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Fast-Einigkeit über Leiharbeit

Die Leiharbeitsbranche mault zwar noch, doch hat sie sich zu Tarifverhandlungen bereit erklärt. Clement hält ihr Hintertüren offen: Es wird Abschläge geben

BERLIN taz ■ Das Dementi ließ lange auf sich warten: Dienstagmittag hatte Wolfgang Clement verkündet, es gebe eine „Einigung“ bei der Leiharbeit in seinem Hartz-Gesetz. Erst um 17.30 Uhr schoss die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) eine Erklärung nach: „Von einer Einigung zur Zeitarbeit kann keine Rede sein“. Hm.

Laut Clement sind die Zeitarbeitgeber einverstanden damit, dass der Grundsatz des „equal pay“, also des gleichen Lohns für Leih- wie für Stammarbeiter, ins Hartz-Gesetz geschrieben wird. Im Gegenzug sollen sie eine Übergangsfrist von einem Jahr statt einem halben bekommen. Und sie sollen lediglich die Basislöhne zahlen, keine weiteren Vergütungen. Stunden später meldet die BDA, namentlich ihr Hauptgeschäftsführer Reinhard Göhner, mit diesem „Tarifdiktat“ sei man keineswegs einverstanden. Zwar sollen sie ja eigene Tarifverträge erst aushandeln, aber, so befürchtet etwa der BDA-Arbeitsmarktexperte Bernhard Schwarzkopf, „was ist denn das für eine Verhandlungsposition?“ Die Gewerkschaften könnten jederzeit Verhandlungen platzen lassen – und dann greife Clements Gesetz.

Das Dementi der Einigung kam wohl auch so spät, weil sich die Zeitarbeitfirmen untereinander nicht einig sind. So gibt es die Interessengemeinschaft Zeitarbeit, die eher den Mittelstand vertritt: Dort ist man an einem „sauberen“ Image interessiert. „Wir haben ohnehin den Auftrag, Tarifverträge abzuschließen“, so der Geschäftsführer Werner Stolz zur taz, „für uns ist das kein Tarifdiktat“. Zudem meint er, dass die Gewerkschaften in puncto Öffnungsklauseln durchaus ein Einsehen hätten: „Es gibt bereits 34 Tarifverträge in unserer Branche: Überall war den Gewerkschaften klar, sie müssen unter den Branchentarifen bleiben, wenn sie ihre Leute unterbringen wollen.“ Auch in den Niederlanden, an deren Modell der Lohngleichheit sich Clement orientierte, würde de facto unter Tarif gezahlt. „Da gibt es genug Möglichkeiten“, meint Stolz.

Ähnliches hatte auch DGB-Chef Michael Sommer öffentlich und im Gespräch mit Clement und den Firmen angeboten. Zudem hat Clement deutlich gemacht, dass er die Tarifverhandlungen verfolgen werde, alle drei Monate werde eine Konferenz unter seiner Leitung den Fortgang beurteilen – flankierende rechtliche Regelungen habe er sich vorbehalten, sagen Gesprächsteilnehmer. Mit anderen Worten: Sollten die Gewerkschaften mauern, wird Clement gesetzlich Druck machen.

Die Unternehmen bekommen eine Menge, meint auch Thea Dückert, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen: Die komplette Deregulierung der Leiharbeit. „Das ist denen immer noch nicht genug, deshalb holen sie jetzt irgendwelche Argumente aus der Mottenkiste“, lautet Dückerts Einschätzung. Die Firmen hätten sich bei dem Gespräch mit Clement sehr wohl einverstanden gezeigt. Auch der DGB-Arbeitsmarktexperte Johannes Jakob meint, das Angebot sei großzügig genug: Unternehmen können in Zukunft flexible Arbeitnehmer flexibel einsetzen. „Das hat auch seinen Preis.“ Bei den Geringqualifizierten, die die BDA nicht mehr untergebracht sieht, werde es Ausnahmen geben, so Jakob.

Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der CDU, Karl-Josef Laumann, bleibt bei seiner Kritik, dass das Gesetz, das der Arbeitsausschuss gestern verabschiedete, zu streng sei. Ob aber die Union tatsächlich bei zustimmungspflichtigen Teilen des Hartz-Gesetzes im Bundesrat mauern wird, weil ihnen dieser nicht zustimmungspflichtige Teil missfällt, wagt Laumann nicht vorauszusagen. Dass übrigens gerade Herr Göhner von der BDA so sehr protestiert, hat einen Beigeschmack: Der Hauptgeschäftsführer der BDA ist Mitglied des Deutschen Bundestages, Fraktion der CDU.

HEIDE OESTREICH

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