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Fatshaming trifft vor allem FrauenDeine Mudder ist so fett

Andrea Maestro
Kommentar von Andrea Maestro

Frauen, die nicht dünn sind, bekommen oft hässliche Kommentare zu hören. Wieso maßen sich Menschen das Recht an, den Körper anderer zu beurteilen?

Ob sie so richtig ist, entscheidet sie allein Foto: Unsplash/Allgo an App for Plus Size People

D eine Mudder ist so fett, die schwitzt beim Kacken. Boah, siehst du die Hässliche da drüben? Krass, ist die fett, die frisst bestimmt nur Schokolade und Pommes. Du treibst keinen Sport, oder? Aber Übergewicht ist doch so ungesund! Hast du es schon mal mit Schlankimschlafpaleoweightwatchersmonddiätkohlsuppenintervallfasten probiert? Fuck you very much.

Dicke Frauenkörper werden in unserer Optimierungsgesellschaft ständig gescannt und mit einem Ideal verglichen. Ein wertvoller Frauenkörper liegt irgendwo zwischen Kleidergröße 34 und 38, hat die richtigen Rundungen an Arsch und Titten, aber bitte kein überschüssiges Fett. Er ist gesund, kann gesunde Kinder zur Welt bringen, hat sich aber nach der Geburt sogleich wieder in seine ursprüngliche Form zurückzuverwandeln.

Spätestens ab Kleidergröße 40 beginnen die gut gemeinten Ratschläge zur Gesundheit – und die Witze, bei Erwachsenen eher hinter dem Rücken. Dünne Menschen verspüren aus unerfindlichen Gründen das drängende Bedürfnis, dicken Menschen zu sagen, dass sie dick sind.

Als wüsste das nicht jede und jeder, der einmal mit breiteren Hüften und Oberschenkeln versucht hat, in eine Röhrenjeans bei H&M zu schlüpfen. Als würde einem nicht auf jedem Werbeplakat, in von Heidi Klum moderierten Modelcastingshows oder in Klatschzeitschriften die immer gleiche Körperform als Ideal vorgeführt. Trotzdem fühlen sich die Hinweisgeber*innen im Recht.

Den Körper lieben

Die Dicken könnten ja abnehmen. Sie könnten ihren Körper optimieren und der Norm entsprechen. Dass die Frauen, denn es sind vor allem Frauen, deren Körpermaße öffentlich diskutiert werden, ihre Rundungen und ihr Fett – also sich selbst und ihren Körper – lieben, ist für manche der Kommentator*innen nicht vorstellbar.

Einfacher ist es, ihnen Disziplin und Durchhaltevermögen abzusprechen. Dicksein ist in unserer Gesellschaft mit negativen Charaktereigenschaften, mit Schwäche oder gar Dummheit konnotiert. Gesellschaftliche Diskriminierung und Fatshaming sind die Folge. Viele dicke Frauen und Mädchen beziehen diese negativen Assoziationen auf ihren eigenen Körper und werten sich selbst ab.

Sie können kein positives Gefühl zu ihrem Körper aufbauen. Sie schämen sich, was eine erfüllte Sexualität zumindest erschwert. Im schlimmsten Fall führt der geringe Selbstwert zu psychischen Erkrankungen.

Das Statistische Bundesamt hat 2019 Zahlen veröffentlicht. Die Behörde geht davon aus, dass 2017 mehr als jeder zweite Erwachsene übergewichtig war. Als stark übergewichtig galten 16 Prozent der Erwachsenen. Frauen sind seltener übergewichtig als Männer. Nun könnte man darüber streiten, wie das Bundesamt Übergewicht definiert. Fest steht aber, Millionen Deutsche sind fett, rund, mollig, dick, kräftig, üppig, kurvig oder haben schwere Knochen. Fatshaming verletzt all diese Menschen.

Dicke Menschen wissen, dass sie dick sind

„If making fun of fat people made them lose weight, there would be no fat kids in schools“, hat – der dicke – Moderator James Corden dazu in seiner US-Fernsehshow gesagt. Wenn Witze irgendwie helfen würden, gäbe es an Schulen keine dicken Kinder. Mit ungebetenen Ratschlägen ist das genauso.

Dicke Menschen wissen, dass ihr Übergewicht ab einer bestimmten Grenze (wobei umstritten ist, wo die liegt) zu gesundheitlichen Schäden führen kann. Es ist ihnen ebenso bewusst, wie auch Raucher*innen, Solariumfans und Bierliebhaber*innen wissen, dass sie ihrem Körper schaden.

Trotzdem dürfen dicke Menschen ihren Körper für seine Rundungen lieben, er darf ihnen egal sein und sie dürfen ihn hassen. Sogar alles gleichzeitig. Das geht andere Menschen nichts an. Wer sich trotzdem verantwortlich für die Dicken und das überlastete Gesundheitssystem fühlt, sollte lieber seine eigenen Vorurteile hinterfragen – und auf dumme Kommentare verzichten.

Meine Mudder ist so fett, die tritt dir in deinen knochigen Hintern, wenn du nicht einfach mal die Fresse hältst.

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Andrea Maestro
Redaktionsleiterin taz.nord
War bis Dezember 2022 Redaktionsleiterin der taz nord. Davor Niedersachsen Korrespondentin der taz. Schwerpunkte sind Themen wie Asyl und Integration, Landwirtschaft und Tierschutz.
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5 Kommentare

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  • "Fest steht aber, Millionen Deutsche sind fett, rund, mollig, dick, kräftig, üppig, kurvig oder haben schwere Knochen. Fatshaming verletzt all diese Menschen."

    Ein absoluter Ausdruck unserer dekadenten Konsumgesellschaft und sollte meiner Meinung nach nicht auch noch durch ein "steh zu deinem Körper" bekräftigt werden. Wenn du dich schämst :nimm ab. Und wenn du dich nicht schämst dann ist dir die Meinung der anderen eh egal.

  • Zitat: „If making fun of fat people made them lose weight, there would be no fat kids in schools“

    Nein, niemand nimmt aufgrund boshafter Kommentare ab. Aber mach einer unterwirft sich leichter, wenn er sich ausgegrenzt fühlt.

    Als ich nach der zweiten Klasse die Schule wechseln musste/durfte, gab es in der neuen Klasse einen Jungen, den alle nur „Schwabbel“ nannten. Warum, war mir sofort klar. Nicht ganz so rasch habe ich kapiert, wieso dieser Knabe sich ausgerechnet zum Handlanger jenes kleinen Fieslings gemacht hat, der ihm diesen Titel angehängt hatte. Und völlig unverständlich war mir, wieso alle die Beschimpfung wie einen einfachen Spitznamen behandelt haben.

    Erst Jahre später ist mir aufgegangen, dass Jürgen, so hieß der arme Kerl, seine Selbstachtung im Tausch gegen etwas geopfert hat, was er mit Respekt verwechselt hat. Als Vasall des kleinen aber nicht ganz doofen Fieslings durfte er damit rechnen, dass die, die ihn „Schwabbel“ nannten, auch vor ihm Angst hatten. Wenigstens ein ganz kleines Bisschen.

    Menschen zu blamieren, ist eine Machtstrategie von Leuten, die keine Selbstachtung haben. Besagter Fiesling war einer dieser Typen. Ein Kind, das zu Hause verprügelt und überhaupt schlecht behandelt wurde. Solche Zusammenhänge zu (er-)kennen, macht einen dicken Menschen auch nicht dünner. Aber vielleicht hilft es, etwas Selbstachtung zu retten.

    Übergewicht ist nur ein körperliches Merkmal unter vielen. Keine Selbstachtung zu haben, ist sehr viel schlimmer. Wer nämlich keine Selbstachtung hat, kann dämliche Normen nur ganz schlecht hinterfragen. Er muss sich ihnen unterwerfen, weil er Angst haben muss vor der Einsamkeit. Davor, nicht beschützt zu werden und jederzeit/überall zum Opfer werden zu können. Dann schon lieber Täter sein, sagen sich manche.

    Ist ja nicht so, dass Dicke per se bessere Menschen sind. Sie können anderen Unangepassten ganz schön auf die Ketten gehen mit jenen Normen, denen sie - Hurra! - zu entsprechen meinen.

  • vermeintlich zu dicke werden als fett beschimpft



    vermeintlich dumme, werden als blöd beschimpft



    etc.

    So ziemlich für jede ‚Eigenschaft‘ findet sich ein Schimpfwort. Und wer wird beschimpft? Es ist nicht das dickste Mädchen der Klasse, es ich das Mädchen, was sich am meisten darüber ärgert. Usw.

    Und das ist der Schlüssel – die anderen kann man eh nicht ändern. Die Frage ist wie man damit umgeht. Bietet man eine Reflexionsfläche oder nicht. Dafür ist es natürlich wichtig, dass man mit sich selber klar kommt. Wenn das der Fall ist, dann können einen die anderen auch nicht ärgern.

  • Was bewerten wir?



    Das Verhältnis des Bewerteten zu den uns eigenen Werten und Normen.



    Das ist normal und wird oft sogar eingefordert.



    Worum es meines Erachtens im Beitrag wesentlich geht, ist die Art und Weise, sprich auch das gewählte Vokabular und ob die Rückmeldung überhaupt eingefordert ist.



    Da sind wir wieder beim Thema des Zusammenspiels zwischen Respekt, Toleranz und Akzeptanz.



    Ich respektiere Deine Körperform, bin zwar gegen diese, doch toleriere sie und Deine Einstellung dazu. Das bringt mich jedoch noch lange nicht dazu, sie zu akzeptieren, sprich, sie auch für mich anzunehmen.