Familienministerin zur Frauenquote: Streng nach Protokoll
Franziska Giffey will Firmen stärker in die Pflicht nehmen, um die Quote zu erhöhen. Doch über den Sprech der Koalition wagt sie sich nicht hinaus.
Dumm nur, dass der Koalitionsvertrag in Sachen Quote deutlich zurückhaltender bleibt als von FidAR erhofft. Über den Stellenwert, den Frauen in Führungspositionen im Vertrag bekämen, sei man „nicht nur glücklich“, sagte FidAR-Chefin Monika Schulz-Strelow denn auch, bevor sie Giffey am Mittwoch auf die Bühne bat. Rückmeldungen wie die, dass Frauen der Wirtschaft schaden würden – was von Unionsseite zum Teil vorgebracht worden sei –, wolle man nie wieder hören.
Für rund 100 börsennotierte und mitbestimmungspflichtige Unternehmen gilt seit 2016 eine Frauenquote von 30 Prozent für neu zu besetzende Posten im Aufsichtsrat. Weitere etwa 3.500 Unternehmen müssen sich selbst gewählte Zielvorgaben setzen. Es wird allerdings nicht sanktioniert, wenn sie es lassen.
Im Koalitionsvertrag heißt es nun, in dieser Legislaturperiode solle ein „besonderes Augenmerk“ auf Unternehmen ohne Frauen in Führungspositionen gelegt werden, die sich die Zielgröße null geben – also nicht vorhaben, etwas zu verändern. Zudem solle bestraft werden, wer seine Zielvorgaben nicht melde. Und schließlich – immerhin – sollen Frauen in Leitungsfunktionen im öffentlichen Dienst bis 2025 gleichberechtigt vertreten sein. Doch was ist mit einer Ausweitung der Quote in der Privatwirtschaft? Fehlanzeige.
Formulierungen aus dem Koalitionsvertrag
„70 Prozent der Unternehmen, die Zielgrößen für den Vorstand haben, sagen: Wir planen keine Frauen im Vorstand. Zielgröße null“, kritisierte Giffey zwar bei FiDAR. Das sei weder zeitgemäß noch gerecht und einfach dumm: „Frauen in der Spitze sind gut fürs Geschäft.“ Deshalb müssten nun Sanktionen folgen: „Wir müssen an das empfindlichste Körperteil des Mannes: sein Portemonnaie.“
Doch anders als ihre Vorgängerinnen Manuela Schwesig und Katarina Barley (beide SPD), die noch im Januar die Quote für Vorstände forderte, hielt sich Giffey ansonsten aber zum Teil wörtlich an die Formulierungen aus dem Koalitionsvertrag. Planerfüllung ja – aber mehr dürfte von ihr in dieser Hinsicht in den nächsten Jahren nicht zu erwarten sein.
Auch in ihren sonstigen Zielen hielt sich Giffey streng ans Protokoll: 3,5 Milliarden Euro für die frühkindliche Bildung, ein Aktionsprogramm gegen Gewalt, Aufwertung der sozialen Berufe wie der Pflege. „Frauen können alles“, sagte Giffey, sei ihr Leitspruch für die nächsten Jahre. Gegen diesen braven Spruch begehrt mittlerweile nicht einmal mehr die Union auf.
Ganz anders geht Giffeys französische Kollegin an ihren Job heran, die Ministerin für Arbeit Muriel Pénicaud, die ebenfalls eingeladen war. Mit deutlich mehr gleichstellungspolitischer Rückendeckung von ihrem Staatspräsidenten Emmanuel Macron, als sie Giffey von Angela Merkel bekommt, konnte Pénicaud auch schon auf größere Errungenschaften in Sachen Quote zurückblicken: In Frankreich gilt eine Quote von 40 Prozent in großen Unternehmen, auch Sanktionen sind längst eingeführt.
Worauf Pénicaud aber vor allem pochte, sind frauen- und gleichstellungspolitische Themen, die bei Giffey bislang überhaupt keine Rolle spielen, zum Beispiel der Kampf gegen sexuelle Gewalt. „Gerade ist die Gesellschaft bereit, sich zu bewegen“, sagte Pénicaud. „Diese Gelegenheit dürfen wir nicht verpassen.“ Arbeitgeber sollen mit einbezogen, die Betreuung der Opfer soll verbessert werden. „Schande und Scham“, sagte Pénicaud, „müssen die Seiten wechseln.“
Ein Heimspiel für Giffey? Ja. Aber viele Tore fielen nicht.
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