Familienministerium gegen SPD: Kinderschutz bleibt im Gespräch
Eine Einigung über das Kinderschutzgesetz könnte doch noch in dieser Legislaturperiode kommen - wenn die SPD mitspielt. Die Hauptkritik ist ausgeräumt.
BERLIN taz | Das vom Familienministerium geplante Kinderschutzgesetz könnte nun doch noch vor der Bundestagswahl verabschiedet werden: Das Ministerium hat einen überarbeiteten Entwurf vorgelegt, der die Hauptkritik der SPD aushebelt.
Die familienpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Caren Marks, zeigte sich kompromissbereit. Sie will den 10-seitigen Entwurf nun "lesen und mit der gebotenen Sorgfalt prüfen". Sie lege Wert darauf, dass "die Änderungen den Bedenken der Fachwelt und den Herausforderungen der Kinderschutzpraxis Rechnung tragen". Wie lange das dauert, könne sie noch nicht sagen. Die Zeit drängt: Bis zur parlamentarischen Sommerpause sind noch zwei Sitzungswochen des Bundestages anberaumt.
Wie man Kinder besser vor Verwahrlosung und Missbrauch schützen kann, darüber wird in der großen Koalition seit Monaten diskutiert. Noch in dieser Legislaturperiode sollte nach dem Willen der Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) das Kinderschutzgesetz verabschiedet werden - ein Prestigeprojekt der Ministerin. Doch der ursprüngliche Gesetzentwurf fand bei Sachverständigen, die im Familienausschuss angehört wurden, keine Gegenliebe. Und die SPD nahm dies prompt zum Anlass, das Gesetz kurz vor der Verabschiedung fallen zu lassen.
Der aktuell vorliegende, überarbeitete Entwurf flacht nun die ursprünglich geplante Regelverpflichtung der Jugendämter zu Hausbesuchen in gefährdeten Familien ab: Eine Hausbesuchspflicht gibt es nun nur noch nach fachlicher Einschätzung. Könnte es dem Kind schaden, klingelt das Jugendamt nicht an der Tür.
Dies war ein Hauptkritikpunkt der Experten, denn gerade bei sexuellem Missbrauch kann ein Hausbesuch kontraproduktiv sein. An der Notwendigkeit von Hausbesuchen generell hält von der Leyens Ministerium dennoch weiter fest: "Gerade bei Säuglingen - innerhalb von Stunden können die ja sterben - muss man schnell handeln", sagte ein Ministeriumssprecher. Die Hausbesuchsregelung soll nach dem neuen Gesetzentwurf bis 2012 befristet sein und von einer Evaluierung, an der Bund, die Länder und Kommunen beteiligt sind, begleitet werden. Diese Evaluierung hatte auch die SPD gefordert.
Neu ist zudem, dass in Verdachtsfällen zunächst mit den betroffenen Kindern und Jugendlichen geredet werden muss, bevor die Personensorgeberechtigten, also in der Regel die Eltern, einbezogen werden.
Zwölf Verbände, darunter die Arbeiterwohlfahrt, der Kinderschutzbund und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, hatten Bundesfamilienministerin von der Leyen am Freitag in einem offenen Brief trotz der Änderungen aufgefordert, auf das Gesetz zu verzichten. Paula Honkanen-Schoberth, Geschäftsführerin des Deutschen Kinderschutzbundes, kritisiert an dem Gesetzesentwurf, das er zwar Maßnahmen zur Intervention, aber keine zur Prävention bietet. Der wirksamste Kinderschutz sei die kontinuierliche Betreuung der betroffenen Familien. Voreilige Interventionen würden die Bereitschaft der Eltern, Hilfe anzunehmen, unterhöhlen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!