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Fanproteste gegen DFL-InvestorÖl und Sand im Getriebe

Der Fanprotest in der Fußball-Bundesliga nährt sich von der Sehnsucht nach einem guten Leben im schlechten.

Fans des Investorenklubs Bayer Leverkusen beim Spiel gegen den FC Bayern München Foto: Wolfgang Rattay/reuters

E s hat schon reichlich karnevaleske Züge, wenn sich Fans eines lupenreinen Investorenklubs namens Bayer Leverkusen im Kostüm der Investorengegner in Stellung bringen und zum Zeichen ihres Protests Kamelle in rauen Mengen auf den Rasen werfen. So geschehen ist das jüngst beim Spitzenspiel gegen Bayern München.

Andernorts, wo es auch Tennisbälle, Flummis oder Goldtaler auf die Spielfelder hagelte, sind die Proteste ebenfalls nicht widerspruchsfrei. Die Mehrzahl der Vereine sind seit Jahren auf Investoren angewiesen. Warum soll gerade jetzt mit dem Einstieg eines Investors bei der Deutschen Fußball Liga, dem nur sehr limitierte Rechte zugestanden werden, eine rote Linie überschritten sein?

Auf den ersten Blick mag das irrational wirken, aber der Widerspruch liegt nicht bei den Fans allein. Die in den letzten 30 Jahren gewachsene Popularität des deutschen Fußballs ist das Ergebnis eines einmaligen schwierigen Kompromisses. Im Zuge der fortschreitenden Kommerzialisierung erkämpfte sich die aktive Fanszene kleine Bereiche der Einflussnahme, weshalb etwa Stehplätze erhalten und eine noch maßlosere Zersplitterung der Spieltage verhindert werden konnte.

Dienlich dafür war die vehement verteidigte 50+1-Regel, die Vereinsmitgliedern von wenigen Ausnahmen abgesehen eine Stimmenmehrheit garantiert. Das begrenzte zwar die Möglichkeiten der Vereinsfunktionäre, die sich am englischen Modell der schrankenlosen Kommerzialisierung orientierten, doch sie bekamen auch etwas zurück. Die stimmungsvollen deutschen Stadien, wo die Ultras das gute Leben im schlechten zelebrierten, wurden auch zu einem exquisiten Verkaufsargument für die Ware Fußball.

Sehnsucht nach dem alten guten Fußball

Das hat indes das Bewusstsein der Fans für ihre eigene Macht gesteigert. Die lautstarken Anhänger in den Kurven sind mal Öl und mal Sand im Getriebe. Sie stützen das System und wehren sich zugleich gegen die ihm innewohnende Gewinnlogik. Sie werden von einer Sehnsucht nach dem alten guten Fußball angetrieben, an dessen Wiederkehr sie aber selbst nicht glauben.

Genaues weiß man nicht, aber vieles spricht dafür, dass der Rückzug des DFL-Investorkandidaten Blackstone diese Woche auch mit den permanenten Störenfrieden auf den Rängen zu tun hat. Sie sind ein Unsicherheitsfaktor für jegliche Geschäftskalkulationen. Die derzeitigen Fanproteste sind schließlich kein neues Phänomen. Tennisbälle flogen schon, als es darum ging, die Deutsche Fußball Liga zur Streichung der unbeliebten Montagsspiele zu bewegen – mit Erfolg.

Wie nun bei der Investorenentscheidung glaubte auch damals die DFL die Interessen der Fußballfans einfach ignorieren zu können. Gerne wird von den Funktionären der Eindruck vermittelt, die Positionen der aktiven Fußballfanszene seien nicht repräsentativ für das deutsche Fanvolk. Eine Umfrage, über die der Spiegel dieser Tage berichtete, zeigt aber, dass selbst unter den TV-Zuschauern der Protest überwiegend positiv bewertet wird. Über 61 Prozent beklagten den „Verlust der Fußballseele“.

Als einer der letzten gesellschaftlichen Lagerfeuer wird der Fußball mitunter gepriesen. Auch das könnte ein nicht zu unterschätzendes Motiv sein, warum viele wollen, dass alles zumindest so bleibt, wie es jetzt ist – trotz aller Widersprüche.

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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