piwik no script img

Fangquoten in der OstseeKampf um die Sprotte

Mit den neuen Quoten sind weder Umwelt­schützer:innen noch Fi­sche­r:in­nen glücklich. Derweil stirbt die Ostsee weiter.

Sprotten essen ist auch nicht mehr so harmlos wie es mal war Foto: imago

Hamburg taz | Die Fischbestände der Ostsee leiden schon lange. Wegen Überfischung, Nährstoff- und Sauerstoffmangel gehen sie zurück. Diese Woche wurden die neuen EU-Fangquoten für die Ostsee festgelegt. Umweltverbände sehen die neuen Vorgaben kritisch und auch Fi­sche­r:in­nen haben damit ihre Probleme.

Die neuen Fangquoten sind für die meisten Fischsorten gesunken, so dürfen beispielsweise 22 Prozent weniger Dorsch als Beifang gefischt werden und auch deutlich weniger Sprotten als im vorherigen Jahr. Die Quote für Hering in der zentralen Ostsee wurde dagegen verdoppelt. Auch die kleine Küstenfischerei darf weiterhin in begrenztem Maße Hering in der westlichen Ostsee fangen.

Philipp Kanstinger vom WWF kritisiert besonders die Quoten für die sogenannten Futterfische: Diese müssen in Massen vorliegen, damit andere Fische, Robben und Vögel genug zum Fressen haben. Die Quoten bei den Futterfischen seien zu hoch, um den Bestand langfristig zu sichern, sagt Kanstinger.

Die Ostsee sei ohnehin schon „ein unglaublich beschädigtes Meer“, so der WWF-Experte, es gehe um mehr als nur um Überfischung. Die Ostsee stehe in Gefahr, „zu einem Friedhof zu verkommen“. Kanstinger plädiert für ein „Ecosystem-based Management“, bei dem nicht einzelne Bestände beobachtet werden, sondern das gesamte Ökosystem.

Schutzgebiete notwendig

Für die Erholung der Ostsee seien Schutzgebiete notwendig, in denen nicht gefischt werden darf. Die Fangquoten sollten auch nicht bis an die Grenze ausgereizt werden, und die Kontrollen müssten strenger werden.

Auch die Deutsche Umwelthilfe fordert eine bessere Kontrolle der Fischerei. Außerdem müsse auch die Belastung durch den Eintrag von Nährstoffen aus der Landwirtschaft verringert werden. Dadurch entstehen beispielsweise Sauerstofflöcher im Wasser, die den Lebewesen in der Ostsee zu schaffen machen.

Philipp Kanstinger kritisiert auch die Fischereiindustrie: Diese gebe falsche Zahlen an, um die Beifangquote niedrig zu halten, zudem würden Beifänge stellenweise tot zurück ins Meer geworfen. Hierin sieht der WWF-Experte ein großes Problem, das durch strengere Kontrollen gelöst werden müsse. Denn sobald ein Bestand den „Tipping Point“ erreiche, werde eine Reparatur des Schadens unglaublich schwierig.

Aber auch der Fischereiverband meldet Kritik an. Die Beifangquoten seien so niedrig, das die Grenzen schnell erreicht würden, das gefährde die Fischereibetriebe in ihrer Existenz. Wenn kein Beifang mehr gefischt werden dürfe, könnten auch die Fische, auf die es die Fi­sche­r:in­nen eigentlich abgesehen haben, nicht mehr gefischt werden, da immer die Gefahr bestehe, dass die geschützte Art als Beifang mit ins Netz komme.

Kormorane fressen mit

Die EU-Quoten sind jedoch nicht das größte Problem der Fischindustrie. Bei der Berechnung der Fangquoten werde vergessen, dass auch Robben und Kormorane sich an den Fischbeständen bedienen, sagt Peter Breckling vom Deutschen Fischereiverband. Dadurch stimme die Bestandsmodellierung nicht, er plädiert daher für ein anderes „Bestandsmanagement“, schließlich seien die Kormorane ja nicht mehr geschützt.

Den Vorwurf, dass der Wegfraß durch andere Tiere nicht mit eingerechnet wird, weist Christopher Zimmermann vom Thünen-Institut für Ostseefischerei zurück. Die Berechnungsmodelle berücksichtigten den Wegfrass sehr wohl, allerdings basierten diese Rechnungen auf Annahmen und könnten sich noch ändern, sagt Zimmermann, dessen Institut die Politik bei der Festlegung der Quoten berät.

Ein weiteres Problem kommt aus Russland, das ja auch an die Ostsee grenzt. Die Bestände, die von der EU geschützt werden, wie die der Sprotte, werden dort vermehrt gefischt. Dadurch werden zu viele Fische gefangen, um den Bestand aufrechtzuerhalten.

Es herrscht wenig Einigkeit über die Zukunft der Ostsee-Fischerei. Einig sind sich die Akteure höchstens darin, dass der Schutz und die Regeneration der Ostsee eine wichtiges Ziel in der Zukunft ist.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!