracht herausgegebenen Journalistenliteraten-Anthologie Mesopotamia zitiert. Für die hat auch der derzeit unvermeidliche Benjamin von Stuckrad-Barre eine Auskopplung aus seiner Compilation Remix beigesteuert – der Stuckrad-Barre, der durch die Strukturierung seines Debüts Soloalbum nach Oasis-Songtiteln al-leinverantwortlich ist für die Engführung der sagenumwobenen Pop-literatur auf sowas wie Brit-Pop-literatur. Und, zugegeben, wohl auch deren einziger Autor. Dennoch musste er sich in der taz hamburg zurechtweisen lassen, dass er als Jungmann im Anzug doch wissen müsse, dass „Pulp eh besser als Oasis“ seien. Lässt sich daraus eigentlich folgern, dass Kracht eh besser als Stuckrad-Barre ist?
Supergrass jedenfalls sind meines Wissens noch nicht literaturmächtig geworden, und das ist kein Zufall. Denn die Oxforder wurden im Sommer 1995 als die Brit-Popper für die einfachen Freuden des Lebens bekannt: „We are young, we run green/ Keep our teeth, nice and clean/ See our friends, see the sights, feel alright“, sangen sie damals zum Boogie-Klavier, „We wake up, we go out, smoke a fag/ Put it out, see our friends/ See the sights, feel alright.“ Im Video dazu fuhren die drei jungen Musiker Bonanzarad und führten prächtige Koteletten vor. Eine Band, die sich auf Lebensfreude und Gesichtsbehaarung reduzieren lässt: Das ist ein Image, das auch Marketingleuten einzuleuchten vermag.
Es folgten Angebote von Calvin Klein und Steven Spielberg, die die Band ausschlug. Denn Mickey, Gaz und Danny waren beschäftigt damit, erwachsen zu werden. Erwachsene Musiker, puh! Die füllen Alben mit Siebziger-Rock und überlangen Gitarrensoli. So geschehen bei den Stone Roses und Oasis, so geschah es auch auf dem zweiten Supergrass-Album In It For The Money. Bloß dass sich bei Supergrass doch immer wieder euphorische Melodien einschlichen.
Auf dem neuen Album, furchtbar erwachsen nur Supergrass benannt, wagen sie nun den bandhis-torischen Kompromiss: Einerseits fröhlich stompender Bowie-Glam auf „Pumping On Your Stereo“, inklusive kifferphilosophischer Thesen wie „Life is a cigarette“; andererseits das Bemühen um Rührung des Hörers mit einem Folkballädchen namens „Mama & Papa“ und der inzwischen übliche Rockschlonz. Verbunden werden Gut und Böse, Schnell und Langsam, Heiter und Ernst auf dem besten Stück der Platte, der aktuellen Single „Moving“. Bei aller Mühe klingt das dann natürlich noch immer mehr nach jugendlicher Lebensfreude als nach erwachsener Weisheit: Supergrass bleiben die Band für die guten Momente, nicht die für die großen Lebensentwürfe. Vielleicht geben sie deshalb keine Mottos für Bücher her. Doch wer weiß: In irgendeinem Interview erzählte Stuckrad-Barre neulich, dass er derzeit begeistert die neue Supergrass hört.
Felix Bayer
Mi, 27. Oktober, 21 Uhr, Markthalle
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen