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Farb-AnschlägeSPD-PolitikerInnen angegriffen

Unbekannte haben Farb- und Stein-Attacken auf die Häuser von Innenstaatsrat Karl Schwinke und weiterer SPD-Politiker verübt.

Traditionelles Farbbeutelwerfen: hier im Mai an das Haus von Hamburgs Bürgermeister Scholz (SPD). Bild: dpa

HAMBURG taz | Eine namentlich nicht näher definierte militante Gruppe hat sich zu Stein und Farbattacken auf die Domizile der Hamburger SPD-Politiker Karl Schwinke, Milan Pein und Melanie Leonhard bekannt. Sie wollten damit in der Nacht zum Montag den Wahlkampf an den Wohnorten der SPD-Repräsentanten in den Stadtteilen Lemsahl, Lokstedt und Harburg für eröffnet erklären, heißt es in einem Bekennerschreiben an die taz. „Bei Schwinke haben wir zusätzlich ein Feuer auf der Straße entfacht“, schreiben die Autoren.

Polizeisprecherin Karina Sadowski konnte anfangs nur die Attacke auf Schwinke bestätigen. „Derartige Vorfälle werden ja nicht immer angezeigt“, sagte Sadowski. Polizeiliche Nachprüfungen bestätigten jedoch die Richtigkeit des Bekennerschreibens. Zuletzt wurden auch am Haus von Leonhard „weiße Farbkleckse“ entdeckt. Der Staatsschutz habe die Ermittlungen übernommen, sagte die Polizeisprecherin.

Schwinke ist im Februar 2008 bei der Bürgerschaftswahl über die Landesliste der SPD in die Bürgerschaft eingezogen. Für seine Fraktion war er Mitglied im Innenausschuss, Wirtschaftsausschuss sowie im Kultur, Kreativwirtschafts und Tourismusausschuss und Fachsprecher für Wirtschaft. Seit dem Juni 2011 ist er Staatsrat in der Innenbehörde und für den Bereich Sport sowie in der Finanzbehörde für den Bereich Bezirke zuständig.

Melanie Leonhard ist sozialdemokratische Hoffnungsträgerin und seit Juni dieses Jahres stellvertretende SPD-Landesvorsitzende. Sie gehört seit 1999 der SPD an. In die Bürgerschaft wurde sie 2011 über der Landesliste gewählt. Sie ist Mitglied im Familien, Kinder und Jugendausschuss sowie im Sonderausschuss zum Tod des Mädchens Chantal. Der Rechtsanwalt Milan Pein ist SPD-Kreisvorsitzender in Eimsbüttel.

Farbe und Steine

Politisch motivierte Farb und Steinattacken auf die Häuser von Politikern sind in der autonomen Szene verbreitet, wenn auch nicht unumstritten.

Um den Aufenthalt der Gruppe Lampedusa durchzusetzen, warfen Unbekannte im November 2013 auf die Wohnhäuser der Staatsräte Jan Pörksen und Michael Sachs sowie des SPD-Fraktionsvorsitzenden in der Bürgerschaft, Andreas Dressel, Farbe und Steine. Dressels Frau und drei Kinder befanden sich in der Wohnung.

Trotz Rund-um-die-Uhr-Bewachung durch die Polizei stürmten Vermummte im Mai auf das Haus von Bürgermeister Olaf Scholz zu und warfen Farbbeutel.

Mit voller Rückendeckung der SPD steuere Bürgermeister Olaf Scholz die Bürgerschaftswahl im Februar 2015 an. „Seine nicht eingehaltenen Versprechen bezüglich des Wohnungsbaus und die unnachgiebige Haltung gegenüber der ’Lampedusagruppe‘ haben ihm bisher in der Partei nicht geschadet – von einer Opposition gibt es keine Spur“, behaupten die Aktivisten. „Wir haben mit den heutigen Farbattacken unsererseits den Wahlkampf eröffnet und hoffen auf viele engagierte MitstreiterInnen, die der SPD den Herbst und Winter hier versauen.“ Eine gute Möglichkeit antirassistischer Mobilisierung biete das diesjährige Schanzenfest am 28. September, welches sich inhaltlich als „Refugees-welcome-Fest“ begreife.

Die VerfasserInnen verlangen, dass Bernhard Heidbreder nicht aus Venezuela an Deutschland ausgeliefert werde. Ihm wirft die Bundesanwaltschaft vor, er habe sich an einem 1995 versuchten Sprengstoff-Anschlag der Gruppe „Komitee“ auf den Abschiebeknast Berlin-Grünau beteiligt. Außerdem fordern sie, die inhaftierten Hausbesetzer der Altonaer Breite Straße sollten entlassen werden. Diese sollen versucht haben, Polizisten zu töten. Der Vorwurf wird wohl nicht mehr lange aufrecht erhalten bleiben.

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7 Kommentare

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  • Von "Schweren Gewalttaten" und "Terror" zu schreiben, ist gerade vor dem und am Jahrestag von wirklichem Terror - 11.9. 1973 und 2001 - schon eine dummmdreiste Bagatellisierung von wirklichem Terror. Es geht hier erstmal um Gewalt gegen Sachen. Muß ich nicht befürworten, insbesondere, wenn Familienangehörige oder Unbeteiligte betroffen, Angst bekommen. Ist aber was anderes, als wenn jemand anfangen würde, willkürlich Deutsche zu erschiessen, zu foltern, gefangen zu nehmen oder vor laufender Kamera zu köpfen. Und die Flüchtlingspolitik auch der hamburger SPD ist gewalttätig nicht nur gegen Sachen, sondern beschädigt Menschen: Viele Flüchtlinge sind traumatisiert. Und zwar mehr als ein SPD-Abgeordneter, weil er eine Reinigungsfirma für die Hausfassade bestellen muß.

  • Anschläge auf Privathäuser mit Steinen, Farbfalschen oder anderen schweren Gegenständen sind schwere Gewalttatne, bei denen (auch schwere) Verletzungen der Betroffenen billigend in Kauf genommen werden, wenn sie nicht sogar das Ziel sind.

     

    Dieser Terror muss aufhören! Da helfen auch keine Pseudo-kritischen Legitimationsversuche von wegen "Anti-Rassismus"; solche Gewaltorgien sind nicht antifaschistisch, sondern eher das Gegenteil.

  • Das ist natürlich kindisch, wenn man einen Farbbeutel auf ein Haus wirft. Das Problem ist doch, dass diese SPD-Politiker gar nicht wirklich mit allen Milieus dieser Stadt kommunizieren und vielfach borniert und selbsherrlich agieren. Aber mit ein paar Farbklecksen ändert man die nicht.

     

    Im Gegenteil die nehmen solche 'Attaken' als Bestätigung ihrer politischen Wirksamkeit. Man steigert deren Ego damit. Wenn man 100 Menschen in der Mönkebergstraße ein Bild von diesen Politikern vorlegen würde, dann fragt, was verbinden sie mit dieser Person, würden gerade mal 5 Prozent eine präzise Einordnung überhaupt hinbekommen. Vielleicht würden 10 bis 15 Prozent noch bemerken, dass es sich um Politiker handelt. 60 Prozent wüsste überhaupt nicht, wer die sind und was die wollen.

     

    Wenn man in Hamburg etwas an diesen Verhältnissen ändern will, dann sollte man alle seine Bekannten zur nächsten Wahl bringen, dort dürfen sie aber weder SPD, noch CDU oder gar AfD bzw. FDP wählen. Die SPD lernt in Hamburg nur über Schmerzen und die hat sie bei den Kommunalwahlen schon bekommen. Bei der nächsten Wahl muss die Notaufnahme her - sonst wachen die nicht auf, Farbkleckse hin oder her.

    • @Andreas_2020:

      Ihr Kommentar ist fast genauso zynisch wie die Anschläge selbst. Anschläge auf Privathäuser sind nicht einfach "kindisch", sondern im Gegenteil ernsthafte Gewalttaten, die im Falle von Steinen auch sehr ernsthafte Konsequenzen haben können, nämlich schwere Verletzungen bei den Angegriffenen und deren Familien.

       

      Und ganz sicher sind solche Anschläge keine "Ego-Steigerungen" für die Betroffenen. Sie steigern kein Ego, sondern machen schlicht Angst. Sie scheinen, genauso wie die Täter, zu vergessen, dass es sich auch bei Politikern um ganz normale Menschen aus Fleich und Blut handelt.

       

      Und die Idee, seine Bekannten zur Wahl zu schicken und ihnen dabei genau zu sagen, wen sie zu wählen haben und wen nicht, ist auch nicht wirklich ausgeprägt demokratisch...

       

      Vertrauen Sie doch einfach darauf, dass die Menschen - auch Ihre Bekannten - selbstständige, mündige Bürgerinnen und Bürger sind, die selbst beurteilen können, was sie politisch wollen und was nicht. Aber mit Sebstbestimmung hatte die (pseudo-)radikale Linke ja schon immer ein Problem...

      • @Sozi:

        Ich wünsche mir ein Land ohne SPD, CDU und CSU - ohne die Einheitspartei. Dazu habe ich leider gute Gründe. Und reden sie nicht von schweren Gewalttaten, wenn jemand Farbe gegen ein Gebäude geworfen hat. Unter schwerer Gewalt stelle ich mir was anderes vor.

        • @Andreas_2020:

          Auch Farbflaschen können verletzen, Steine erst recht.Vor allem aber sollen solche Anschläge einschüchtern, das ist immer das Ziel von Terror - das sie jedoch (hoffentlich!) nicht erreichen werden.

          Und wünschen dürfen Sie sich natürlich alles, was Sie möchten; aber zum Glück entscheiden in der Demokratie nicht allein Ihre Wünsche, sondern auch die aller anderen.

          • @Sozi:

            Ich gebe Dir da recht. Ich bin nur ein Wähler - solange die Menschen SPD wählen, erhalten sie auch SPD-Politik(er).

             

            Umso wichtiger, dass demokratische Menschen miteinander diskutieren und dafür sorgen, dass unsere Stadt in unseren Händen bleibt und nicht zum Spielball der Investoren und Unternehmer wird.

             

            Ach, ich glaube nicht, dass jemals ein Hamburger SPD-Politiker sich hat einschüchtern lassen. Was sollte das bringen? Das politische Spiel wird von den Mächtigen nicht aus Angst gemacht, sondern aus Machtgier/Geltungsdrang.

             

            Hätten wir verantwortungsbewusste Politiker gäbe es weder eine Schuldenbremse, noch eine Elbphilharmonie und auch keine U4. Unsere Schulen, Kitas und Universitäten wären super ausgestattet und Hamburg eine superdynamische Stadt auf der Welt.

             

            Nur: So ist diese Stadt nicht. Und wenn die SPD so weitermacht, wird sie es auch nicht, sondern sie wird weiter absteigen. Wenn man 30 Jahre zu wenig und falsch Steuern einnimmt, das Geld dann falsch ausgibt, dann kommt dorthin, wo wir heute sind.